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Gemeinsam mit Beluga Shipping, einem der Hauptsponsoren der Bremer Musikmesse jazzahead!, präsentierte die Jazzzeitung ein Panel „Braucht Jazz Konzertvermittlung? Audience Deveploment für junge Zuhörer“. Chefredakteur Andreas Kolb diskutierte mit seinen Gästen darüber, wo qualitätsvolle Jazzvermittlung ansetzen muss. Auf dem Podium saßen Tenorsaxophonist und Vater Matthias Nadolny sowie der Professor am Fachbereich Musik/Studiengang Musikerziehung an der Hochschule für Künste Bremen, Martin Classen. Er unterrichtet dort Jazz-Saxophon und hat mit seinen Studenten ein Musikvermittlungsprojekt aufgebaut. Christoph Becher, ist seit 1. Januar 2007 persönlicher Referent des Generalintendanten Christoph Lieben-Seutter von der Elbphilharmonie und Laeiszhalle. Bei den Elbphilharmonie Konzerten ist er vor allem für die Musikvermittlung und Konzertpädagogik zuständig. Peter Ortmann ist stellvertretender Geschäftsführer des Deutschen Musikrates und seit 20 Jahren Projektleiter des Bundesjugendjazzorchesters. Hans Herwig Geyer ist zuständig für das kulturelle und soziale Engagement der Beluga Group. Weiter hat er als Präsident der Jeunesses Musicales eine Expertise zum Thema. Der Verband JMD gilt was den deutschsprachigen Raum betrifft als der „Erfinder der Musik und Konzertvermittlung“. Lesen Sie im Folgenden einige Statements aus der lebhaften Diskussion. Jazziger Beitrag zur MusikvermittlungChristoph Becher: Wir beobachten folgenden Prozess: Mit Einsetzen der Pubertät hören die Kinder auf, mit ihren Eltern Kultur zu besuchen. Sie wollen ihre eigene Kultur machen und mit 35 ungefähr, wenn sie die ersten Schritte in der Karriereplanung und in der Familienplanung vollzogen haben, kommen sie zurück, weil sie merken, dass ihnen ein gewisser kultureller Mehrwert fehlt. Dieses Zurückkommen ist für uns ein sehr wichtiger Punkt in der Klassik. Früher erfolgte das mehr oder weniger automatisch, heute ist das nicht mehr der Fall. Warum? Weil sie in der Jugend oder in der Kindheit zu wenig positiv besetzte Erlebnisse mit Klassik hatten. Wenn wir also von Musikvermittlung in der Klassik sprechen, dann ist eine der wesentlichen Aufgaben, positiv besetzte Erlebnisse mit Klassik zu vermitteln. Noch ein Satz zur Frage: „Was kann man im Jazzbereich inhaltlich machen?“ Ein Weg ist sicherlich „Peter und der Wolf“ auf Jazz-Art. Es gibt mittlerweile schon ein paar abendfüllende Stücke, bei denen Jazz im Mittelpunkt von Erzählungen steht und man die Kinder mittels der Geschichte abholt. Ich nenne hier nur die „Inspektor Maus“-Stücke, „Die Rote Posaune“ oder „Die geklauten Schlüssel“ von Dieter Glawischnig. Das sind Dinge, mit denen man ganz guten Zugang zu Kindern und Pubertierenden bekommt. Das werden wir auch in der Elbphilharmonie Hamburg machen. Martin Classen: Ich halte es für einen misslungenen Denkansatz, mit Konzepten zur Musikaufführung – ich nenne es mal ganz klassisch „Aufführungspraxis“ – den emotionalen Anschluss der Kinder zu bekommen. Wenn wir Jazzer nur in klassischen Häusern Konzertvermittlung anbieten, halte ich das für eine Möglichkeit, aber nicht für die beste. Wir müssen nicht das Publikum zu uns holen, wir müssen dahin gehen, wo das Publikum ist – ab in die Schulen, in die Kindergärten und so weiter. Eine Historisierung oder gar einen Repertoirekanon halte ich nicht für sinnvoll. Es geht um das „Überhaupt in Kontakt kommen“ mit Parametern wie Improvisation, Rhythmus oder auch um das Nachvollziehen von musikalischen Formen. Ich finde es sehr wichtig, dass die Studenten bei uns im Fachbereich Jazz den Rucksack gepackt haben, um im ganz „normalen Leben“ Angebote machen zu können, mit denen sie hochqualitativ Menschen ansprechen. Das gilt für sie als Musiker genauso wie als Pädagogen. Ein Musiker, der es nicht schafft, aus dem Stegreif heraus Menschen zu begeistern mit dem was er kann, ist nicht fähig, diese Musik zu transferieren. Spitzenförderung wie beim „Jugend jazzt“ oder dem Bundesjugendjazzorchester ist natürlich eine tolle Sache, aber sie beinhaltet nicht, das Vermittlungskompetenzen gewährleistet sind. Deswegen müssen unsere Studenten Projekte wie die „Jazzbäckerei“ machen. Dass wir Deutschlands einzige Hochschule mit eigenem Jazzclub sind, haben wir jetzt genutzt für ein Seminar „Supervisierte Konzertveranstaltung“. Publikumsgewinnung bei Jugend jazzt Peter Ortmann: „Jugend jazzt“ erreicht bereits junge Jazzer,
die gerade dem Kindesalter entwachsen. Beim Wettbewerb „Jugend
jazzt“ finden sich auf Bundesebene relativ junge Leute zusammen,
das geht dann mit elf Jahren los. Diese Jugendlichen sind dann natürlich
in erster Linie scharf darauf, dort zu spielen, wo sich normalerweise
die Jazzszene musikalisch und live mitteilt: etwa in Jazz-Clubs, möglichst
spät, möglichst dunkel und so weiter. Matthias Nadolny: Man muss wieder raus aus den Philharmonien, da gehen
Kinder nicht hin. Das ist „Erwachsenenmist“. Es sind ganz
notwendige Entwicklungen, dass man in die Schulen geht, dass man versucht
die Jugend für Jazz zu interessieren. Gleichzeitig beraubt man die
Sache natürlich total ihrer Romantik. Das kommt jetzt alles von
oben, wie in der Volkshochschule. Das ist das Dilemma. Hans-Herwig Geyer: Unser Ausgangspunkt ist hier nicht so sehr die Frage, welches Repertoire der jungen Generation nahegebracht werden soll, sondern die Tatsache, dass es überhaupt passiert. Ob Klassik oder Jazz ist für unseren gesellschaftlichen Ansatz des Förderns sekundär, So arbeiten wir beispielsweise mit den Bremer Philharmonikern zusammen, die mit dem Musikwerkstattprogramm in die Schulen gehen. Wir fördern Schulen in sozialen Brennpunkten wie in Gröpelingen, und allein die Tatsache, dass Kinder dort mit Musik in Kontakt kommen, steht für uns als Förderer im Vordergrund. Ich glaube aber, dass unterschiedliches Repertoire auch nutzbar ist für unterschiedliche Musikerfahrungen: Bei unseren Förderaktivitäten suchen wir nach kompetenten Partnern. Leider ist es aber in der Jazzszene so – Herr Classen von der Musikhochschule Bremen ist da eine Ausnahme –, dass es kaum institutionalisierte Partner gibt, mit denen wir zusammenarbeiten könnten. Das hat natürlich mit der Förderstruktur zu tun. Man sollte sich von der Jazzseite da mehr einmischen und auch die institutionalisierten Formen stärker nutzen, damit das Jazzrepertoire bei der Vermittlung stärker berücksichtigt wird. |
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