Anzeige |
|
|
Anzeige |
|
Das renommierte Jazz Festival Willisau, das seit 1975 alljährlich Ende August im Hinterland Luzerns über die Bühne geht, wird überschattet vom Rücktritt Niklaus Troxlers. Der Gründer und langjährige Leiter legt die Verantwortung nun in jüngere Hände. Er habe schon länger überlegt, äußerte sich der 61-Jährige gegenüber dem Autor, „sich diese Riesenarbeit nicht mehr länger anzutun.“ Zudem werde er nicht jünger und müsse mit seinen Kräften haushalten. „Es wird wehtun“, so Troxler angesichts der bevorstehenden Übergabe. Dass es mit dem Festival auf jeden Fall weiter geht, das beruhigt ihn. Aber die zwischen den Festivals stattfindenden Einzelkonzerte wird es nicht mehr geben. Niklaus Troxler, dies sein Verdienst, hat gegen sämtliche Widerstände das Festival aus dem Boden gestampft. Der gelernte Schriftsetzer und studierte Grafiker, Sohn der Stadt Willisau und heute Ehrenbürger, hat sich in der Provinz behauptet. Er hat es geschafft, Akzeptanz einer bisher nicht wahrgenommenen Musik zu finden. In der ländlichen Idylle „konnte man die Musik klarer hören“. Gepriesen wird die offene Atmosphäre, der Kontakt zwischen Musikern und Publikum. Troxlers Erfolgsgeschichte, die mit seinen Plakaten adäquat für die Augen aufbereitet wurde, geht freilich weiter zurück. 1966 veranstaltete der damalige Schüler Jazzkonzerte mit lokalen Größen, später auch mit internationalen Stars. 1972 trat mit Chick Corea erstmals ein Amerikaner auf, andere wie Keith Jarrett oder Ornette Coleman folgten, noch bevor das Festival aus der Taufe gehoben war. Es hat dann „die Wahrnehmung der Schweiz durch ausländische Musiker mit beinflusst“, wie Meinrad Buholzer betont. Der Publizist legte vor fünf Jahren seine langjährigen Erfahrungen mit dem Ereignis, kritische wie freundschaftliche, in seinem lesenswerten Buch „Jazz in Willisau – wie Niklaus Troxler den Free Jazz nach Willisau brachte“, vor. Das Festival unterlag im Lauf der Jahre einem Wandel. Mitte der 90er Jahre weichte die schwarze Dominanz der verpflichteten Bands auf. Nur noch zwei bis drei gegenüber acht im Jahr 1979 kamen aus den Staaten, wie überhaupt den US-Stars stets europäische Musiker gegenübergestellt wurden, von der Schweizer Szene ganz zu schweigen. Irene Schweizer trat 22 Mal, Pierre Favre 19 Mal, Freddy Studer 17 Mal in Willisau auf. In diesem Jahr ist so gut wie jedes der sechs Konzerte mit Eidgenossen bestückt. Die Szene ist stärker geworden, so Troxler, was seinen Niederschlag im Programm finden muss. John Wolf Brennan und Lucas Niggli sind feste Größen, weniger bekannt, aber zu entdecken, sind die Pianisten Vera Kappeler und Hans Feigenwinter. Die sechs Konzerte, alle thematisch auf den gelegentlich skurrilen Begriff gebracht („Dada + The Beatles“), beleuchten Aspekte, die den künstlerischen Leiter in den vergangenen Jahrzehnten begleitet haben. Sie sind, sagt er, „die Essenz“. Das Eröffnungskonzert am 26. August ist dem schwarzen Kontinent gewidmet und bringt den südafrikanischen, schrillen Saxofonisten Zim Ngqawana mit seinem Zimology Quartet sowie die African Jazz Allstars, die in der Tradition der Brotherhood of Breath stehen. Bestens vertreten, in diesem Jahr überdurchschnittlich, sind die Amerikaner mit James „Blood“ Ulmer, John Scofield, Ray Anderson und Marc Ribot. Die europäische Szene ist mit Mike Westbrook (“New Off Abbey Road”) vertreten, Deutschland und Frankreich Fehlanzeige. Bei aller Subjektivität im Programm, aus der Troxler nie einen Hehl machte, ist Willisau wie immer ein Spiegel der aktuellen Szene. „Jazz in Willisau ist eine Erfolgsgeschichte“, bilanziert Buholzers Buch. „Sie zeigt , dass es mit Idealismus, Kontinuität, Hartnäckigkeit möglich ist, Außergewöhnliches zu leisten. Niklaus Troxler hat Jazzgeschichte geschrieben. Er hat – mit seinen Konzerten, mit seiner Grafik – Brücken gebaut, Impulse gegeben, die Kultur bereichert.“ Reiner Kobe |
|