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Erinnern Sie sich an die guten alten Zeiten, als Jazzclubs gemütliche, verqualmte, heimelig stinkende Höhlen waren? Graue Schwaden stauten sich über den Tischen, die Saxophonisten bliesen mit kurzatmigem Raucherton, manchem Drummer ist die als Aschenbecher missbrauchte Snare durchgeschmort und der Tabakkonzern Philip Morris sponserte Big Bands und den Marlboro Jazz Prize. Mal ehrlich: Woher beziehen Herman Leonards Jazzfotos ihre Aura, wenn nicht aus den Nikotinnebeln im Gegenlicht? Heute wird Jazz von Sofa-herstellern gesponsert. Trendig rumfläzen in antiseptischem Ambiente und mit lichter Leere im Kopf. Und der Jazz blubbert dazu synthetisch aus dem Computer. Louis Loungestrong, Ella Chillgerald oder Dizzy Relaxpie. Wer wir sind, verraten unsere Frisur, unsere Schuhe und unsere Armlehnen. Früher hatten wir wenigstens noch einen markanten Raucherhusten. Das Parademodell des Sofa-Herstellers heißt übrigens Ego: Nicht umsonst betreibt die Sofa-Branche „rege Trendarbeit” durch „intensive Marktforschungen und Kundenbefragungen”. Ergebnis: Jeder sucht sein Ego. Und der Sofa-Hersteller liefert es – in 33.372 Varianten. Mit geradem oder hohem Rücken, Metallkufe oder Aluminiumplatte, Armteilkissen oder Kopfstütze. Individualität im Remix. Zeig mir dein Sofa und ich sage dir, welches Handy zu dir passt. Wann kommt der Plattenladen, der die Musik nach Sofatypen ordnet? Also, ein bisschen Gestank und Qualm könnte der desinfizierten Lounge nicht schaden. Um mit Frank Zappa zu reden: „I am the dirt beneath your rollers.“ Doch Philip Morris hat die guten Zeiten hinter sich, selbst Reemtsma verdingt sich inzwischen in der intellektuellen Sozialarbeit. Und jetzt sollen wir letzten Raucher auch noch die Staatsfinanzen retten, während die anderen ihr Ego antiseptisch halten. Besteuert mal lieber die Sofasitzer, ey. Rainer Wein |
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