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Ein schlichtes Kleid, die Füße unbeschuht, den Blick verschüchtert gesenkt. So kommt Lizz Wright auf die winzige Bühne. Sie umklammert das Mikro, schließt die Augen und nur einen Flügelschlag später hört eine gute Hundertschaft von Medienvertretern, die sich in den Räumlichkeiten des Jazzradios in Berlin Kreuzberg eingefunden hat, ein Englein singen – mit tiefer, salbender, tröstender, aufwühlender Stimme.
Spätestens bei der a cappella gesungenen Zugabe „Amazing Grace“ glänzen Gesichter, hinterlässt manche Träne eine feuchte Bahn auf der Wange. Ein Englein? „Sakrileg!“, mag manch einer in Lizz Wrights kleiner Heimatgemeinde im tiefsten Georgia lauthals geschimpft haben, als die heute 23-Jährige vor ein paar Jahren die Lager wechselte und vom Gott behüteten Gospel in die Fänge des teuflischen Jazz geriet. Die Sängerin, Tochter eines gar strengen Pfarrers, quittiert die Erinnerung an damals mit einem erfrischenden, kehligen Lachen und wird dann aber ganz schnell wieder ernst. „Meine Kirche war eine von denen, die Jazz verboten hat. Die Leute haben wohl nie wahr genommen, dass eine Menge Ideen und Klänge, die im Gospel stecken, vom Blues und Jazz kamen“, sagt der Jazz Shooting Star, der bei einer Jamsession in Atlanta entdeckt wurde, sich mit Joe Sample erstmals einem großen Publikum stellte und bei einem Billie Holiday-Tribut in den USA Ovationen von Presse und Publikum bekam. „Als ich erstmals weltliche Musik hörte, fielen mir die Parallelen zwischen Gospel, Blues und Jazz sofort auf, weil diese Stile eine ähnliche Spiritualität besitzen. Ich finde, die geistliche und die säkularisierte Welt brauchen einander. Eine ist ohne die andere nicht vollständig. In der Kirche mögen wir ein Gefühl für Disziplin und Demut vermittelt bekommen, doch wer sich zu sehr von Disziplin leiten lässt, vergisst zu leben.“ Zu wenig Selbstbeherrschung ist aber auch schlecht. Lizz Wrights Leben, das bis in späte Teenagerjahre von unerbittlichen Regeln bestimmt war, wurde, vielleicht als unterschwellige Trotzreaktion auf die ihr lange auferlegten Werte und Normen, vor kurzem noch von totaler Konfusion bestimmt – beruflich, die Religion betreffend, auch musikalisch. Erst als sie loszulassen verstand, nicht mehr jeden Tag um Inspiration flehte, kamen Lizz Wright Ideen zugeflogen, flatterten ihr ganze Songs im Morgengrauen zwischen Halbschlaf und Aufwachen einfach so zu. Fünf davon befinden sich auf „Salt“ (Verve/ Universal) dem erstaunlichen Debütalbum der hochgewachsenen Schönen. Mit Musikern wie dem Saxophonisten Chris Potter, dem Schlagzeuger Brian Blade (auch für Teile der Produktion zuständig) und dem Pianisten Danilo Perez (auf dessen kommendem Album Lizz zwei wunderbare Tracks singt) hat es die Sängerin aufgenommen. Eine so unbekümmerte wie schlüssige Mischung ist Lizz Wright mit ihrem Einstand gelungen. Ihre gefühlsprallen Balladen weichen die Grenzen zwischen Jazz, Blues, Gospel, Soul und R & B auf. „Als ich anfing, Jazzstandards zu singen, hatte ich zunächst Schwierigkeiten, meine persönliche Stimme zu finden. Die Leute haben meist schon eine sehr enge Vorstellung davon, was Jazz ist und was nicht. Und heute? Man meint es ja gut mit mir, aber alle bestehen darauf, mich zu fragen, wie ich es fertig bringe, all diese Stile miteinander zu vermischen. Leute, wie meint ihr das? Ich selber bin eine gemischte Person, was meine Erfahrungen und meine Gefühle betrifft.“ Gemischte Gefühle? Der Zuhörer hat die bestimmt nicht, wenn er den durchdringenden Gesang dieser Frau hört, diese reife, soviel Würde und Weisheit verströmende Stimme, die man einer 23-Jährigen kaum zutrauen würde. Bei der Talentvergabe hat wohl der liebe Gott persönlich die Hand im Spiel gehabt. Text & Foto: Ssirus W. Pakzad
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