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Es ist fast schon ein Pawlowscher Reflex: Jazz im Bierzelt, das muss hierzulande Dixieland sein. Wobei das, was dann gespielt wird, mit Jazz meist wenig zu tun hat – wenn man darunter Musik versteht, die vom Experiment, von der Improvisation, vom Eröffnen neuer Klangwelten lebt. Dass es auch anders geht, beweist seit zwei Jahren Josef Ametsbichler als künstlerischer Leiter des von der Brauerei Aying vor ihren Toren veranstalteten Jazz-Festivals. Der Bassist stellt dort Programme zusammen, die den Namen Jazz-Festival auch verdienen. Neben den obligatorischen Brass Bands holte er zum Auftakt Klezmer, Lateinamerikanisches und Hardbop ins Bierzelt. So ist Ametsbichler in diesem Sommer zwar einen kleinen Schritt zurückgerudert, aber niemand hat ja etwas dagegen, wenn sich auch Dixie im Repertoire eines Jazzfestes findet. Zumal, wenn er von einer Truppe wie der Silverdollar Dixieland & Jazzband gespielt wird. Einem Quartett, in dem Leute wie der Klarinettist und Saxophonist Otto Staniloi oder der Unterbiberger-Hofmusik-erprobte Erwin Gregg an der Posaune spielen, hört man gerne zu. Ungewohnt für Bierzelt-Verhältnisse war dann wieder der Rest des Programms. In Richtung Las Vegas ging es mit dem Damen-Quintett „Ladies Talk“. Hits von Stevie Wonder, Prince oder Harry Belafonte dienen den stimmgewaltigen Sängerinnen als Vehikel für eine humorvolle Show, in der Jazz eher unterschwellig hervorlugt. Dass die ganze Vielfalt des Jazz bestens in ein Bierzelt passt, demonstrierte schon zum Auftakt Josef Ametsbichler selbst mit seiner eigenen Band „Swing La Moderna“. 14 Mann widmen sich da einem bunten Stil-Mix, der Ellingtons Jazz- Credo „It don’t mean a thing, if it ain’t got that swing“ auf Bop, Afrokubanisches bis hin zu Anklängen osteuropäisch-jüdischer Musiktradition ausdehnt. Einem der ganz Großen der europäischen Jazzszene oblag es zum Schluss, das Zelt in einen Club zu verwandeln. Der Schweizer Tenorsaxophonist Roman Schwaller zelebrierte mit seinem Quartett modernen Postbop. Mit variantenreichen Arrangements verwandelte er Cedar Waltons „Bolivia“ oder Ellingtons „In A Mellow Tone“ in kleine Meisterwerk, die nicht nur den harten Kern der Jazzfreunde im Zelt mitrissen. Großen Anteil daran hatte auch Sideman Claus Raible, der sich mit seinem expressiven, zugleich ökonomischen Spiel wieder einmal als einer der wichtigsten jungen Pianisten präsentierte – und sich dabei auch nicht von der Roland- „Schweineorgel“ unterkriegen ließ, die ihm zur Verfügung stand. Auch Schwallers Schlusswort traf den richtigen Ton: „Support your local Jazz-Musicians“, gab er wie immer dem Publikum mit auf den Heimweg. Wie man sieht, geht das auch mit einem Besuch im Bierzelt. Oliver Hochkeppel |
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