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Gilberto Gil war wie ein kleiner Junge, der seinen Schatz bewahren wollte. Nachdem er die erste Frame Gitarre gekauft und sie bei einem großen Konzertevent in Rio zu Ehren der Bossa Nova an prominenter Stelle eingesetzt hatte, wollten viele Kollegen wissen, wo er denn dieses futuristisch aussehende Instrument mit dem famosen Klang her habe. Immens stolz auf seine Neuerwerbung druckste der Sänger (und spätere Kulturminister) Brasiliens rum, hmm, ja, es gebe da jemanden in Deutschland, ohne Genaueres zu verraten. Als ob es sich hätte vermeiden lassen können, dass die Musikerwelt auf den Burghausner Gitarrenbauer Frank Krocker aufmerksam würde. Aus der zeitlichen Distanz sieht inzwischen vieles so aus, als wäre es zwangsläufig so gekommen. Dabei war sich Frank Krocker anfangs gar nicht sicher, ob er sich wirklich auf die Entwicklung der Frame Gitarre stürzen sollte. Kamen damals, Mitte der 90er Jahre, Kunden in seine Werkstatt, versteckte er schnell die Bau-Experimente, um seinem Ruf als Gitarrenbauer nicht zu schaden. Denn den ungewöhnlichen Instrumenten fehlte der Korpus und das war genau das, was traditionell das Erscheinungsbild einer Gitarre ausmacht. „Ich bin da reingestolpert“, meint er heute rückblickend, „das war eigentlich nicht geplant. Ich hatte einen Kunden, der ein zerlegbares Instrument für Reisen suchte. Ich wollte das eigentlich gar nicht machen, weil ich mich damals nach langer Durststrecke als Konzertgitarrenbauer etabliert hatte. Dann habe ich es aber doch probiert und musste feststellen, dass das akustische Potential auch ohne den üblichen Korpus da ist, nur kleiner. Und das ist wieder die ideale Voraussetzung, um es größer zu verstärken. All die Dinge, die Probleme machen, Resonanzen, die zu Kopplungen neigen oder Übersprechungen, sind bei der Frame Gitarre einfach nicht vorhanden. Gleichzeitig ist durch die reduzierte Bauweise das Schwingungsverhalten fast identisch wie bei einer akustischen Gitarre.“ Mit anderen Worten, Frank Krocker hatte etwas erfunden, was manchen Künstler, der mit Rückkopplungen, Schnarren oder Spielgeräuschen anstatt mit der Musik kämpfte, glücklich machen könnte. Und sein Forschergeist war geweckt. Wann immer er Zeit fand, bastelte er an den Prototypen herum, probierte Formen, Materialien, Tonabnehmer, Elektronik aus, bis er sich sicher war, dass das Konzept und Ausführung in sich stimmig waren: „Ich habe 1995 das Patent angemeldet und das Ganze dann erst einmal stehen lassen. Um 1998 habe ich die ersten professionellen Aufträge bekommen. Das waren aber dann gleich die Heavies. Den Anfang machte Andrew York vom L.A. Guitar Quartet, der nächste war Pat Metheny, der gleich für Mick Goodrick eine Gitarre mit bestellte. Dann kam schon Gilberto Gil und das war dann in Brasilien die Initialzündung“. Es dauerte nicht lange und Frank Krocker konnte sich vor Aufträgen kaum retten. Manche Musiker sprach er persönlich an, stellte sein Instrument vor, reiste zu Messen und Präsentationen. Die meiste Zeit jedoch verbrachte er in seiner Werkstatt, nach der Anfangsphase zumeist sieben Tage die Woche und rund um die Uhr: „Alle Instrumente, die unterwegs sind, habe ich selbst gebaut und das sind einige hundert. Ich habe wirklich extrem viel gearbeitet. Wenn man als klassischer Gitarrenbauer zwölf Gitarren im Jahr baut, dann macht man eben eine Bundierung im Monat. Bei mir waren das oft 40. Die vielen Details, auf die ich bei den Instrumenten Wert lege, erfordern dann irgendwann mehr Aufmerksamkeit, als geht, und da wird es zu viel für einen. Gleichzeitig kann ich meine Erfahrung nicht einfach jemandem überstülpen.“ So arbeitete sich Krocker fast ins Krankenhaus. Das Jahr 2008, das angesichts des zehnjährigen Jubiläums seiner Firma Frame Works eigentlich ein Jubeljahr hätte sein können, zwang ihn zum Umdenken. Der Körper rebellierte, Krocker schaltete mehrere Gänge zurück und suchte nach Auswegen. Rettungslos vor Aufträgen„Ich habe im Moment die kuriose Situation, dass ich mich vor Aufträgen nicht retten kann. Viele Kunden bestellen inzwischen zweite und dritte Instrumente, die Warteliste ist lang. Zugleich aber will ich mich nicht mehr so aufarbeiten wie früher. Mein Ziel ist es daher, Frameworks auf andere Beine zu stellen, einen kompetenten Kooperation- und Produktionsparter zu finden, um das vorhandene Potential umzusetzen. Es geht nicht, dass Kunden zwei Jahre warten müssen und jemand wie beispielsweise John McLaughlin, der noch kein Instrument hat, aber gerne eines will, bislang nicht versorgt werden konnte. Auf der anderen Seite möchte ich den Kontakt zu den Musikern nicht verlieren. Es ist ein Traum, der sich erfüllt hat. Die Musik, die mich begleitet hat, etwa bei Pat Metheny, ist mit ein Grund, weshalb so ein Instrument überhaupt entstanden ist. Ohne meine Liebe zur Musik wäre das nie passiert. Da geht es nicht nur um die großen Namen. Jemand wie Pedro Tagliani ist ein Held für mich. Ich spüre, ich kann diesen Künstlern etwas geben, und die Musik, die sie mit meinem Instrument spielen, wiederum macht mich glücklich.“ Schlüssel zum ErfolgDas ist der eigentliche Schlüssel zur Konstruktion und zum Erfolg der Frame Gitarren. Frank Krocker baut Instrumente, die er selbst gerne spielt. Er weiß, wo die Probleme liegen können und tüftelt so lange, bis er eine Lösung gefunden hat. Er hat diese besondere Eigenschaft kreativer Beharrlichkeit, übrigens eine der wenigen Erfahrungen, die er aus seiner Lehrzeit in Niederbayern, die er eher als Ausbeutung denn als Ausbildung empfunden hat, mit in den Beruf genommen hat. So konnte etwas entstehen, das sich im umkämpften Markt trotz Billigkonkurrenz und Plagiaten durchsetzt: „Die Frame hat einen wirklich eigenen Klang. Es sind Faktoren wie die Bundkonstruktion, die Sorgfalt bei der Ausführung und die Elektronik mit den speziellen Tonabnehmern, die letztlich den eigenständigen Sound ausmachen. Viele empfinden es als einen Klang, der zwischen einer akustischen und einer ganz clean eingestellten E-Gitarre liegt. Das sehe ich ähnlich. Es gibt ja auch Solid-Body-Gitarren mit Nylon-Saiten. Da spielt man dann einen Ton und der klingt ewig. Das ist vielleicht schön, wenn man Santana-Stücke im Sinn hat, denn bei der E-Gitarre wünscht man sich ja ein möglichst lang stehendes Sustain. Aber bei einer akustischen Gitarre muss der Ton eben ein- und ausschwingen, sonst wird man mit dem Dämpfen nicht mehr fertig.“ Inzwischen baut Frank Krocker wieder Frame Gitarren, nur deutlich weniger als zu Beginn. Und er hat sogar ein echtes akustisches Instrument aus dem Speicher geholt, das er halb fertig vor mehr als zehn Jahren verpackt hatte. Einiges wird sich wohl ändern in der Werkstatt in Mehring bei Burghausen, aber nicht die Qualität der Produkte. Es wird neue Modelle geben, ein Frame Bass ist derzeit in der Erprobungsphase. Wohlmöglich finden sich auch kompetente Partner, die Teile der Herstellung oder andere Aufgaben übernehmen. Was Frank Krocker in jedem Fall weiter pflegen wird, ist der enge Kontakt zu Künstlern, zu Koryphäen wie Ralph Towner und Wolfgang Mutspiel, Oscar Castro Neves und Caetano Veloso, Andrew York und Pino Daniele. Denn auch der italienische Popstar ist ein großer Fan von Krockers Meisterschaft. Und dessen Gitarrist machte dem Gast aus Deutschland eines der Komplimente, die man nicht vergisst: „Nach einem Konzert in Verona meinte er zu mir, es gebe für ihn drei große Künstler: Michelangelo, Leo Fender und mich.“ Bei aller Bescheidenheit, da leuchten auch Frank Krockers Augen. Ralf Dombrowski Links |
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