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Als ich vom Tode Dave Burns erfuhr, war ich seltsam berührt. Weniger wegen des Todes eines guten Jazztrompeters. Er wurde 85 Jahre alt – kein schlechtes Alter für einen Musiker, der noch in den 40er Jahren wenn nicht zu den Vätern, so doch zu den frühen Praktikanten des Bebop gehörte. Nein, traurig, stimmte mich eher die Tatsache, dass sein Tod praktisch nicht zur Kenntnis genommen wurde, und, damit zusammenhängend, die Chance endlich einmal sein Schaffen zu würdigen, vertan wurde. Die Todesnachricht entnahm ich einer Meldung in einer Newsgroup im Internet. Nirgendwo habe ich einen Nachruf oder eine Zeitungsnotiz entdeckt. Man wird da sehr nachdenklich. Wer muß man im Jazz eigentlich sein, um wenigstens nach dem Tod ein bißchen dankbare Anerkennung in Form eines Nachrufes zu ernten? Doch eine Kerze anzuzünden ist besser als über die Dunkelheit zu schimpfen. Am 5. März 1924 erblickte der Trompeter, Flügelhornist, Pianist und Lehrer Dave Burns in Perth Amboy, New Jersey das Licht der Welt. Im Alter von neun Jahren begann er mit dem Trompetenspiel. Wir wissen wer seine Lehrer waren: Von 1933-1937 Antony Aquaviva und von 1937-41 Nicholas Morrisey. 1959 bis 1961 perfektionierte er sich wieder bei einem Italoamerikaner, Carmine Caruso. Trotzdem wird im Jazz meist jener als Lehrer bezeichnet, an dem sich der Musiker stilistisch orientiert: „Ich war noch ein Teenager, als ich Dizzy in Minton’s Playhouse kennenlernte. Ich glaube ich war 16 oder 17 (…) Ich war damals ein Louis Armstrong-Fan und ich stand sehr auf Roy Eldridge. (…) Dizzy war der phänomenalste Trompeter, den ich jemals gehört hatte. Er veränderte meine ganze musikalische Richtung, denn niemand spielte solche Changes und solche Akkorde wie er. Heutzutage spielt jeder wie Dizzy. (…) Es gibt keinen Trompeter auf der ganzen Welt, der nicht von Dizzy beeinflußt ist. Hätte es keinen Dizzy Gillespie gegeben, dann gäbe es auch keinen Miles Davis, verstehst Du.“ Da hat Burns recht, doch Ira Gitler hat es auf den Punkt gebracht: „Not many have attempted to play directly in Gillespie’s ryhthmically and harmonically intricate style and Burns was the first.” Seine ersten Sporen verdiente sich Dave Burns 1941-43 bei Al Cooper’s Savoy Sultans. Die Jahre 1943 – 45 leitete er eine Band der Air Force, der auch der junge James Moody angehörte. Im Laufe der nächsten Jahre blieben sie einander verbunden, zumal beide zum Kreis Dizzy Gillespies gehörten. Was könnte mehr für die Qualitäten Burns bürgen, als die Tatsache, daß Gillespie selbst ihn engagierte. Dizzy Gillespie: Ekstatische BesessenheitNach seiner Zeit im Orchester von Billy Eckstine, leitete Dizzy Gillespie von 1946 bis 49, also mitten in der Zeit des Big Band-Sterbens, ein eigenes Orchester. Es besaß zwar nur wenige Solisten von Rang, musizierte aber mit ekstatischer Besessenheit und lieferte mit packenden Titeln wie „Things To Come“ die bislang modernste Orchestermusik des Jazz. Die Wirkung dieser Musik war damals nichts weniger als schockierend. Zum Trompetensatz des großen Trompeters Dizzy Gillespie gehörte von der ersten Stunde an Dave Burns: „Die vier Jahre, die ich bei Dizzy verbrachte, kommen mir heute wie Monate vor, weil wir soviel Spaß hatten. Es war eine großartige Band. Gil Fuller war der musikalische Direktor, er war ganz, ganz groß. Sehr phantasievoll, einfach ein Genie.“ Es versteht sich, daß meist Gillespie die Trompetensoli blies, doch vereinzelt kam auch Burns an seiner Seite zum Zuge. Im Orchester des populärsten Vertreters des anfangs unpopulären Bebop hatte er schon mal die Aufgabe, wie ein Echo Gillespies zu spielen, und das sogar buchstäblich. So wiederholte er am 9. 7. 1946 in „One Bass Hit“, einem John-Lewis-Stück für den Bassisten Ray Brown, das zuvor von Dizzy Gespielte. Ralph Burns und die Bebop-Boys gehen ins StudioAm 25. September 1946 ging Ralph Burns mit den Ray Brown All Stars ins Studio, deren Besetzung sie durchaus als Ableger von Gillespies Orchesters zu erkennen gibt: Die Bebop-Boys, so der andere Name des wackeren Häufleins virtuoser Neutöner, featurten im „Smokey Hollow Jump“ einen Schlagabtausch der Trompeter Izzy Goldberg und Dave Burns. Wer ist Izzy Goldberg? Kein Geringerer als ein Trompeter, der sich kurz zuvor bei einer anderen Plattenaufnahme hinter dem ebenfalls jüdisch klingenden Pseudonym B. Bopstein versteckte: Dizzy Gillespie. Die Aufnahme zeigt nicht nur, daß Dave Burns keine Scheu hatte, mit Dizzy Gillespie um die Wette zu spielen. Er tat es exakt im Stil seines Vorbilds. Die meisten Solobeiträge Dave Burns hörte man in jener Zeit, wenn er, so könnte man sagen, stellvertretend für Dizzy Gillespie ins Studio ging, zum Beispiel 1949 bei Dizzy Gilespies Arrangeur Gil Fuller, der 1949 ein Orchester aus Dizzy Gillespies Musikern rekrutierte, das in jenem Jahr aufgelöst wurde. Obwohl Fullers Orchester mit Musikern wie Milt Jackson und Art Blakey nichts zu wünschen übrig lies, kam nie ein Auftritt für sie zustande. Sehr häufig ist Burns an der Seite von James Moody. Herausgehoben sei Burns „Moodamorphosis“ aus dem Jahr 1948, ein Stück das Burns mit Gil Fuller komponierte und in dem sein Spiel auch etwas in Richtung Fats Navarro deutet. 1949 und 1950 musizierte Dave Burns bei Duke Ellington. Trotzdem trug das nicht zu einer besonderen Bekanntheit bei. Es war die wohl erfolgloseste Zeit des wichtigsten Jazzorchesters. Fast alle Aufnahmen, die Dave Burns während der 50er Jahre machte, hat er seinem Freunde James Moody zu verdanken. Spätestens in dieser Zeit gelingt Dave Burns der Sprung von einem guten Double Gillespies zu einem herausragenden Trompeter mit eigenständigem Profil, der harmonisch ausgefuchst und mit immer wieder überraschenden Einfällen musizierte. Ich hörte Dave Burns erstmals auf James Moodys Album „Wail Moody, Wail“ vom 12. Dezember 1955, das wohl die Ursache dafür ist, daß ich den Trompeter nie wieder vergessen habe. Sein Solo in „The Donkey Serenade“ etwa, einem Stück, das man sonst nicht mit Jazz in Verbindung bringen würde, hat Größe und ist auf der Höhe der Zeit. Das wird klar, wenn man die Aufnahmen von Clifford Brown und Clark Terry aus jenen Tagen im Ohr hat, Musiker, die Burns nicht unberührt gelassen haben. Wer Burns da hört, kann sich schwer vorstellen, daß er auf der Höhe seines Könnens bis 1960 von der Bildfläche oder sollten wir sagen, von der Tonfläche verschwand? Als er James Moodys Band verließ, kündigte Dave Burns an, sich ganz aus der Musik zurückzuziehen. Ein angesichts seines Könnens überraschender Entschluß, der zur Folge hatte, daß er wohl in jenen Jahren, in denen genau jene Musik en vogue war, zu der seine an Gillespie und Brown orientierte Spielweise am besten paßte, nicht zu hören war. „The Biographical Encyclopedia Of Jazz“ von Feather / Gitler gibt eine andere Darstellung: Er habe bis 1957 bei James Moody gespielt und wäre von 1957 bis 1960 Free lancer gewesen. Ich glaube, er hätte auch diskographische Spuren hinterlassen, wenn er wirklich tätig gewesen wäre. Wer Jazzplatten sammelt, weiß, daß gerade Ende der 50er Jahre mit Beginn der Stereophonie geradezu ein Jazzplatten-Boom einsetzte. Es ist unwahrscheinlich, daß er in den 5 Jahren des Schweigens etwa mit anonymen Bands auftrat. Auf dem ersten Album nach diesem Hiatus aufgenommenen Album musiziert er auch gleich mit namhaften Kollegen wie Stanley Turrentine, Wynton Kelly, Paul Chambers und dem Bandleader Art Taylor: Das am 6. August 1960 aufgenommene „A. T.’S Delight“ zeigt ihn in bester spieltechnischer Verfassung. Seit 1959 hatte er wieder Unterricht genommen, und zwar bei Carmine Caruso, einem legendären Lehrer, bei dem unter anderem auch Randy Brecker und Ray Anderson studierten. Was Dave Burns hier spielt ist auf eine unspektakuläre Weise geistvoll. Jede Note sitzt an ihrem Platz und keine ist zu viel. Besonders seine time und sein geschickter Umgang mit der Harmonik empfehlen ihn für anspruchsvollste Aufgaben im Hard Bop-Bereich. Trotzdem bleibt seine Diskographie auch nach dem Comeback überschaubar. Alte Freunde wieder vereint: Burns und Griffin Seine nächsten Aufnahmen entstanden einen Monat später, am
27. September 1960 für das Label Riverside, bei dem der 2008 verstorbene
Tenorist Johnny Griffin unter Vertrag war. Griffin und Burns waren alte
Freunde, hatten aber seltsamerweise vor der Aufnahme nie zusammen musiziert. „Johnny
Griffin’s Studio Jazz Party“ war eine Art kontrollierte Jam
Session und zugleich der damals innovative Versuch, die Atmosphäre
von Live-Musik mit den aufnahmetechnischen Möglichkeiten eines Studios
festzuhalten. Dave Burns trug sein Stück „Toe-Tappin’“ bei
und zeigt sich als feuriger, kreativer Sparrings-Partner für „Little
Giant“. Vielleicht ist das der Grund dafür, daß Burns seine beiden
einzigen Alben auf dem Label Vanguard herausbrachte, einem Mainstream-Label.
Das erste, von 1962, heißt schlicht „Dave Burns“; hierfür
zog unser Trompeter mit Weitsicht einen jungen Pianisten namens Kenny
Barron heran. 1963 folgte „Warming Up“, für das er unter
anderem auf Grey, Mitchell und den Vibraphonisten Bobby Hutcherson aus
seiner Gruppe zurückgriff. Beide Alben sind sehr selten, es sei
denn man begnügt sich mit Downloads. Marcus A. Woelfle
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