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Die einen kamen aus Montreux, die anderen waren auf dem Weg dorthin, einem Festival, mit dem das Bayerische Jazz-Weekend gemeinhin nicht in einem Atemzug genannt wird. Nicht dass in Regensburg der plötzliche Wohlstand ausgebrochen wäre, vielmehr genügten Sponsoren, die die Übernachtungskosten übernahmen, um Harri Stojka mit seiner Band „Gitancoeur“ und die Janne Ersson Big Band an die Donau zu locken. Ansonsten begnügten sich die (für Weekendverhältnisse) Star-Formationen mit der selben Aufwandsentschädigung, die auch alle anderen knapp 100 Bands bekamen. Ein gutes Zeichen für die Anziehungskraft des traditionell kostenlosen Festivals, das seine Ausnahmestellung wieder einmal eindrucksvoll unter Beweis stellte. Während man in Montreux bei Stojka nicht so recht zu wissen schien, worauf man sich da einließ – „Harri Stokja [sic] (Gipsy/Cuba/Brasil/Austria)“ war auf der Homepage zu lesen – hatte das Regensburger Publikum keine Probleme mit der Einordnung dieses Spektakels und feierte die doch etwas wilde Ethno-Mixtur einfach mit. Nach deren Stichhaltigkeit durfte man freilich nicht fragen, denn um über einem austauschbaren Groove (mal Funk, mal Samba) orientalische Skalen auszubreiten und dann das Publikum mit dem „Hi-de-ho“ eines Cab Calloway aufzustacheln, bedarf es nicht unbedingt eines musikalischen Visionärs. Stojkas Anspruch, man werde hören, wohin sich die Musik seines Volkes (der Rom) entwickeln könnte „und mit mir eh schon entwickelt“, verpuffte in einer Soundwolke aus gesampleten Rhythmusschleifen, Synthie-Gewummere und Stojkas Geschwindigkeitsrekorden an Gitarre und elektrischer Sitar. Nachvollziehbarer ging da der Schwede Janne Ersson zur Sache, mit klarer Soundvorstellung
und einer überragenden Bläsersecktion, die er mit geballter Schlagzeugpräsenz
à la Buddy Rich zum Äußersten antrieb. Da brannte die Luft, ohne
dass man sich musikalisch unterfordert fühlen musste.
Zwei starke Musikerpersönlichkeiten bewahren das ebenfalls preisgekrönte Quartett „Etna“ vor einer Beliebigkeit beim Zusammenführen von vier Nationen. Trotz vielfältiger Zutaten erstaunlich homogen, harmonisch, vielleicht sogar eine Spur zu eingleisig, das kompositorische Material, das die deutsche Pianistin Andrea Hermenau und der bosnische Gitarrist Vlado Grizelj bereit stellen. Er, ohne Verlust des persönlichen Tonfalls zwischen traditionell akustischem Sound und elektrischer Verfremdung pendelnd; sie, mehr zurückgezogen, die linke Klavierhand oft als eigenständige Stimme hineinnehmend. Auf der Suche nach einem passenden Motto für das diesjährige Jazzweekend hätte man bei der Band um den großartigen Regensburger Trompeter Andy Scheffel fündig werden können: „Lots of Sounds Orchestra“ heißt sie und benennt damit einen Trend, den man heuer verstärkt beobachten konnte. Viele Formationen lassen sich stilistisch nicht auf eine griffige Formel bringen, die Mischungen verlaufen nicht mehr nur quer durchs Weekendprogramm, sondern spielen sich in den einzelnen Auftritten selbst ab. Im „Lots of Sounds Orchestra“ selbst wird die bisweilen polyphon sich verzweigende Bläsersektion von sonorem Euphonium, die Rhythmusgruppe durch den perkussiven Einfallsreichtum Roland HH Biswurms kräftig aufgerauht. Ansonsten bewegte sich vieles in Richtung Pop und Funk, nicht immer so originell wie bei der Straubinger Formation „Liquid Blue“ mit wunderbaren Neu- und Umdeutungen von Sting-Nummern. Frontfrau Klaudia Salkovic, facettenreich im Timbre, eroberte mit ihrer natürlichen Bühnenausstrahlung Herz und Hirn gleichermaßen. Und nach einem ersten, in der Benson-Orientierung reizvollen, stilistisch aber etwas unentschlossenen Quintett-Auftritt im Gewerbepark baute Torsten Goods, eine eminente Gitarrenbegabung, mit seiner großen Band ganz auf die Zugkraft von Funk und Soul. Indessen setzt ein grandioser Walter Bittner den Weg konsequent fort, den er mit seiner Formation „The Double You-Be“ vor drei Jahren angetreten hat. Im „Digilogue“ mit dem zweiten Schlagzeuger Kilian Buehler lotet er auf der Basis unerbittlicher Bass-Ströme Badan Giussanis und flexibel zuspielbarer Sample-Klänge die Dialektik von Kontrolle und Überwältigung, von Planung und Improvisation aus. Dass man diesem komplex verfinsterten Klangrhythmusbad konzentriert lauschend immer neue Details abgewinnen, oder sich tanzend ganz der körperlichen Präsenz hingeben kann, das macht bei all dem saftigen Groove die Tiefe dieser Musik aus. Lots of sounds, wahrhaftig. Juan Martin Koch
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