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Petra hat vor kurzem damit begonnen, ganze Stöße von Musikbüchern zu verschlingen: Biografien, Stilkunden, Interview-Sammlungen, Konzertführer, sogar Harmonielehren. „Ich will mich doch mit dir unterhalten können“, sagte sie ernsthaft und meinte eigentlich: „Etwas anderes als Musik interessiert dich ja nicht.“ Letzte Woche las sie mit besonderer Hingabe, versteckte ihr Buch sogar in einem gestickten Schutzeinband, den sie sonst nur für Lieblingslektüre verwendet. „Das ist eine Art musikpsychologische Studie“, sagte sie geheimnisvoll und präsentierte mir den einen oder anderen Satz daraus. Zum Beispiel: „Es machte ihm unsägliches Vergnügen, diese Fäden aufzudröseln und aufzuspinnen.“ Das sei über meinesgleichen, kommentierte sie trocken, „diese fiese Musikkritiker-Mentalität.“ Mühsam versuchte ich zu lächeln. Dann diesen Satz: „Es waren Bizarrerien, die er schuf und alsbald wieder zerstörte wie ein Kind, das mit Bauklötzen spielt, erfindungsreich und destruktiv, ohne erkennbares schöpferisches Prinzip.“ Gemeint sei mein Lieblingsmusiker, dieser verrückte Pianist, ich wisse schon. Oder das hier: „Er wollte seines Innern sich entäußern, nichts anderes, seines Innern, das er für wunderbarer hielt als alles, was die äußre Welt zu bieten hatte.“ Ich tippte auf Beethoven oder Charlie Parker: Nun war es an ihr zu lächeln. Dann erinnere ich mich noch an diese Stelle: „Zittern vor Entzücken sollten sie, schreien, weinen vor Wonne, ohne zu wissen, warum.“ Mozarts Einstellung zum Publikum? Oder Duke Ellingtons magische Cotton-Club-Nächte? Als Petra kurz im Kinderzimmer verschwand, griff ich mir ihr Buch. Sein Titel: „Das Parfum“. Es handelt von einem seelenlosen Monster, das ohne Skrupel Menschen tötet, vorzugsweise Frauen. Irgendwie fühlte ich mich ertappt. Rainer Wein |
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