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Ich telefoniere jetzt jeden Freitagabend mit Stefano, dem Musikproduzenten in Mailand, der früher Stephan hieß und mein Jugendfreund war. Als ich ihn kürzlich fragte, ob er denn noch viel Kontakt nach Deutschland hätte, meinte er: „Eher weniger. Aber ich bekomme regelmäßig Post von deutschen Talenten. Die sammle ich in einer großen Kiste mit der Aufschrift ‚Noch mehr Superstars’.“ Und dann geriet Stefano ins Schwärmen. Die Songwriterin Veronika zum Beispiel hatte ihm die Noten eigener Werke geschickt, die er von Musikern seiner Wahl interpretieren lassen sollte. Besonders liebt Stefano den Song „Der Stier von der Mühle“ mit dem menschlich so anrührenden Refrain: „Und dann geht Gustav hin zur alten Mühle, denn er hofft zu treffen seine Rosmarie, aber dort trifft er nur den alten Schwulen und er geht nach Hause, sauer wie noch nie.“ Minutenlang kann Stefano auch von Carmen-Arleen erzählen, die ihren Brief mit den Worten begann: „Meine Name ist Carmen-Arleen, und bin 16 Jahre alt.“ Obwohl er nie einen Ton von ihr gehört hat, ist sich Stefano sicher, dass hier ein großes Talent noch tief schlummert. Immerhin ist Carmen-Arleen bereits bei Schulfeiern aufgetreten und hat sogar „Demo-Taps“ verschickt, wie sie schreibt. Den nächsten Daniel Küblböck hat Stefano auch schon in der Kiste: Er heißt Sebastian und macht gerade eine Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann. Da er noch nicht weiß, was das eigentlich ist, nimmt er auf jeden Fall auch mal Gesangsunterricht. Mit Erfolg: „Ich kann schon länger die Töne halten.“ Auch eine echte Jazzsängerin aus der Schweiz bewarb sich vor einiger Zeit, die ihre Musik mit eleganten Kommentaren zu präsentieren versteht: „Wenn wir nicht gerade Galilei oder sonst ein Universalgenie sind, dann können wir ja immer noch die Gänseblümchen fragen.“ Dieser Rat hat Stefano dann doch sehr bewegt. Nachdenklich nahmen wir Abschied. Rainer Wein |
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