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Der Vertrauensvorschuss war riesig – und redlich verdient. Lange, bevor das Jazzfestival im österreichischen Saalfelden (Pinzgau, Salzburger Land) seine 30. Ausgabe und damit ein stattliches Jubiläum feiern durfte, gab es kaum noch Karten für die viertägige Veranstaltung. Dabei dürften selbst Insider die Stirn gerunzelt haben, als sie das Programm im Vorfeld zu lesen bekamen. Egal – wer nach Saalfelden fährt, weiß, dass er mit dem Erwerb des Tickets ein geringes Risiko eingeht. Hier, am Ufer des „Steinernen Meers“ hat man sich über viele Jahre darauf spezialisiert, den Status Quo des Jazz zu dokumentieren, seine jüngsten Entwicklungen aufzuzeigen und manchmal auch vorauszuahnen, welche Routen er in naher Zukunft wohl einschlagen wird. So ging es den Programm gestaltenden Intendanten Michaela Mayer und Mario Steidl auch im Jubeljahr 2009 eher darum, Entdeckungen oder auffällige Trends zu präsentieren, als sich von internationaler Jazz-Prominenz ein Ständchen spielen zu lassen. Mario Steidl: „Uns geht es darum, die musikalische Gegenwart einzukreisen.“ Eröffnet wurde der Konzertreigen des Hauptprogramms mit einer Umarmung an die Heimat. Der Posaunist und Komponist Christian Muthspiel entwarf mit seiner (instrumentalen) „Yodel Group“ ein liebenswertes Alpen-Panorama – manchmal sanft ironisch gebrochen. So zart wie dieser Traditionen liebkosende Auftakt sollte es nicht weitergehen. „Little Women“ hieß ein US-Quartett, das die Idylle mit einem Mordsradau hinweg fegte – knallharter, schriller, derber Minimalismus mit viel eigenwilliger Dynamik sorgte für disparate Meinungen. Lautstärke diente nicht nur in dieser Band als Gestaltungsmittel – während manche, wie etwa der norwegische Gitarrist Eivind Aarset sie in kristallklarem Gletscher-Jazzrock wirklich kunstvoll einsetzten und dabei auch auf Abstufungen achteten, sorgte die Phonzahl bei Projekten wie dem des Rova Saxophone Quartets nur für heilloses Klang-Chaos. Die „elektrische“ Neu-Interpretation von John Coltranes Werk „Ascension“ konnte einen auch selbst in lichteren Momenten nicht von der Notwendigkeit des Gebotenen überzeugen. Druckwellen kamen auch bei anderen Konzerten von der Bühne – aber die Musik war ungleich differenzierter – etwa in Steven Bernsteins „Diaspora Suite“ oder in der von Sun Ra inspirierten „Cosmic Band“ des italienischen Posaunisten Gian luca Petrella. Und es gab auch die ganz filigranen Momente in Saalfelden – etwa beim Cellisten Erik Friedlander, der Oscar Pettiford mit seinem „Broken Arm Trio“ eine zeitgemäße Aufwartung machte, oder im Konzert des indisch-amerikanischen Pianisten Vijay Iyer, der den klassischen Klavier Trio Sound neu deutete und ausgestaltete. Zu den Auftritten, die im Gedächtnis hängen bleiben werden, gehörte der des englisch-amerikanischen Quintetts „Big Air“ (u.a.m. Chris Batchelor, Andrew D´Angelo, Jim Black). Hier gab es die perfekte Balance aus komponierten Passagen und entfesselten Improvisationen. Für das Finale hatten sie sich dann in Saalfelden doch noch einen Star, eine Legende aufgespart. Der alterssanft gewordene Ornette Coleman (der am Ende fast der gesamten ersten Reihe Congress die Hand gab), kam, sah und siegte. Dabei hörte es sich zunächst nicht danach an. Der Erfinder der „Harmolodics“ wirkte etwas wackelig – doch dann entwickelten die Klassiker aus seinem Repertoire diesen unwiderstehlichen Drall und Coleman steigerte sich gewaltig. Am Ende, in der zweiten Zugabe, sorgte er sogar noch für eine Sensation, mit der zu diesem Zeitpunkt niemand mehr gerechnet hätte: Als Würdigung für den verstorbenen Michael Jackson ließ er das Riff von „Beat It“ durch eines seiner Stücke laufen. Ein echter Abschlussknaller. Ssirus
W. Pakzad |
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