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Jazzzeitung
2004/03 ::: seite 17
rezensionen
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Géza Gábor Simon: Immens gut. Attila Zoller –
sein Leben und seine Kunst, Stiftung für Jazz-Bildung und Forschung,
Budapest, 271 Seiten
Der ungarische Gitarrist Attila Zoller (geb. 1927) ging 1948 nach
Wien, lebte von 1953 bis 1958 in Westdeutschland und dann ab 1959 bis
zu seinem Tod 1998 vorwiegend in den USA. Er entwickelte sich dort zu
einem Musiker von Weltklasse mit einer eigenen Spielweise. Im Bebop
verwurzelt, machte er immer wieder Ausflüge in den Free Jazz (im
weitesten Sinn). Er war tatsächlich (auch) dessen erster Gitarrist,
noch vor Sonny Sharrock. Sein Beitrag zu diesem Bereich des Jazz wird
wie der von Jimmy Giuffre immer noch viel zu wenig gewürdigt. Er
war bei allen Musikern und Hörern ungemein beliebt; sein Wiener
Deutsch mit stark ungarischer Färbung war ebenso sein Markenzeichen
wie mancher Ausdruck: „immens“ gehörte zu seinen Lieblingsworten
(auch zu denen von Hans Koller – wer hatte das nun von wem?)
Géza Gábor Simon, Ungarns führender Jazzjournalist,
hat ihm ein längst fälliges Denkmal gesetzt. Die vielen Kurzbiographien
von Musikern, mit denen er zusammenspielte, hätte man allerdings
weglassen oder hinten in einem Anhang zusammenfassen sollen; so stören
sie den Lesefluss sehr. Aber dieses Buch ist sehr wichtig, ist doch
der Attila (wie ihn jeder nannte) auch ein wichtiger Teil der deutschen
Jazzszene gewesen. Und von seinen Jazzkursen in seinem Haus in Vermont
profitierten auch deutsche Gitarristen wie Helmut Nieberle und Helmut
Kagerer, deren Duo Attila Zoller im Begleittext zu ihrer ersten CD ein
hohes Lob spendete.
Peter Broadbent: Charlie Christian/Solo Flight – The Seminal
Electric Guitarist (2nd edition), Ashley Mark Publ.Co./United Kingdom,
190 Seiten
Über die große Bedeutung von Charlie Christian, der 1942
mit nur 25 Jahren, als Gitarrist wie als Pionier des Bebop, gibt es
keinerlei Zweifel. Interessant ist, dass er beim Begleiten reinen Swing
spielte. Auch nicht ansatzweise gibt es bei ihm die „comping“-Technik
der späteren Bop-Gitarristen. Das Neue sind seine immer melodischen
und wunderbar ausgewogenen Melodielinien mit all den Asymmetrien seines
Vorbildes Lester Young (kein Widerspruch). Von diesem hörte er
häufig mit Hilfe eines tragbaren Plattenspielers Aufnahmen im Bandbus
von Benny Goodman, sang die Chorusse mit (wie es heißt, nach einmaligen
Hören!) und ergänzte sie durch eigene Scat-Chorusse. Er war
übrigens offenbar auch ein ziemlich guter Bassist. Um 1932 spielte
er im Duo mit T-Bone Walker, wobei sie beide zwischen Gitarre und Bass
abwechselten. 1936 hatte er ein Angebot von Andy Kirk als Bassist, das
er aber ablehnte. Eigentlich sehr erstaunlich, dass er erst 1939 von
einem der großen Bandleader verpflichtet wurde; gekannt haben
dürfte sie ihn alle schon vorher.
Der englische Gitarrist und zeitweilige Profi-Golfer (!) Peter Broadbent
hat eine große Fülle an Material zusammengetragen. Als Schmankerl
für Gitarrenliebhaber werden im Anhang alle Gitarrenmodelle eingehend
besprochen, die Charlie Christian (vermutlich) verwendete.
Eine Diskografie ist eine weitere willkommene Ergänzung dieses
empfehlenswerten Buches. Nur die erwünschten Analysen mit Notenbeispielen
fehlen ebenso wie ein Register (wieder mal bei einem Jazzbuch).
Joe Viera |