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Schon das technische Begleitschreiben an die Veranstalter ist ungewöhnlich. Ganz genau wird darin das erwünschte Drumset umrissen, vor allem aber alles Ungeeignete aufgelistet, mit der Quintessenz: „Wenn ein nagelneues Rockschlagzeug und ein altes Jazz-Drumset zur Auswahl stehen, bevorzugen wir immer Letzteres.“ „Das soll nicht arrogant sein, wir wollen das nur von vornherein regeln, weil wir schon so viele Scherereien hatten“, erzählt Bandleader Nils Wogram.
Ungewöhnlich ist einiges bei „Root 70“, dem mit dem Altsaxophonisten Hayden Chisholm, dem Drummer Jochen Rückert und dem Bassisten Matt Penman besetzten Quartett des Posaunisten Wogram, das sich vor etwa vier Jahren an der Kölner Musikhochschule zusammen fand. Zum Beispiel, dass man bei der aktuellen Tournee, die in Deutschland am 16. Februar im Nightclub des Bayerischen Hofes München anlief, in Sälen bis zu 200 Personen unplugged auftritt. Das kann man nicht mehr oft erleben, und es kommt dem filigranen Sound der Truppe sehr entgegen. Neue Bescheidenheit könnte man das programmatisch benennen, was Wogram und die Seinen da im Nightclub vorstellten. Zwar ist bei Root 70 jedes Experiment erlaubt und die gesamte Musikgeschichte der Steinbruch für die eigenen Klanggebilde, doch fast möchte man Verbotsschilder auf den Notenständern vermuten, die ein Zuviel, ein Überspielen und jede Form von Redundanz unter Strafe stellen. Stellvertretend dafür steht das feingliedrige, ganz auf das Wesentliche reduzierte Schlagzeug des perfektionistischen Tüftlers Jochen Rückert. Das übliche Drummer-Muskelspiel sucht man bei ihm vergeblich. Kraftmeiereien blieben den beiden Bläsern vorbehalten. Doch ob Wogram mit Growls und Dämpfer Ellingtoneske Jungle Music vorgab, ob er Ethno-Anklänge, Minimal Music, Blues oder Soundspielereien mit Harmonika und Obertongesang einbaute – nie wurde der melodische Fluss erdrückt. So gelingt dem Quartett ein echtes Kunststück: Gefällig zu bleiben, obwohl die Stücke vor ungeraden Metren, fiesen Rhythmuswechseln und avantgardistischen Sounds nur so strotzen. Auch als Komponist und Bandleader setzt Nils Wogram damit ein unüberhörbares Signal der mittleren, nachdrängenden Generation, nachdem er spätestens seit seiner Zusammenarbeit mit Aki Takase und Simon Nabatov bereits als interessanteste neue Posaunenstimme der deutschen Szene gilt und manche in ihm schon den legitimen Nachfolger von Albert Mangelsdorff sehen. Nils Wogram und sein Quartett wissen nicht nur genau, was sie wollen, sie wissen auch, wie sie es erreichen können. Oliver Hochkeppel |
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