Gut ein Jahr lang hieß es alles vorbereiten, und dann ist es plötzlich
so weit. Die Jugend Big Band Anhalt geht in die Luft, um in Mexiko-City
zu landen. 18 Big-Band-Mitglieder sind unterwegs, mit Bandleader Detlef
Metzner und vier Sängerinnen und Sängern von der Kreismusikschule
Wittenberg. Ein Tagebuch.
Mittwoch, 12. Oktober
Früh um sechs startet
unser Konvoi an der Dessauer Musikschule nach Berlin-Tegel. Einchecken,
ganz wichtig auch unsere Instrumente, dann geht´s an Bord und um
11.05 Uhr der Flug endlich los. Über Deutschland ist noch schönstes
Spätherbstwetter, aber zwei Stunden später in London ist es
– very british – grau in grau. Doch hier heißt es nur
in den nächsten Flieger umsteigen. Der Flug über den Atlantik
ist recht langweilig und anstrengend trotz der Fernseher an jedem Platz,
9.000 Kilometer müssen schließlich erst mal geflogen werden.
Als wir nach zehneinhalb Stunden endlich in Mexiko sind, ist es aufgrund
der Zeitverschiebung acht Uhr abends. Doch erst einmal heißt es
warten. Zuerst bei der Einreise, dann aufs Gepäck. Und dann das:
ein Koffer wurde in London nicht verladen – der von unserem Sänger
Martin.
Am „Colegio Aleman Alexander von Humboldt“ warten unsere
Gastfamilien schon auf uns. Bei ihnen zu Hause dann nur kurz den Koffer
aufgemacht, Schlafzeug und Handtücher rausgesucht und schon geht
es ins Bett – der Flug war doch viel anstrengender als erwartet.
Der erste Eindruck bei der Busfahrt zur Schule: Der nächtliche Verkehr
in Mexiko ist abenteuerlich. In den folgenden Tagen stellt sich aber heraus,
dass es tagsüber nicht anders ist. Ampeln sind lediglich wohlgemeinte
Hinweise, für jede Richtung gibt es fünf Spuren (die aber auch
sechs- oder noch viel mehrspuriger benutzt werden können), blinken
ist eher lästig als notwendig und die Hupe gilt als wichtigstes Teil
am Auto.
Donnerstag, 13. Oktober
Kaum angekommen, müssen
wir schon früh raus. 7.45 Uhr treffen wir uns an der Schule und packen
erst einmal unsere Musikinstrumente aus. Hier ist zum Glück weder
eins in London vergessen noch während des Fluges beschädigt
worden.
Dann geht es nach Teotihuacan zu den Pyramiden der Azteken. In der größten
Ausgrabungsstätte Mittelamerikas stehen noch vier Pyramiden. Die
größte ist die Sonnenpyramide, die wir im Schweiße unseres
Angesichts erklommen haben.
Gestärkt mit unserem ersten mexikanischen Mittagessen – typisch
sind Tortillas (wie zusammengeklappte Eierkuchen aus Maismehl) –
geht es wieder zurück. An diesem Abend sind wir zwar etwas wacher
als am vorherigen, so dass auch Zeit ist, sich mit den Gastfamilien zu
unterhalten, aber um zehn liegen wir dennoch im Bett.
Freitag, 14. Oktober
Wieder heißt es zeitig
aufstehen, da wir uns schon um sieben an der Schule treffen, denn um 7.15
Uhr geht hier der Unterricht bereits los. Das Colegio Aleman ist eine
Begegnungsschule, in der Kinder und Jugendliche aus Mexiko und Deutschland
gemeinsam lernen. Knapp 3.000 Schüler gibt es hier und 200 Lehrer.
Die Schule hat mehrere Standorte in der Stadt, und ein Kindergarten gehört
auch dazu. Für uns heißt es, die erste Probe zu absolvieren,
und danach nehmen wir an der vierten Unterrichtsstunde teil. Verständigungsprobleme
haben wir nicht – hier wird ja deutsch gesprochen. Am Abend das
erste Konzert.
Bei Manuela und Andreas Hoppe (die Hauptorganisatoren unserer Reise in
Mexiko-City) findet das Dankeschön-Konzert für die Gasteltern
und Organisatoren statt. Die Stimmung ist locker und ausgelassen, dementsprechend
gut verläuft auch das Konzert. Danach: Party.
Sonnabend, 15. Oktober
Endlich ausschlafen! Am Vormittag
haben wir Zeit, mit den Gastfamilien etwas zu unternehmen, schlendern
ein bisschen durch die Stadt, sehen uns die alte Post an, den Nationalpalast
und den zweitgrößten Platz der Welt – den „Zocalo“.
Am Abend treffen wir im Goethe-Institut ein, wo wir unser zweites Konzert
geben. Eigentlich auch ein Dankeschön-Konzert, da wir vom Goethe-Institut
die Fördermittel für unsere Reise bekommen haben.
Sonntag, 16. Oktober
Am Vormittag geht es von der
Schule aus mit dem Bus nach Xochimilco. Dort wurden von den Inkas Inseln
in einem See aufgeschüttet, auf denen sie zum Beispiel Getreide anbauten.
So ist ein kleines Kanalsystem entstanden, das wir nun mit zwei Booten
beschippern. Die sind eigentlich wie flache Gondeln in Wörlitz, in
der Mitte ein Tisch und an den Längsseiten viele Stühle. Fortbewegt
werden sie von einem Gondoliere. Und Detlef darf auch mal staksen. In
Xochimilco ist es ruhig, die Fortbewegung gemäßigt und alles
nicht so chaotisch und hektisch wie in der Stadt. Die aber hält dann
am Nachmittag Unmengen an Kitsch, Schmuck und Süßigkeiten auf
einem Markt für uns bereit.
Montag, 17. Oktober
Heute geht es „oben ohne“
los – bei einer recht langen Stadtrundfahrt mit einem Bus durchs
Zentrum der aufregenden 25-Millionen-Metropole und an Prachtstraßen
entlang. Und am Abend dann das Konzert in der Musikhochschule. Bisher
haben wir ausschließlich vor Laien gespielt, hier aber sitzt wirklich
fachkundiges Publikum. Das wird wohl der schwerste Auftritt – doch
auch hier haben wir sehr begeistertes Publikum, gerade bei den Sängerinnen.
Dienstag, 18. Oktober
Es hat sich herumgesprochen,
dass die Jugend Big Band in Mexiko-City ist! Denn wir sind zu einer anderen
Schule gefahren, um dort zwei Zusatzkonzerte zu geben. Wir sind eine richtig
gut eingespielte Truppe – das findet auch das Publikum! Und Publikum
sind wir dann am Abend selber. Beim Konzert von Apocalyptica. Das sind
vier Cellisten aus Helsinki, deren Lieblingsgruppe Metallica ist, und
die einfach toll rocken! Logisch, dass danach noch das Hardrock-Café
besucht werden muss.
Mittwoch, 19. Oktober
Nach sehr kurzer Nacht müssen
wir dennoch hellwach sein. Im „Colegio Aleman Alexander von Humboldt“
sind wir in den Musikunterricht eingebunden. Wie sind die einzelnen Instrumente
aufgebaut (Trompete, Posaune, Saxophon), wie klingt jedes einzelne und
der Satz? Wie ist die Big Band aufgebaut?
Jeder ist mal dran mit Demonstrieren, auch einzelne Stücke werden
gespielt. Fast wie eine öffentliche Probe. Unsere Zuhörer sitzen
aber nicht auf Stühlen – wie in unseren Schulen üblich.
Hier ist der Musikraum vielmehr mit (Sitz)Podesten ausgestattet, darauf
ist Teppichboden verlegt. Manche von uns haben auch an diesem Tag nicht
genug von der Musik bekommen, das nächste Konzert wartet: Auch die
Scorpions aus Hannover sind in Mexiko-City! Ach ja: Martins Koffer ist
da!
Donnerstag, 20. Oktober
Heute gibt es eine ungewöhnliche
musikalische Hofpause in der Secundaria unseres Colegio Alemans. Es erklingt
von 9.35 bis 9.50 Uhr ein Mini-Konzert, daseine Einstimmung für das
Konzert am Abend in der Primaria des „Colegio Aleman Alexander von
Humboldt“ ist.
Doch bevor es so weit ist, rollt der Peso auf einem Basar. Sombreros,
Minigitarre, Aztekenkalender, Tequilagläser, Figuren – viele
Andenken und Mitbringsel für Zuhause werden gekauft. Und dann schon
steht das Abschlusskonzert in der Primaria an.
Ein Extra-Lied und einen Blumenstrauß für Manuela Hoppe, Hauptorganisatorin
der Reise, gibt es, und ein langes Konzert mit guter Stimmung. Die setzt
sich bei der Party im Los Arcos, einem Restaurant mit typisch mexikanischem
Essen, fort.
Freitag, 21. Oktober
Geordnetes Chaos im Büro
des stellvertretenden Direktors. Die Koffer und unsere Instrumente werden
hier zwischengelagert. Denn wir fahren zum anthropologischen Museum, das
viel Wissenswertes über die Geschichte Mexikos bereithält.
Dann heißt es Abschied nehmen, am Flughafen einchecken und 21.40
Uhr gen Europa starten.
Sonnnabend, 22. Oktober
21 Stunden später (sieben
Stunden Zeitverschiebung eingerechnet) sind wir wieder in Berlin-Tegel.
Alle Koffer sind da, auch Martins.
Josefine Thiemann
|