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Vor 1997 war Jazz nur zwei Mal Thema im Deutschen Bundestag: Das erste Mal als 1987 das Bundesjazzorchester gegründet wurde und das zweite Mal als man Chick Corea 1994 von einer Veranstaltung bei der Leichtathletik Weltmeisterschaft in Stuttgart ausschloss. Allerdings ging es hier weniger um dessen Musik als um die kritisierte Zugehörigkeit zu Scientology. Doch plötzlich scheint das Interesse gewachsen zu sein. Seit 2007 kam das Thema an sieben Sitzungstagen des Bundestages zur Sprache. Hinzu kommen elf offizielle Dokumente wie Anträge oder Berichte, in denen Jazz auftaucht. Wenn man an die Masse politischer Themen denkt, die täglich durch die politischen Mühlen gedreht werden, ist das eine überraschend hohe Zahl. Doch bevor man sich zu früh über die vermeintlich neue Zuwendungswut freut – noch sind den guten Worten eher halbherzige Taten gefolgt. Die Initiative Musik fördert seit zwei Jahren einzelne Infrastrukturprojekte, das German Jazz Meeting bekam bereits zum zweiten Mal Geld vom Bund und das Goethe-Institut stellt seit diesem Jahr erstmals 200.000 Euro gesondert für Reisekostenzuschüsse zur Verfügung. Doch von einer Breitenförderung, die die große Anzahl von gut ausgebildeten Musikerinnen und Musikern nötig hätte, um nicht unweigerlich auf schlecht bezahlte und kräftezehrende Nebenjobs, ein reiches Erbe oder freigiebige Lebenspartner angewiesen zu sein, ist hier noch lange nicht die Rede. Woran liegt das? Schlicht daran, dass Jazz nach wie vor entweder zur
E-Musik oder zur U-Musik gezählt wird, wodurch seine Besonderheiten
verkannt bleiben. Damit helfen auch vorhandene Fördermaßnahmen
dem Jazz nur punktuell, denn für flächendeckende Orchesterförderung
wie in der E-Musik ist Jazz zu flexibel, wirtschaftliche Förderung
von Musikvideos, CD-Produktionen oder Werbebudgets wie in der U-Musik
trifft improvisierte Musik nicht dort, wo sie lebt: Live. Doch für die fehlende Unterstützung kann der Bundestag nur begrenzt Lösungen bieten, da er nur für zehn Prozent der Kulturausgaben aufkommt. Der Rest verteilt sich auf Länder und Kommunen. Doch je kleiner die Institutionen desto mehr kommt es darauf an, dass an der entscheidenden Stelle jemand sitzt, der am besten nicht nur selbst Jazzfan ist, sondern auch noch etwas von den Besonderheiten der Musik versteht. Vom Suchen eines solchen Verbündeten können viele Jazzclubs den Blues singen. Dass man immer wieder von geförderten Spielstätten hört, hat da wohl eher weniger damit zu tun, dass deren Zahl besonders hoch ist, sondern eher damit, dass nicht viele ohne eine solche Förderung dauerhaft mit einem anspruchsvollen Programm bestehen können. Hat nicht die Wirtschaft, haben nicht die Autobauer gerade den Jazz neu für sich entdeckt? Nein. Jazz bleibt in der Rezession kaum vom generellen Ausgabenstopp verschont. Die Firmen haben ihre Kürzungen nur gut versteckt. Die Förderung vieler kleiner Projekte wird zugunsten eines Projekts unter eigener Regie und eigenem Namen gestoppt. Jazz im Autohaus, das Programm machen BMW & Co. Was muss die Antwort sein? Eine staatliche Rundum-Versicherung für den Jazz? Nein. Der französische Sozialwissenschaftler Jean-Pierre Menger hat Recht, wenn er schreibt „Ungewissheit ist ein zentraler Bestandteil des Expressiven“. Doch selbst bei einer Verdopplung der Fördermittel stünde zu viel Sicherheit noch lange nicht zu befürchten. Bleibt die Förderung der Spielstättenlandschaft aber weiter
auf diesem kläglichen Niveau, gehen Vielfalt und Weiterentwicklungsmöglichkeit
dieser Musik und die Teilhabe daran zugrunde. Das wäre dann doch
etwas zu viel Ungewissheit. Dominik Reif
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