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Wie Fort Knox prangt das „hochschulzentrum am horn“ als zweiflügeliger Symmetriebau überm Carl-Alexander-Platz. Oder über der Stadt wie Kafkas Schloss. Den Platz dominieren Container und Bauzäune, den Bau dominiert die Gediegenheit des Unumstößlichen, dem man die ehemalige Russenkaserne nicht im Entferntesten mehr ansieht. Umbau Ost in der Nussschale. Alles bleibt anders. Ganz besonders in Weimar, Deutschlands kulturgesättigtester Provinz im tiefsten Thüringen. Kulturhauptstadt zwischen Klassik und Bauhaus, zwischen Nietzsche und Liszt, nationalem Theater und nationalsozialistischer Schuld. Nest und Pilgerziel. Ort des Erinnerns und des Bewahrens. Woher? Wohin? Nirgends sind die Fragen so sinnfällig gebündelt wie hier. Weimar ist ein problematischer Standort. Weimar ist das, was man daraus macht. Franz Liszt zum Beispiel hatte einst die Idee einer Schule, die über das Gesicherte hinausweisen sollte. Später ist der Gedanke unter seinem Namen umgesetzt worden. Die Hochschule für Musik steht stolz und barock im Zentrum und wirft ein tönendes Netzwerk über die Stadt. Zum Zentrum am Horn etwa, wo das Institut für Jazz sitzt. Oder sollte man sagen: Residiert? Man sollte, denn hier wird unter nahezu optimalen Bedingungen der Jazz gelehrt. Ungefähr ein Dutzend vergleichbarer Schulen gibt es in Deutschland.
Weimar wird einem in diesem Kontext nicht sofort einfallen, weil der
Jazz die Musik der Metropolen ist. Doch Weimar leistet Erstaunliches
und verfügt über die bis in DDR-Zeiten reichende Tradition
einer „Tanz- und Unterhaltungsmusikabteilung“. Hier kann
ein Jazz-Diplom erworben werden unter der Anleitung einer hoch motivierten
und dauerhaft ein ästhetisches Konzept verfolgenden Ausbildungsmannschaft,
der Kontinuität wichtiger ist als ein kurzfristiger, mehr das eigene
Finanzloch stopfender Lehrauftrag. Ungefähr 16 Mal ist Manfred Bründl bereits umgezogen. Wenn er von seinem Institut erzählt, versteht man, warum er in Thüringen bleiben wird. An der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Graz hat er studiert. Auf großen internationalen Festivals ist er aufgetreten. Mit Tomasz Stanko, Heinz Sauer, Barry Altschul oder Zach Danziger hat er aufgenommen. Er war Dozent an der Universität Mainz und für das Goethe-Institut in Asien, Afrika, Amerika und Kanada unterwegs. Jetzt sieht es ganz so aus, als wäre er angekommen. Angekommen in einem Dozententeam, mit dem er etwas bewegt, mit dem Schlagzeuger Jo Thönes, dem Posaunisten Ansgar Striepens, den Sängern Michael Schiefel und Jeff Cascaro, dem Saxophonisten Wolfgang Bleibel, dem Pianisten Leonid Chizhik, dem Trompeter G. Bernhard F. Mergner, dem Gitarristen Frank Möbus, Wieland Reissmann (Jazztheorie) und Herbert Lindenberger (Jazzgeschichte). Manfred Bründl ist angekommen bei einer pädagogischen Aufgabe, die die Anstrengungen lohnt. Er redet davon, dass hier zwischen Schülern und Lehrern ein offenes Geben und Nehmen herrscht, dass die Älteren Erfahrungen bis hin zur Vertragsgestaltung, zu GEMA und KSK weitergeben. Er redet von einer geplanten Vernetzung mit europäischen Jazzschulen und von der Vorbereitung auf das Überleben auf einem engen Markt, von Erziehung zur Selbständigkeit und geförderter Individualität. Er redet von interaktivem, eigenschöpferischem Arbeiten, von Beraten vor Dozieren, von der Suche nach dem eigenen Ton für das Leben nach Fort Knox. Bründl ist inzwischen im Landesmusikrat Vorsitzender des Ausschusses
Jazz, und in diesem Zusammenhang spricht er gerne davon, wie sein Institut
mittlerweile über Weimar hinaus im Land Thüringen Fährten
legt. Ulrich Steinmetzger
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