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Jazzzeitung

2009/05  ::: seite 13

rezensionen

 

Inhalt 2009/05

Inhaltsverzeichnis

STANDARDS

Editorial / break / Nachrichten aus der Jazzszene / kurz, aber wichtig Farewell: Dieter Seelow


TITEL -
Von der Rückkehr des Stils
Wie die Mode in den Jazz ein-, aus- und wieder einzog


DOSSIER
- St. Lucia und Ungarn

Mit der Wende war alles möglich
Jazz in Ungarn – ein besonderes Erlebnis

Schirmherrschaft der Pietons
18. Jazzfestival auf St. Lucia – ein Rückblick

Berichte
Keith Jarrett in der Berliner Philharmonie // 20. Jazzfest München // Jazzorchester Regensburg mit Gaststar Efrat Alony // 33. Leipziger Jazztage // Loft Music und Gasteig GmbH starten neue Jazzreihe // 30. Jazzfestival Saalfelden


Portraits

German Jazz Trophy 2009 für Carla Bley // NU-Jazz-Reihe von ACT // Jamie Cullum // „Magnus Fra Gaarden“ // ETNA // Jazzpianist Martin Sasse // Randi Tytingvåg // Tiny Tribe


Jazz heute und Education
BMW Welt Jazz Award 2010 – ein Interview mit Frank-Peter Arndt // Martin Pfleiderer lehrt in Weimar Geschichte des Jazz und der populären Musik // Abgehört: Cannonball Adderleys Solo über „Straight, No Chaser“

Rezensionen und mehr im Inhaltsverzeichnis

 

Die Stunde der Enkel

Geoff Goodmans „Rosebud Trio“ und seine Hommage an das Newport Festival bei enja

Es ist eine Frage von Nähe und Distanz. Auf der einen Seite ist Newport weit weg, ein Hafenort in Rhode Island, dem kleinsten Bundesstaat der USA an der Ostküste des Landes, beliebt bei Seglern und Sommerfrischlern wegen seines angenehm ausgeglichenen Klimas. Andererseits haben sich in diesem an sich beschaulichen Ort Dinge ereignet, die die internationale Musikgeschichte nachhaltig beeinflussten.

Anno 1959 hatte der Impressario George Wein gemeinsam mit dem späteren Dylan-Manager Albert Grossman im Anschluss an das bereits seit fünf Jahren existierende Jazz Festival ein Folk-Pendant ins Leben gerufen. Damit wollte er ein Forum für eine beständig wachsende Szene schaffen, die bereits seit einem Jahrzehnt sich auf uramerikanische Musikwerte besann und zugleich behutsam begann, die Tradition zu verändern. Das Festival entwickelte sich rasch zu einer Plattform für junge Künstler, die von dort aus ihre Karriere starteten. Bereits im zweiten Jahr konnte man in Newport die blutjunge Joan Baez erleben, 1963 debütierten dort Judy Collins und Bob Dylan vor großem Publikum. Letzterer sorgte weitere zwei Jahre später für einen gerne kolportierten Eklat, als er sich eine E-Gitarre für seine Lieder umschnallte und von den Traditionswächtern prompt ausgebuht wurde. Unterm Strich begann in Newport, was in Woodstock kulminierte. Musik manifestierte sich als Motor eines friedlichen, Rassenschranken überwindenden Bewusstseins und Künstler wie Son House und Howlin‘ Wolf, Mississippi John Hurt und Pete Seeger, Donovan und Woody (seit 1967 auch Filius Arlo) Guthrie wurden zu Wahrzeichen eines gemäßigt toleranten und zumindest punktuell politisch aktiven Amerikas. So wurde das Newport Folk Festival, das übrigens in diesem Sommer mit großem Programm sein Fünfzigjähriges feierte, zu einer legendären Veranstaltung, um die sich viele Geschichten ranken. Und die auch den Gitarristen Geoff Goodman in den Bann zog.

Ausschlaggebend war zum einen eine Dokumentation von Murray Lerner über die bewegten Sechziger beim Folk Festival, zum anderen ein Bildband von David Gahr („The Face Of Folk Music“) mit eindrucksvollen Fotos von Künstlern dieser Jahre. Goodman, selbst Sohn einer Malerin, nahm einige der Fotos als Vorlagen für eigene Bilder und begann mit der Akribie des gelernten Musikarchäologen, sich mit der Klangwelt von Newport auseinander zu setzen. Manches war ihm aus eigenen Jugendtagen vertraut, anderes entdeckte er neu und stellte bald fest, dass in diesem Stoff die Basis für ein Programm seines Rosebud Trios schlummerte, das an das raffiniert klangskelettierende Konzept von „Rosebud Trio Plays Jazz, Film Music and Cowboy Songs“ anknüpfen könnte.

Geoff Goodman präsentierte dem Saxofonisten Till Martin und dem Posaunisten Johannes Herrlich eine Auswahl von Traditionals und Bardenlieder des ersten Newport-Jahrzehnts und warb außerdem eine alte Freundin an, Beate Sampson, mit der er nun endlich das Versprechen einlösen konnte, mal etwas zusammen zu machen. „Beate ist Jazzsängerin, aber sie liebt Folk Music. Sie hat eine starke Stimme, verfügt über große Erfahrung und Reife und hat die perfekte Intonation“, meint der Gitarrist, der auch häufig zum Banjo greift. So wurde aus der Idee ein Projekt und aus dem Rosebud Trio schlicht Rosebud.

Dabei ging es nicht um die einfache Adaption und Konvertierung vorhandenen Materials in einen anderen Arrangementzusammenhang. Im Mittelpunkt stand die Aneignung der Stücke und da wiederum hatten auch die Texte, die mal bittere, mal schelmische Geschichten aus der Zeit eines von Unterdrückung geprägten Amerikas erzählen, eine wichtige Funktion. „Wir haben geprobt und fühlten uns gleich frei“, erinnert sich Beate Sampson an die ersten gemeinsamen Phasen von „Rosebud plays the Music of Newport“. „Klanglich hat alles gepasst, ein Glücksfall. Aber wir verstehen auch die Songs. Wenn wir eine finstere Moritat wie ‚Pretty Polly‘ spielen, weiß jeder Beteiligte genau, worum es in diesem bitteren Lied geht und kommentiert es auf seine Weise. Überhaupt finde ich es faszinierend, als Deutsche an eine Tradition anzudocken, die für uns eigentlich weit weg ist. Wir machen das mit Respekt und entwickeln zugleich eine ganz eigene Sicht der Dinge.“ Newport als Folie für Kulturverständnis mit dem Kick des reduktionistischen Witzes – auf diesem Fundament kann etwas entstehen, das mehr ist als ein Tribute. Das ist musikalische Empathie ohne dem Pathos des Nostalgischen.

Ralf Dombrowski

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