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Vergangenen Juni erschien ein Buch mit dem Titel „Coolness. Über Miles Davis“, darin geht es nicht in erster Linie um seine – jederzeit unbestrittene – herausragende musikalische Rolle im Jazz, sondern um die „cool pose“. Wie diese seine Freundschaften, Feindschaften, Liebesbeziehungen, seine politischen und ästhetischen Anschauungen und sein Auftreten überhaupt beeinflusst hat. Miles war nicht nur ein musikalisches Genie, er beeindruckte seine Zeitgenossen und uns bis heute immer noch durch sein außergewöhnliches Bewusstsein für Stil, Coolness, die er in die Musikwelt eingeführt hat, und Geschmack. In den Vierzigern trug er Anzüge von den Brooks-Brothers, einem der ältesten und renommiertesten Herrenausstatter New Yorks, in den Sechzigern angesagte Rüschenhemden und in den Achzigern riesige Fleischfliegensonnenbrillen und Patchworkwildlederwesten. Mode und Stil war für die schwarzen Blues- und Jazzmusiker von Anfang an ein wichtiges Thema: keine Big Band, keine Jazzcombo der 20er-, 30er-Jahre und 40er-Jahre kam ohne schicke Anzüge, blütenweiße Hemden und Fliege aus. Das übertrug sich auch auf die Anfänge des „weißen“ Swing und Jazz in Europa: unvergessen – der große „Kleine“ Friedrich Hollaender, als er Mitte der 20er-Jahre im schwarzen Seidensmoking die Weintraub Syncopators dirigierte... Seine Musiker wechselten je nach Stilrichtung des Stücks in Windeseile ihre Kleidung passend zum Thema. Nicht nur die Musik, sondern das Theatralische, der Spaß am Verkleiden standen also im Mittelpunkt ihrer Inszenierungen. Das Publikum, ebenso stilvoll in Abendgarderobe an kleinen Tischchen oder im festlichen Theater hatte seinen Spaß daran. Der Anbruch des Dritten Reichs setzte dieser Art von vergnüglicher Abendunterhaltung ein Ende. „Negermusik“ war das auf einmal, Hollaender und tausende seiner jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger mussten fliehen, so lange sie noch konnten. In Paris oder Hollywood suchten sie ein neues Glück, was oftmals nicht von Erfolg gekrönt war. Jazz und Swing gab es offiziell nicht mehr im Nazideutschland, und während des Zweiten Weltkriegs flüchtete man sich eher in die heile Gaukelwelt des staatlich überwachten Kinos. Die so genannten „Swing-Kids“, die auffällig gestylt im Untergrund tanzend ihrer Passion frönten, wurden oftmals verfolgt und schlimmstenfalls in Konzentrationslager deportiert. Erst in den 50er-Jahren begannen wieder die ersten zarten Pflänzchen in der Bundesrepublik zu sprießen: nachdem man sich in den ersten Jahren gierig an den verpassten Weiterentwicklungen US-Amerikas orientiert hatte, begann man sich langsam aber stetig musikalisch zu emanzipieren. Vorreiterin Jutta Hipp gründete bereits 1954 ihr erstes Quintett, es folgten die Formationen von Albert Mangelsdorff (mit Heinz Sauer und Günter Kronberg), Michael Naura (mit Wolfgang Schlüter) und das Quartett von Klaus Doldinger (mit Ingfried Hoffmann). Und was hatten sie an? Für‘s Cover warf man sich noch in den schwarzen Anzug und Krawatte, Madame Hipp mit existenzialistischer „cooler“ Pferdeschwanzfrisur ins rückenfreie Abendkleid, doch es gibt bereits andere Fotos aus der Zeit mit Jutta in Ringelshirt und dem Saxophonspieler Zoot Sims im legeren kurzärmligen Sommerhemd. Auch der große Albert Mangelsdorff gewandete sich in den legendären Frankfurter Jazzkellerzeiten noch in dunkles Tuch, frönte aber im Laufe der Jahre immer mehr seiner Vorliebe für weite Hosen und gemusterte Hemden. Mit dem Einzug des Free Jazz wandelte sich der Modegeschmack der Jazzstars
noch einmal immens: auch in Sachen Stil wollte man jetzt frei sein, sich
keinen Kleiderkonventionen mehr unterwerfen: Gunter Hampel setzte sich
unkonventionelle Kopfbedeckungen wie Skimützen und Baseballcappys
auf, Manfred Schoof hegte in den 80ern eine Vorliebe für schwarze
Strickpullover und mit dem Einzug der Rockmusik in den Jazz wurde die
Szene noch ein bisschen bunter. Während Bert Kaempfert im zweifarbigen
Smoking eher die ältere, beziehungsweise konservativere Generation
von Musikliebhabern beeindruckte, da vor allem natürlich die -Liebhaberinnen,
ließ Volker Kriegel im karierten Hemd, Wuschelmähne und Spencerjäckchen
seine Gitarre aufjaulen. Die großen Damen des Jazz wie Diana Krall lassen sich dagegen für Coveraufnahmen in modelgleiche Feenwesen umstylen, und der smarte Till Brönner lässt nicht zuletzt durch seinen smarten Stil die Frauenherzen höher schlagen. Max Raabe entführt mit Pomade im Haar und tadellosen Anzügen in vergangen Welten, Helge Schneider feiert das karierte Sakko und den Zirkusstil, und dann wäre da noch die jüngste Generation wie Michael Bublé oder unser Titeljunge Jamie Cullum, die das Comeback des Anzugs eindrucksvoll feiern. Irgendwie cool, oder? Ursula Gaisa |
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