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Schon im vergangen Jahr wurde der 100. des laut einer Geburtsurkunde am 16.9.1903 in Philadelphia geborenen Geigers begangen. Glaubt man der Legende oder anderen Unterlagen, ist 2004 wieder ein Venuti-Jahr. Die älteste Mär, an der Venuti lange Jahre festhielt, behauptete, er sei am 1.9.1904 auf einem Schiff bei der Überfahrt seiner Eltern von Italien in die Vereinigten Staaten geboren worden. Ein Verwandter gab später zu: „Joe spielte schon gut Geige, als er aus diesem Boot stieg.“ Letztere Version wurde dann mit angeblichen Geburtsjahren 1897, 1898, 1899 untermauert. Vermutlich wusste Venuti, der selbst mit widersprüchlichen Angaben zur Verschleierung des Sachverhalts beigetragen hat, selbst nicht genau Bescheid. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass er gebürtiger Italiener und somit der erste bedeutende in Europa geborene Jazzmusiker war. Tatsache ist, dass er es mit seiner Schiffsgeburts-Mär geleugnet hat. Konnte, durfte der größte weiße Jazzgeiger Amerikas kein Europäer sein? Im Jahre 1971 lebte Venuti mehrere Jahre in Italien; dort stellte er Nachforschungen über seine Herkunft an, die nichts erbrachten. Joe Venuti wurde laut kirchlicher Urkunden am 3. Dezember 1894 in Malgrate bei Lecco am Comer See geboren. Das dementierte er gegenüber den Autoren des Reclam Jazzführers. Hat er auch seine Geburt in Italien bestritten, so doch niemals seine italienischen Roots. Wie dem auch sei, Gründe ihn zu feiern, gibt es mehr als genug. Er verschaffte der Violine durch meisterhafte Technik und melodischen Einfallsreichtum Anerkennung als improvisatorisches Soloinstrument. Dabei entwickelte er auch neue Spieltechniken auf der Violine. Um etwa auf allen vier Saiten gleichzeitig zu spielen, klemmte er sie zwischen Bogenhaaren und der Holzstange ein und entlockte ihr bis dato ungehörte akkordische Tonfolgen („Loose Bow Fiddle“-Technik). Der Leiter der „Blue Four“ arbeitete in den 20er-Jahren eng mit dem Eddie Lang, einem Pionier der Jazzgitarre, zusammen. Die geschickten Arrangements und der „klassische“ Perfektionismus der Band lässt sie als Vorläufer von kammermusikalischen Cool-Jazz-Gruppen der 50er-Jahre erscheinen. Der Drive und die Wahl ihrer Instrumente machen sie wiederum zu Vorgängern von Django Reinhardt und Stéphane Grappelli und somit auch aller Gruppen des so genannten „Zigeunerjazz“. Und schließlich ist er wohl der Jazzer, über den am meisten Anekdoten im Umlauf sind. Ob er Paul Whitemans Geige öffentlich zerbiss oder Langs Gitarre an Starkstrom anschloss, er war als verrückter Witzbold ebenso bekannt wie als Violin-Virtuose. Marcus A. Woelfle
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