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Jazzzeitung

2003/09  ::: seite 13

portrait

 

Inhalt 2003/09

Inhaltsverzeichnis

STANDARDS

Editorial / News / break
musiker-abc:
Paul Quinichette
all that jazz:
Reisen, Brüche, Brücken
no chaser:
Ego, ergo sum
Farewell.
Abschied: Swing-Pionier Benny Carter


TITEL / DOSSIER


Das Schlüsselwort Freiheit
Cornelius Claudio Kreusch und sein musikalischer Masterplan
Dossier. Jazz in der Welt (Brasilien / Vietnam / Südkorea / Klezmer)


BERICHTE


Berichte aus
Aying / Duisburg / Halle / Moers / München / Regensburg / Salzau / Unterföhring


 JAZZ HEUTE


Kein Reinheitsgebot für Jazz
Das Jazzfest Berlin wandelt sich und bleibt sich dennoch treu


 PORTRAIT / INTERVIEW


Lizz Wright // Klaus Doldinger // Wayne Shorter // Ralf Schmid // NuJazz und Micatone


 PLAY BACK / MEDIEN


CD. CD-Rezensionen 2003/09
Bücher. Neue Bücher zu Gil Evans, Miles Davis und Ligeti
Noten. Playback-CDs und neue Noten // John Valerio: Bebop Jazz Piano
Instrumente. Studio-Monitor von Yamaha
Medien. Hartmut Dorschner: der Computer und die improvisierte Musik // Filmmuseum München zeigt Jazzfilm-Reihe


 EDUCATION


Abgehört 18. Solo über einen kubanischen Bolero
Emotional und mit System
Die Freiburger Gesangspädagogin Martina Freytag
Ausbildung. Kurse, Fortbildungen etc.


SERVICE


Critics Choice

Service-Pack 2003/09 als pdf-Datei (kurz, aber wichtig; Clubadressen, Kalender, Jazz in Radio & TV, Jazz in Bayern und anderswo (371 kb))

Engel singen

Eine Entdeckung: Lizz Wright

Ein schlichtes Kleid, die Füße unbeschuht, den Blick verschüchtert gesenkt. So kommt Lizz Wright auf die winzige Bühne. Sie umklammert das Mikro, schließt die Augen und nur einen Flügelschlag später hört eine gute Hundertschaft von Medienvertretern, die sich in den Räumlichkeiten des Jazzradios in Berlin Kreuzberg eingefunden hat, ein Englein singen – mit tiefer, salbender, tröstender, aufwühlender Stimme.

Foto: Ssirus W. Pakzad

Spätestens bei der a cappella gesungenen Zugabe „Amazing Grace“ glänzen Gesichter, hinterlässt manche Träne eine feuchte Bahn auf der Wange. Ein Englein? „Sakrileg!“, mag manch einer in Lizz Wrights kleiner Heimatgemeinde im tiefsten Georgia lauthals geschimpft haben, als die heute 23-Jährige vor ein paar Jahren die Lager wechselte und vom Gott behüteten Gospel in die Fänge des teuflischen Jazz geriet. Die Sängerin, Tochter eines gar strengen Pfarrers, quittiert die Erinnerung an damals mit einem erfrischenden, kehligen Lachen und wird dann aber ganz schnell wieder ernst. „Meine Kirche war eine von denen, die Jazz verboten hat.

Die Leute haben wohl nie wahr genommen, dass eine Menge Ideen und Klänge, die im Gospel stecken, vom Blues und Jazz kamen“, sagt der Jazz Shooting Star, der bei einer Jamsession in Atlanta entdeckt wurde, sich mit Joe Sample erstmals einem großen Publikum stellte und bei einem Billie Holiday-Tribut in den USA Ovationen von Presse und Publikum bekam. „Als ich erstmals weltliche Musik hörte, fielen mir die Parallelen zwischen Gospel, Blues und Jazz sofort auf, weil diese Stile eine ähnliche Spiritualität besitzen. Ich finde, die geistliche und die säkularisierte Welt brauchen einander. Eine ist ohne die andere nicht vollständig. In der Kirche mögen wir ein Gefühl für Disziplin und Demut vermittelt bekommen, doch wer sich zu sehr von Disziplin leiten lässt, vergisst zu leben.“ Zu wenig Selbstbeherrschung ist aber auch schlecht. Lizz Wrights Leben, das bis in späte Teenagerjahre von unerbittlichen Regeln bestimmt war, wurde, vielleicht als unterschwellige Trotzreaktion auf die ihr lange auferlegten Werte und Normen, vor kurzem noch von totaler Konfusion bestimmt – beruflich, die Religion betreffend, auch musikalisch. Erst als sie loszulassen verstand, nicht mehr jeden Tag um Inspiration flehte, kamen Lizz Wright Ideen zugeflogen, flatterten ihr ganze Songs im Morgengrauen zwischen Halbschlaf und Aufwachen einfach so zu. Fünf davon befinden sich auf „Salt“ (Verve/ Universal) dem erstaunlichen Debütalbum der hochgewachsenen Schönen. Mit Musikern wie dem Saxophonisten Chris Potter, dem Schlagzeuger Brian Blade (auch für Teile der Produktion zuständig) und dem Pianisten Danilo Perez (auf dessen kommendem Album Lizz zwei wunderbare Tracks singt) hat es die Sängerin aufgenommen. Eine so unbekümmerte wie schlüssige Mischung ist Lizz Wright mit ihrem Einstand gelungen.

Ihre gefühlsprallen Balladen weichen die Grenzen zwischen Jazz, Blues, Gospel, Soul und R & B auf. „Als ich anfing, Jazzstandards zu singen, hatte ich zunächst Schwierigkeiten, meine persönliche Stimme zu finden. Die Leute haben meist schon eine sehr enge Vorstellung davon, was Jazz ist und was nicht. Und heute? Man meint es ja gut mit mir, aber alle bestehen darauf, mich zu fragen, wie ich es fertig bringe, all diese Stile miteinander zu vermischen. Leute, wie meint ihr das? Ich selber bin eine gemischte Person, was meine Erfahrungen und meine Gefühle betrifft.“ Gemischte Gefühle? Der Zuhörer hat die bestimmt nicht, wenn er den durchdringenden Gesang dieser Frau hört, diese reife, soviel Würde und Weisheit verströmende Stimme, die man einer 23-Jährigen kaum zutrauen würde. Bei der Talentvergabe hat wohl der liebe Gott persönlich die Hand im Spiel gehabt.

Text & Foto: Ssirus W. Pakzad


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