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Wirbelwind, einschmeichelnder Tastenzauberer, umtriebiger Kobold, fantasievoller Keyboardwizard. Vokabeln, Begriffe, die eine bestimmte Richtung vorgeben, Zuschreibungen mit denen der in Frankreich lebende Pianist Jasper van’t Hof gern belegt wird. Ergänzt man diese Vorstellungen noch um sein populärstes Projekt, die Afro-Dance-Band „Pili Pili“, dann entsteht ein Bild vom ewig munteren, auf der Bühne und seinen Instrumenten – Synthesizer, Keyboards, Flügel – voller Tatendrang herumwirbelnden, expressiven Musiker. Vielleicht sogar das eines, ein wenig clownesken Zampano. Ein wenig stimmt es ja auch, erlebt man den Holländer mit dem jungenhaften Charme und großem Herzen. Sicher trägt sogar sein rotblonder, ungebärdiger Haarschopf zum funkensprühenden Stereotyp bei, wie der drollige Schnauzbart, der ihm etwas schalkhaftes verleiht. Nach 55 Jahren sind darin kaum graue Strähnen zu finden. Von den Äußerlichkeiten sollte man sich nicht täuschen lassen. Hinter wirrer Frisur und gewinnender Ausstrahlung stecken ein streitbarer Geist, analytische Schärfe und durchsetzungsfähige Entschlossenheit. Beim knapp terminierten Interview vor der Abfahrt zum nächsten Auftrittsort fegt der Bandleader, der Bus, Band und Tourplan gut im Griff hat, den vorbereiteten Fragenkatalog souverän beiseite. „Happiness und Melancholie liegen sehr nahe zusammen“, reagiert der Pianist noch auf die erste Frage, „Kontraste sind eng miteinander verbunden!„ Viele Musiker, und natürlich meint er sich (auch) damit, würden nur aus einem kommerziellen Blickwinkel wahrgenommen. Was wie eine verächtlicher Vorwurf klingt, ist Wegmarke für ein gleichermaßen leidenschaftliches Plädoyer für Inspiration, kreative Intelligenz und das immerwährende Wagnis einer weltzugewandten Offenheit, wie donnernde Schmähung unseres Systems des Spezialistentums, einer Art intelligenter Doofheit. Die Substanz zum Schreiben einer Komposition, gibt sich van’t Hof überzeugt, „ist keineswegs abhängig von Intellektualität“. Und Stockhausen, zieht er ein dankbares Beispiel heran, „ist derart intellektuell eingepfercht“, dass seine Musik keinen Zugang mehr bietet. Er wolle „keine solche CD mehr aufnehmen“, die wie ein unverständlicher Wissenschaftler nicht nachprüfbar sei. Van’t Hofs Credo ist die Improvisation: „Da musst du vom ersten Ton den Rahmen kennen, die Interaktion und musst wissen, wo bewegst du dich drüber, wo drin.“ Und der energische Holländer weiß wovon er spricht: „Seit 35 Jahren improvisiere ich, weiß aber nicht ob ich Jazzmusiker bin.“ Aber, zitiert er Brendel und Gulda: „...ich weiß, was ich tue!“ Vergangenen November tat er etwas für ihn Seltenes. Im Sendesaal von Radio Bremen setzte er sich unter optimalen akustischen Voraussetzungen an den bereitgestellten Flügel und… – improvisierte. Komponierte Stücke, die er mitgebracht hatte, blieben liegen. Peter Schulze („einer der besten deutschen Rundfunkproduzenten“) hatte ihm einen wunderbaren Flügel hingestellt – „dann bist du ganz allein in deiner Welt“. Das Ergebnis dieser Aufnahmesession, der im Januar noch ein zweiter Termin folgte, kommt diesen Monat auf den Markt. Es ist Jasper van‘t Hofs erstes Solorecital im Studio seit einem Vierteljahrhundert. 25 Jahre nach „Flowers Allover“ enthüllt der begnadete Musikant mit „Axioma“ Schichten seiner Persönlichkeit, die vordergründig nur selten zu hören und zu erleben sind. Bei intimen Duo- und Trioaufnahmen mit Bob Malach und Ernie Watts kommen gelegentlich ähnliche Stimmungen aus den Eingeweiden des Konzertflügels. In fünfzehn Titeln von „The Countdown“ bis zu den (wieder) hochaktuellen „Friedenszungen“ („Peace tongues“) ist in gedanklicher Auseinandersetzung mit „Gödel – Escher – Bach“ ein überwiegend nachdenkliches Album entstanden. Mit „dem Klavier als einzigem Partner“ liegt das Gewicht eindeutig auf getragenen Stimmungen, sensiblen Klangauslotungen und impressionistischen Farbgebungen. Zwar finden sich auch fröhliche und komische Ausbrüche, der Grundtenor ist jedoch ein anderer. Manche seiner Ideen weisen eine Bachsche Strenge
und Klarheit auf, dann führen ihn die Inspirationen zu Debussy oder
er erweist dem Cooljazz Reverenz. „Als Europäer kann ich nur
das darstellen“,
erhellt van´t Hof seine Bezugspunkte und stellt noch einmal die
Frage nach der Aktualität des Jazz. Jenny-Clarke am Bass aufgenommen hatte: „In der Jugend habe ich zehn Töne gebraucht, zehn Jahre später waren es dann sieben Töne, wieder 15 Jahre später vier Töne für ein und den selben Ausdruck. Nun, mit 50, reicht mir ein Ton, um alles zu sagen.“ Ein paar mehr Töne enthält Axioma schon und zu sagen hat uns der wunderbare Pianist ein Menge. Michael Scheiner |
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