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So langsam aber sicher kann Phase eins als abgeschlossen gelten: Das Münchener Label Pirouet ist wahrlich kein Newcomer mehr, sondern längst eine etablierte Größe. Von Beginn an setzte man weder auf große Namen – obwohl sich solche im Katalog durchaus finden – noch auf einen Trend oder einen labeltypischen „Sound“. Das schlichte Credo lautet: Qualität, Geradlinigkeit, Eigenverantwortung. Neben dem in konstanter Partnerschaft mit dem Label verbundenen Marc Copland, der zuletzt mit seinen New York Trio Recordings Vol. 1–3 für schiere Verzückung sorgte, gehört unter anderem Bill Carrothers zu den Künstlern, mit denen Pirouet verbunden ist. Sein zuletzt veröffentlichtes Werk „Home Row“ (PIT 3035) mit Altmeister Gary Peacock, b, und Bill Stewart, dr, wartet auf mit vier äußerst abwechslungsreichen Originals von hoher Bandbreite und Eigenständigkeit und fünf Standards, denen man kaum mehr zutrauen könnte, als Carrothers aus ihnen macht: Kurt Weills wie hingetupftes „Lost In The Stars“, Thelonious Monks eckig ausgekostetes „Off Minor“, Toots Thielemans hauchzart ausgelotete „Jesus‘ Last Ballad“ und last but not least Ornette Colemans „When Will The Blues Leave“, ein kraftvoller Wirbel eigenständiger Pianotriokunst, der das Album einläutet. Selbst der viel missbrauchte Cole Porter Song „My Heart Belongs To Daddy“ wird mit so viel eigenständigem Leben gefüllt, dass man sich gar nicht satthören mag. Die Aufnahmen stammen aus dem Jahr 1992. Sie zeigen in ihrer Subtilität und Bandbreite ein Potential, das Bill Carrothers seither immer wieder eingelöst hat. Ausgangspunkt der Aktivitäten des Labels war von Beginn an auch die regionale Szene. Aus der ist der Münchener Bassist Henning Sieverts nicht wegzudenken. Der legt mit seinem aktuellen Projekt „Symmetry“ gemeinsam mit Chris Speed, cl, ts, Johannes Lauer, tb, Achim Kaufmann, p, und John Hollenbeck, dr, auf „Blackbird“ (PIT 3040) die zweite Charge in sich symmetrischer Kompositionen vor. In minuziös erdachter Struktur gelingt es, Räume für vogelfreie improvisatorische Kreativität zu erschließen, luftig, duftig, transparent auf den Spuren von Olivier Messiaen, Arnold Schönberg oder der Inspiration durch ein Gemälde von Paul Klee. Dabei klingt nichts gekünstelt, konstruiert oder zwanghaft, im Gegenteil. Wie das Zwitschern der Vögel im Frühlingsgarten, so leicht, vielgestaltig, komplex und lebendig ist Sieverts neuester Streich. Noch ein Bassist: Nicolas Thys ist in vielfältigen Projekten bekannt geworden und wirkte auf der allerersten Pirouet-CD mit, Walter Langs „Lotus Blossom“ mit Aya Murodate. Er zeigt nun auf „Virgo“ (PIT 3038) mit Chris Cheek, ts, Jon Cowherd, p, Ryan Scott, g, und Dan Rieser, dr, kompositorische Originalität und kreative Eigenständigkeit im Spiel mit Rhythmen und verblüffend sinnlichen, stimmigen Melodien unter anderem mit dem fast ein wenig bockig wirkenden „Disco Monkey“, dem unverdrossen durch die Luft groovenden „Lucky Loser“ und der graziösen „Virgo“. Jason Seizer, der künstlerische Leiter des Labels, legte zuletzt „Time Being“ (PIT 3027) vor mit Marc Copland, p, Matthias Pichler, b, und Tony Martucci, dr, ein Album, das den Beteiligten alle Ehre macht in traumwandlerischer Sicherheit, sinnlicher Ästhetik, tiefer Seriosität und sublimer Intelligenz. Seizers schlanker, farbenreich modulierender Ton am Tenor, seine jedweder Überflüssigkeit abholde Zurückhaltung, die eher tupft als mit dem breiten Pinsel arbeitet, passt in idealer Komplementarität zu Marc Coplands innigem Klavierspiel. Der New Yorker Pianist ist in der tief gründenden Unvergleichlichkeit seines klanglich überaus nuancierten, unbeugsam ehrlichen und unmittelbar authentischen Spiels sowieso längst ein leuchtender Fixstern am Jazzhimmel. Dass man sich im Hause Pirouet nicht auf den verdienten Lorbeeren ausruhen möchte, ist nur zu begrüßen. Insofern klingt der Titel des jüngst erschienen Samplers mit Highlights aus dem aktuellen Katalog wie ein Versprechen: „The Best Is Yet To Come“. Tobias Böcker |
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