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Wenn das Freiburger Jazzhaus aus allen Nähten platzt – dies geschieht nicht allzu häufig –, dann muss etwas Besonderes geboten sein. Der Anlass war im Januar ein Jubiläum, das gefeiert werden musste: das 20-jährige Bestehen des örtlichen Schüler-Jazzorchesters.
Auf der Bühne tummelten sich Teenager mit ihren Instrumenten, eine richtige Bigband eben: vier Trompeten, vier Posaunen, sechs Saxophone, ein exotisches Cello und eine glänzend aufgelegte Rhythmusgruppe, aus der eine Schlagzeugerin herausragte und ein nicht minder begabter E-Bassist. In vielerlei Stilistiken ist das Orchester zu Hause: ob donnernde Rock-Motorik wie in Hancocks „Maiden Voyage“, zuzpackender Hardbop wie in Rollins´ „Tenor Madness“, marschierende New-Orleans-Gemütlichkeit wie in „Lester leaps in“ oder groovend-bluesige Stimmung überhaupt. Die Einsätze sind präzise, die Satzarbeit bestechend, auch solistisch gibt man sich Mühe. Spielfreude und Begeisterung herrschen (nicht nur) an diesem Abend auf der Bühne und im Publikum vor. Vor den knapp zwei Dutzend Musikern und Musikerinnen agiert ein mittelgroßer, schlanker Mann mit stets erhobenen Armen. Herbert Schiffels gibt die Einsätze, treibt an, muntert auf, motiviert. Er ist Initiator und Spiritus Rector des Orchesters, auch wenn inzwischen vielerlei Initiativen von den musizierenden Schülern selbst ausgehen. Da werden schon mal selbständig Proben angesetzt, man bildet Kleinformationen, wählt Stücke aus und traut sich, selber zu komponieren oder zu arrangieren Schiffels ist kein Dompteur alter amerikanischer Bigband-Schule. Partnerschaft ist bei ihm oberstes Prinzip, um die Begeisertungsfähigkeit und Motivation der Jugendlichen nicht erlahmen zu lassen. Als 1978 der Musik- und Mathematiklehrer Herbert Schiffels ans Freiburger Rotteck-Gymnasium kam, war freilich alles anders. Auf ihn spitzte sich alles zu, als ihm der damalige Rektor freie Hand gab. „Machen Sie, was Sie wollen“, hieß es. So war eine Combo mit dem Pianisten Schiffels an der Spitze schnell gegründet. Nach zwei, drei Jahren war die Kapelle rasch angewachsen, zahlreiche Schüler zeigten Interesse am musikalischen Treiben. Jetzt schrieb Schiffels Arrangements, auch neue Stimmen, die auf die wechselnden Instrumentalisten zugeschnitten waren. Der Klang der Rotteck-Bigband war unüberhörbar in der Stadt. Andere Schüler des Dutzends der Freiburger Gymnasien wurden aufmerksam, wollten mitmachen und baten um Aufnahme in die Band. Inzwischen ist das Freiburger Schüler-Jazzorchester, wie sich die Bigband nun nannte, mit 27 Mitgliedern bestückt, die aber nicht alle gleichzeitig im Einsatz sind. In den zwei Jahrzehnten des Bestehens haben über 200 Jungmusiker Schiffels’ Schule durchlaufen: „Einige sind Lehrer, auch für Musik und Mathe“, erzählt der engagierte Pädagoge, der zu vielen Ehemaligen noch Kontakte hat. „10 bis 15 sind heute Berufsmusiker. Einer ist Krebsforscher in San Diego, eine Professorin für Physik in Frankfurt, einer Professor für Betriebswirtschaft in Tübingen.“ Geprobt wird regelmäßig in einem festen Probenraum, in dem Klavier und Schlagzeug stehen – samstags, wenn kein Unterricht stattfindet. „Das ist mein Haustrick, denn so bleiben von 100 Interessenten nur die 30 Ernsthaften übrig“, so Schiffels. Die Probenarbeit unterscheidet sich nicht wesentlich von der vor zwanzig Jahren. Die Neuen müssen vorspielen und werden nach und nach integriert. Dies ist wichtig, weil jährlich Intsrumentalisten nach bestandenem Abitur das Orchester verlassen. Freilich werden bei Proben – und gelegentlich auch bei Auftritten – immer mal wieder Ehemalige einbezogen, die ihre Erfahrungen gern weitergeben. „Musikalischer sind die Schüler nicht, aber besser ausgebildet, davon profitiere ich“, zieht Schiffels Bilanz. 120 Nummern stehen auf Abruf bereit, 45 Titel sind jederzeit verfügbar, das heißt spielbar. Das Freiburger Schüler-Jazzorchester steht nach 20 Jahren gut da. Es behauptet sich tüchtig gegenüber den anderen circa 200 Bigbands an Baden-Württembergs Schulen. Ein Förderverein, dem eine Reihe Ehemaliger angehört, ist großzügig mit finanziellen Spritzen zur Stelle, wenn Not am Mann ist; auch die Stadt hilft mit Sachmitteln und mit zweckgebundenen tausend Euro jährlich. An den „jeunesses musicales“, wo ideale Probenbedingungen herrschen, nimmt das Orchester jährlich teil, bei „Jugend jazzt“ bisher nur ein Mal. Obwohl dort auf Anhieb der erste Platz gemacht wurde, ist dieser Wettbewerb für die Jugendlichen „kein besonderer Ansporn“ (Schiffels). Nach dem gelungenen Start im Freiburger Jazzhaus ist für das Schüler-Jazzorchester das Jubiläumsjahr mit weiteren Highlights bestückt. An Ostern steigt ein Treffen Ehemaliger, danach gibt es einen Auftritt bei der Landesgartenschau in Kehl. Und ehe die erste Freiburger Schüler-Jazz-Nacht ansteht, beim renommierten, mit Stars gespickten Freiburger Zeltmusik-Festival im Sommer, geht es in die USA. Seit 1997 besteht die Partnerschaft zur Schule in Glenelg/Maryland, die Mitte Juli mit einem Gegenbesuch in Freiburg erwidert wird. Ähnliche Begegnungen fanden mit der französischen Partnerschule in der Nähe von Nizza statt. Reiner Kobe |
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