Anzeige |
|
|
Anzeige |
|
„Hängen Sie sich rein“, forderte Hendrik Haubold, Moderator und künstlerischer Leiter des Festivals, sein Publikum auf am Eröffnungsabend der dritten Leipziger „Strings Of Fire“. Der große Gewandhaussaal war ordentlich gefüllt und Warner Classics schnitt mit. Klare Signale, wie diese dritte Werkstatt nicht-alltäglicher Musik angekommen ist in der Musikstadt. Nach sieben Konzerten in drei gut besuchten langen Nächten sollte der Stellenwert weiter gestiegen sein. Nur die Zappa-Fans werden sich mehr versprochen haben, schließlich prangte der Kopf ihres Favoriten vom Festival-Plakat. Enttäuscht waren sie dennoch nicht, bescherte ihnen doch das Konzert der reanimierten „Mothers Of Invention“ einen seligen Trip nach Weißt-Du-Noch. Vor fast 40 Jahren gegründet, waren sie das ideale Sprungbrett
für Zappas Eskapaden. Irgendwann setzte er sie ohne die Gefährten
der ersten Stunde fort. Die leben wieder, jetzt wo Zappa zehn Jahre tot
ist. Sie leben als altväterliche Großmütter um die 60
und in einer die Gemeinde unterhaltenden Spaßformation mit gebremsten
Ausflügen ins Experimentelle. Behäbig (und warum eigentlich
im ersten Teil vor elf Streichern) näherten sie sich in schwarzen
Anzügen und Fliegen dem unikären Universum ihres Maestro, ehe
sie den zweiten Teil des Abends hemdsärmelig und allein bestritten.
Es gab gedimmten Rock’n Roll mit Bar-Appeal und schöne ironische
Explosionen. Es gab die Sängerlegende Napoleon Murphy Brock aus
der zweiten Zappa-Reihe, der gezwungen und musicalmäßig demonstrierte,
wie sehr eine Rockband von ihrem Frontmann abhängt. Der fehlte,
und eine Größe passte nicht mehr allen. Reijseger aus der europäischen Improvisations-Szene hat sein Cellospiel vom Vorhersehbaren befreit. Er hat die Traditionen verinnerlicht, um sich von ihnen zu lösen. Er fädelt den Bogen durch die Seiten, schleift sein Instrument knarzend über den Boden, spielt es wie eine Gitarre und trommelt auf ihm. Er pfeift, summt und wird theatralisch. Er zieht die Töne und schlägt die Arpeggien, wobei er den Mendelssohn-Saal ausschreitet und die Spannung hält. Es ist, als wäre Telepathie im Spiel, wenn sich dort in den ungesicherten Raum hinein die ernste Schwermut des alten Afrika senkt. Sylla geht sparsam mit ihr um auf seinem Weg in den europäischen Konzertsaal, und plötzlich ist sie da, die berückende Schönheit kleiner Melodien, die durch die Hintertür der Welt gekommen ist. Die beiden schufen jene seltenen Momente knisternder Spannung, die tief emotionsgeladen sind und sich auf ein staunend den Atem anhaltendes Publikum übertragen. Sie gaben der Festivalprogrammatik einen tieferen Inhalt von irritierender Schönheit. Hendrik Haubold hatte seinen Superlativ, den er in unerschütterlicher Penetranz vor jedem Konzert versprach. Das Wiener Streichtrio Triology mit dem Ausnahmegitarristen Wolfgang Muthspiel kam dem mit seiner schelmisch-österreichischen Kronos-Weltmusikvariante am nächsten. Die drei schönen südkoreanischen Ahn-Schwestern waren anmutig, gut anzuschauen, aber in ihrem Programm etwas beliebig. Das schwedische Fleshquartett mit dem Trompeter Goran Kajfes war gleichförmig laut und frappierend banal. Die Akkuratesse des grandiosen Leipziger Streichquartetts ertrank in den gewollten Musikgeschichtskaskaden des Pianisten Stephan König. Manchmal wäre weniger mehr, auch das bewiesen diese drei spannenden Tage. Ulrich Steinmetzger |
|