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Die großen, teuren und „durchreisenden“ Namen sucht man im Programm des Jazzfest Berlin 2003 vergebens. Zu Recht. Vom JazzFest Berlin erwartet man Name Dropping zu allerletzt. Die Besucher haben hier Gewohnheitsrecht auf Neues, Unverbrauchtes und auch Provokantes. Diesem Anspruch wird das Jazzfest unter seinem neuen künstlerischen Leiter, Peter Schulze, mehr denn je gerecht. Seine Devise: „Ein Festival, das öffentliche Förderung hat, sollte einen hohen musikalisch-qualitativen Informationsgehalt besitzen.“
Peter Schulze war in den letzten 15 Jahren vor allem an kleinen thematischen Festivals interessiert. Darin konnten hervorragende Musiker ihre eigene Vielseitigkeit in verschiedenen Besetzungen darstellen, wie John Zorn, Bill Frisell und Wayne Horvitz beim New Generation Festival 1988, Ray Anderson beim Wishbone Festival 1993, Michel Moore beim Moore & More Festival 1994, oder Howard Levy beim Harpology Festival 1995. 1998 wurde Schulze Musikchef beim Kulturprogramm von Radio Bremen 2 (bis zu dessen Auflösung 2001). Auch dort machte er wieder Festivals, und zwar die Ausgaben 1999 und 2001 des international renommierten Festivals pro musica antiqua mit spiritueller Musik des letzten Jahrtausends und mit deren Fortsetzung im Hier und Jetzt. Mit Schulze hat Joachim Sartorius, Intendant der Berliner Festspiele, einen erfahrenen Festivalleiter engagiert - und zwar für die nächsten vier Jahre, was nicht nur programmatische Gründe hat, sondern auch zu einer stärkeren Konsolidierung des Festivals vor dem Hintergrund angespannter Kulturfinanzen beitragen soll. Angestrebt ist die Kontinuität, die immer das Markenzeichen des Berliner Jazzfestes gewesen war. George Gruntz etwa war zwanzig Jahre künstlerischer Leiter, Albert Mangelsdorff immerhin sieben Jahre. Die Interimszeit zwischen ihm und Schulze überbrückte Intendant Joachim Sartorius, der damals Ulrich Eckhardt als Festspielleiter ablöste, mit einem originellen, aber nicht unumstrittenen Konzept: Musiker als Künstlerische Leiter in Residence. Nils Landgren präsentierte 2001 die skandinavische Jazzwelt – eine der lebendigsten überhaupt - und John Corbett bezog sich ein Jahr danach auf Chicago. Eine ursprünglich geplante Japan-Ausgabe inklusive japanischem künstlerischen Leiter, entfällt mit dem Engagement von Schulze, der sich jedoch Jun Miyake als Co-Kurator an seine Seite geholt hat. Schulze kann ab sofort längerfristig planen, als dies ein jeweils im Oktober
bestallter künstlerischer Leiter könnte. Sein programmatisches Credo fällt
unprogrammatisch aus: „Ich stehe für eine sehr große stilistische
Offenheit und bin nicht festgelegt, etwa von einer eigenen künstlerischen Produktion.“ Man darf sich nicht täuschen, nicht nur „als Haltegriffe“ finden sich im Prgramm 2003 auch bekannte Namen: David „Fathead“ Newman, Louis Sclavis, Don Byron, Eddy Louiss und Tomasz StaDko etwa. Auffällig ist die Häufung von Akkordeonisten wie Rob Berger vom Tin Hat Trio, Alan Bern, Hans Reichel/Rüdiger Carl, Guy Klucevsek und Richard Galliano. Auch Trompeter sind stark vertreten: Eric Vloeimans, Jun Miyake, Tomasz StaDko oder in Jon Balkes Magnetic North Orchestra Per Jörgensen. Der Schwerpunkt Japan musste kleiner ausfallen als vorgesehen, da die Förderung von japanischer Seite nicht in dem Maße stattfand, wie ursprünglich gedacht. Zusammen mit Co-Kurator Jun Miyake lud Schulze Masabumi Kikuchi ein, sowie Satoko Fujii, eine Pianistin plus Rockschlagzeuger. Herauszuheben ist das theatralische Projekt der Sängerin Miharu Koshi. Auf den ersten Blick hat es wenig mit Jazz zu tun, es ist ein Musical Programm und setzt sich aus einem Pianisten, zwei Tänzerinnen und einem Fagottisten zusammen. Miharu Koshi singt französisch: der Zuhörer erlebt einen Blick aus dem fernen Osten auf Frankreich und Europa. Miharu Koshi schreibt und inszeniert „Chansons imaginaires“, gewissermaßen ihre Sicht aufs französische Chanson. Das zweite sogenannte theatralische Projekt nennt sich „La Grande Illusion“
von ARFI, „Association à la Recherche d’un Folklore Imaginaire“
aus Lyon, ein großes Spektakel mit zwölf Musikern und einem Zauberer. Eine Frage taucht jedes Jahr aufs Neue auf: Ist die Berliner Szene vertreten? Andreas Kolb
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