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Peter Niklas Wilson: Reduktion. Zur Aktualität einer musikalischen Strategie, Schott Verlag 2003, 139 Seiten Mit Musik, die in keine Schublade passt, hat sich Peter Niklas Wilson zeitlebens beschäftigt. Von dem letzten Herbst verstorbenen Publizisten liegt jetzt sein letztes Werk vor, sein Vermächtnis im besten Sinn. Es heißt „Reduktion“, enthält Interviews mit und Selbstaussagen von Musikern und Komponisten sowie selbstredend gelungene Statements des Autors zur, wie es im Untertitel heißt, „Aktualität einer musikalischen Strategie“. Was in der bildenden Kunst, auf die sich Wilson wiederholt bezieht, als „arte povera“ bezeichnet wird, eine bewusste Verarmung der Mittel also, ist in der Musik die Reduktion – wohlverstanden nicht als Stilbegriff, sondern als „Strategie der Verringerung musikalischer Komplexität“. Dies bedeutet Entschlackung, Arbeit mit Leerstellen wie es Webern, Satie, Cage, La Monte Young oder Morton Feldman vorexerziert haben. Mit dem Minimalismus eines Steve Reich oder Philipp Glass hat das Ganze nichts zu tun, denn es geht um die Reduktion der Ereignisse. Es ist eine gänzlich neue Musik, deren Klänge und Konzepte dem Leser nahe gebracht werden. Diese Musik wird in knapper, doch präziser Sprache von Fragen flankiert zwischen Klangökologie und Reizüberflutung. Sie zielen auf Sensibilisierung der Wahrnehmung, schärfen den Blick. Die befragten Musiker und Komponisten plädieren für eine, wie sie es nennen, „ereignislose“ Musik. Wilson spricht von der Kargheit als Ideal, von der Reduktion um der Reduktion willen. Diese „Musik des Jetzt“ ist gekennzeichnet durch Entschleunigung (welch ein Wort!) und überhaupt durch akustische Maßstabveränderung. Was früher Störgeräusch war, tritt jetzt in den Mittelpunkt des Interesses. So ist Reduktion letztendlich eine Erweiterung der Hörerfahrung und der Wahrnehmung überhaupt. Jeder Ton hat seinen eigenen Wert, definiert sich nicht im Zusammenhang mit anderen Tönen. Peter Niklas Wilson wartet in seinem letzten Buch mit Erkenntnissen auf, die sich nicht nur aus Aussagen und Erklärungen ergeben. Sie resultieren schließlich aus überraschenden Bezügen zu vergleichbaren Phänomenen in der bildenden Kunst des 20. Jahrhunderts. Die beiliegende CD belegt das Thema anschaulich. Reiner Kobe |
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