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Jazzzeitung

2009/03 ::: seite 6

portrait

 

Inhalt 2009/03

Inhaltsverzeichnis

STANDARDS

Editorial / break / Nachrichten aus der Jazzszene / kurz, aber wichtig / ABC: Duke Ellington / Farewell: Der Trompeter Dave Burns


TITEL -
Kind Of Blue
Fotoausstellung Werkmeister-Henn im Gasteig


DOSSIER
- JAZZAHEAD 2009
Klasse(n)treffen

Zur jazzahead! 2009: Panels, Konzerte, Ausstellung
Braucht Jazz Konzertvermittlung?
Statements einer Diskussion

Berichte
4Jazzwoche Burghausen // Japanwoche im Bayerischen Hof München // Manfred Bründl im Leeren Beutel in Regensburg // 35 Jahre „Bühne frei im Studio 2“ // Kulturkontor e.V startet ein neues Festival in München // Marshall Allen leitet das beste Arkestra aller Zeiten Vorschau: Saalfelden // 35. Willisau Festival // JazzAscona


Portraits

Efrat Alony // JJ Cale mit neuer CD // Gitarrenbauer Frank Krocker // Matthias Schriefl // Saxophonistin Tina Tandler // Das Münchner Label Pirouet


Jazz heute und Education
Der schwere Stand des Jazz innerhalb der Kulturförderung // Wolf-Dieter Roloff erhielt Louis-Armstrong-Gedächtnispreis // Die Neue Jazzschool München und LOFTmusic fördern den Jazz-Gesangsnachwuchs // Abgehört: J.J. Johnsons Solo über Billie‘s Bounce

Rezensionen und mehr im Inhaltsverzeichnis

 

Ideen verbrauchen sich nicht

Matthias Schriefl im Interview

Umtriebig und mit der Energie eines Kraftwerks bewegt sich Matthias Schriefl, 1981 in Kempten / Allgäu geboren, in der europäischen Jazzszene und außerhalb. Einerseits ist der Trompeter und Komponist, zunächst klassisch ausgebildet und im Alter von elf Jahren Bundessieger bei „Jugend musiziert“ und 1998 Bundessieger bei „Jugend jazzt“, ziemlich unzufrieden mit deren status quo, andererseits steuert er mit mehr als einem Dutzend von ihm geleiteter Ensembles gegen vermeintlichen Stillstand. In Köln, wo Matthias Schriefl wohnt, ist er für Jazzreihen im ART-Thater und im Stadtgarten verantwortlich, und dort tritt er auch regelmäßig mit seiner bekanntesten Band Shreefpunk auf. Im Jahr 2008 wurde er auf Vorschlag der Kölner Philharmoniker zum „Rising Star“ ernannt und ist seitdem auf Tournee zu den renommierten Konzerthäusern Europas. Zwei Konzerte aus diesem Kontext, im Stadtgarten und in der Philharmonie, sind jetzt als „Shreefpunk - Live in Köln“ veröffentlicht. Während des German Jazz Meeting bei der Jazzahead 2009, zu der Matthias Schriefl zum dritten Mal nacheinander eingeladen war, sprach Hans-Dieter Grünefeld mit ihm über seine Aktivitäten und Pläne.

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Jazzzeitung: Wie passt „Jugend musiziert“ und zeitgenössischer Jazz zusammen?

Matthias Schriefl: Obwohl ich einmal Bundessieger war, haben mich nachfolgende Wettbewerbe total frustriert und ich beschloss auszusteigen. Stattdessen wollte ich dann Jazz machen, weil man Jazz nicht messen kann, da geht es nicht um höher, schneller, weiter.

Jazzzeitung: Wo haben Sie die Shreefpunkmusiker kennen gelernt?

Schriefl: Shreefpunk hat sich ergeben, als ich 2003 von Amsterdam, wo ich ein Stipendienjahr verbrachte, zurückkam. Da hatte ich versucht, diese Art von Musik zu machen und in Köln Johannes Behr (g), Robert Landfermann (b) und Jens Düppe (dr) als Partner gefunden. Unser Gitarrist sagte damals, dass wir Punk spielen. Er hatte zunächst Schrieflpunk als Namen vorgeschlagen. Aber ich wollte nicht Englisch und Deutsch vermischen, deshalb habe ich Shreefpunk daraus gemacht.

Jazzzeitung: Die Kombination von Punk und Jazz – ist das Nostalgie oder Protest?

Schriefl: Wahrscheinlich bin ich eher auf der Protestseite, weil ich denke, Musik ist völlig wertlos, wenn sie irgendwas wiederholt, was es schon gibt, nur noch einmal schlechter aufbereitet.

Jazzzeitung: Es geht nicht um den Stil, sondern um die Elemente darin, Free Jazz, modaler Jazz und eben Punk. Da hängt etwas aus der Vergangenheit in die Gegenwart.

Schriefl: Ich denke, dass man immer eine gewisse Vergangenheit in der Musik hat. Jeder tolle Innovator hat irgendwelche Idole gehabt. Meine Herkunft ist von allem bestimmt, was ich bisher gehört habe. Nicht nur Allgäuer Volksmusik, sondern Klassik, Jazz, Rock- und Punkbands. Punk ist eine Stilrichtung, die total einfach ist, weil sie zuerst einmal eine politische Grundhaltung war. Daraus haben sich neue Ideen entwickelt. Der eigentliche Punk ist für mich gar nicht interessant, aber was daraus folgte, ist wegen der Energie relevant für mich. Punk ist nach wie vor ein Lebensgefühl von Bedeutung, die ich berücksichtige. Mich hat vor allem motiviert, dass der Jazz den Bezug zur Aktualität verloren hat. Dem versuche ich etwas entgegen zu setzen.

Jazzzeitung: Jazz ist primär Improvisation, und doch kommt man nicht ohne Komposition aus. Wie funktioniert das bei Shreefpunk?

Schriefl: Im Prinzip sind alle Stücke von mir. Es ist sehr viel festgelegt, aber da sind auch offene Bereiche. Den Unterschied soll man eben nicht hören. Wir haben sowohl Improvisationssequenzen als auch Module, die jeder irgendwo einsetzen kann. Zum Beispiel bei “Geräusche in der Nachbarschaft” ist zu Beginn ein Thema, wo jeder verschiedene Motive hat, die er irgendwann spielen kann, aber die passen alle übereinander. Insofern kann dieser Abschnitt zwei bis fünf Minuten dauern, je nach Situation. Das ist keine Improvisation, sondern eine Art Multitasking mit spontanen Entscheidungen. Trotzdem ist es eine Komposition.

Jazzzeitung: Ist das eine gleichberechtigte Rollenverteilung innerhalb eines Stückes?

Schriefl: Nein. Ich bin der Meinung, Musik funktioniert nicht demokratisch, zumindest ab einem Trio wird die Gleichberechtigung schwierig. Ich sage von vornherein, das Stück soll so und so gestaltet werden. Ich stelle Zutaten zur Verfügung, die anderen Bandmitglieder ergänzen dann einzelne Komponenten.

Jazzzeitung: Shreefpunk ist Ihre Heimat, sagen Sie. Was sind die anderen Bands?

Schriefl: Die sind alle sehr wichtig. Ich habe allerdings zwei bis drei Jahre die meiste Energie in Shreefpunk investiert, weil die Leute nicht verstanden haben, das ich so viele Bands haben kann. Shreefpunk ist vielleicht meine typischste Band. Aber jetzt kommt bestimmt was Neues. Zwei neue Favoriten sind am Start, der Sound soll sich ändern. Aber Shreefpunk wird es weiter geben.

Jazzzeitung: Haben Sie nicht Angst, dass sich Ihre Ideen irgendwann verbrauchen?

Schriefl: Ich schätze, Ideen können sich nicht verbrauchen, so lange man die Filter ab und zu reinigt und Einflüsse von außen zulässt. Man sollte aufpassen, sich nicht zu wiederholen.

Jazzzeitung: Wer waren denn die wichtigsten Persönlichkeiten, die Sie beeinflusst haben?

Schriefl: Als Kind habe ich Dixieland- und Swingplatten meines Vaters gehört und insbesondere die Trompeter Louis Armstrong und Maynard Ferguson. Außerdem viel Klassik, da war für mich Maurice Andrè der Größte. Weil ich in einem Dorf aufgewachsen bin, wo es keine Schallplattenläden gab, habe ich mir Kassetten besorgt und Jazz-Radiosendungen mitgeschnitten.

Jazzzeitung: Wie kam es zur Begegnung mit Django Bates?

Schriefl: Wenn Shreefpunk im ART-Theater auftritt, kommen ungefähr 120 Besucher. Aber in die Kölner Philharmonie passen 2000 Leute. Deshalb haben wir uns überlegt, wie wir den Saal füllen und welchen prominenten Musiker, der zu uns passt, einladen könnten. Und so sind wir auf Django Bates gekommen, den ich schon lange bewundere. Wir erwarteten, dass er sich in unsere Musik einordnen und zusätzlich starke Impulse geben kann. Er ist sehr flexibel. Wenn man will, hat man einen zweiten Bläser, der Es-Horn spielt, oder er spielt Keyboard, wodurch zur Band und zum Streichquartett ein ganz anderer Sound hinzu gefügt wird. Er war die perfekte Ergänzung zu Shreefpunk. Für uns war es Glück, dass er Lust und Zeit hatte, mit uns aufzutreten.

Hans-Dieter Grünefeld

CD-Tipp
Matthias Schriefl
Shreefpunk Live in Köln
Special Guest: Django Bates
ACT 9663-2

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