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Er lehnt sich zurück nach dem Konzert. Gut aufgelegt, verausgabt, aber nicht erschöpft, relaxt und mit jener Art zu sprechen, die selbst einfache Aussagesätze in Blues-Phrasen zu verwandeln vermag. Jazz-Talk mit dem „Little Giant“.
Er selbst wollte nie so genannt werden. Kleinwüchsig und ein Gigant auf seinem Instrument, das ist er wohl. Als „schnellster Tenorsaxophonist der westlichen Welt“ apostrophiert, als ein gefürchteter Herausforderer in Tenor-Battles, als ein Altmeister, der die jungen Talente, die „Young Lions“, in Schrecken versetzt – nichts dergleichen stimmt wirklich. Johnny Griffin erweist sich als einer der Umgänglichen, Freundlichen unter den Jazz-Größen, der nicht jeden Katzensprung mit einer Limousine befördert werden will und dessen Catering-Wünsche sich sympathisch bescheiden in Grenzen halten. Angesprochen auf „the state of jazz“, meint Johnny Griffin, es sehe doch gar nicht schlecht aus. Und den Jungen, fehlt denen etwas? Sie sind glänzend ausgebildet, nur die Atmosphäre, in der er aufgewachsen ist, sei eben eine andere: „Bereits im Alter von vierzehn Jahren spielte ich mit Blues-Legenden wie T-Bone Walker. Mit sechzehn, siebzehn Jahren – das war während des Krieges, als viele Jazzmusiker eingezogen waren – trat ich in den Klubs auf, jede Nacht.“ Es sind drei Aspekte, die Johnny Griffin hervorhebt: der Kontakt mit Blues-Brothers wie T-Bone Walker, Memphis Slim und Muddy Waters, die Zusammenarbeit mit den großen Sängerinnen des Jazz wie Ella Fitzgerald, Dinah Washington und Betty Carter und schließlich die Mitwirkung in den seiner Zeit stilprägenden Big Bands. Johnny Griffin war sechzehn, als ihn Lionel Hampton für seine Band engagierte, in der er vom Alt- zum Tenorsaxophon umsattelte. Nach zwei Jahren bei Hampton schloss er sich einer Gruppe um den Trompeter Joe Morris an, dann dem Quartett um den Schlagzeuger „Papa“ Jo Jones und einem Septett um den Tenorsaxophonisten Arnett Cobb. „ Saxophon spielen“, bekennt Johnny Griffin, „hat mir das Leben gerettet.“ Das meint er ganz allgemein, im Sinne eines Lebenselixiers, aber auch konkret bezogen auf seine Zeit in der US-Army, Anfang der fünfziger Jahre. Sieben, mit ihm gemeinsam eingezogene Schwarze, starben im Korea-Krieg. Johnny Griffin hatte Glück. Er durfte mit einer Militärband zur allabendlichen Unterhaltung der Offiziere in Honolulu auf Hawaii aufspielen. Auf seinen Stil angesprochen, zählt Johnny Griffin die große Ahnenreihe der Saxophonisten auf: von Lester Young und Johnny Hodges bis zu Charlie Parker. Schon auf dem Altsaxophon wollte er möglichst volltönig klingen, auf „seinem“ Instrument, dem Tenorsaxophon bevorzugt er die mittleren und höheren Bereiche, durch die er in atemberaubender Geschwindigkeit musikalisch zu surfen versteht. „Nicht die Schnelligkeit“, so Johnny Griffin, „ist das Geheimnis, sondern die Intensität.“ Dabei hat er doch auch einmal zugegeben: „Früher ärgerte es mich geradezu, wenn ich einmal Luft holen musste.“ Im Laufe eines langen Musikerlebens hat er sich das gesamte Ausdrucksspektrum des Tenorsaxophons zu eigen gemacht: von schwindelerregenden Läufen bis zu lang ausgehaltenen Tönen balladesker Nachdenklichkeit. Geboren am 24. April 1928 in Chicago, jener Stadt, in der die von New Orleans zugewanderten Musiker Erfahrungen mit dem Blues machten, ist auch Johnny Griffins Spiel gänzlich vom Blues beeinflusst. Auf den Blues angesprochen, antwortet Griffin kurz und bündig: „Er ist immer da.“ Zu den prägenden Stationen in den fünfziger Jahren zählte
ein halbjähriges Engagement in der besten Schule des Hardbop, die
man sich denken kann: bei Art Blakey’s Jazz Messengers. Ein Jahr
später, 1958, spielte er, wiederum waren es sechs Monate, mit einem
der genialen Außenseiter des modernen Jazz, dem unvergleichlichen
Thelonious Monk. Anfang der sechziger Jahre entstand eine Quintettbesetzung
mit Eddie „Lockjaw“ Davis. Der Titel eines der eingespielten
Alben charakterisiert ihre Musik: „Tough Tenors“. Anfang der 80er zog es Griffin zurück nach Frankreich. Dort ist er jetzt zu Hause, auf dem Land, fern von Paris und sogar eine Stunde von der nächsten Bahnstation entfernt. Was für eine Sehnsucht nach innerer Ruhe muss er, der ja noch immer mit seiner Band und als Solist rund um die Welt reist, angestaut haben… Über die Franzosen weiß er nur Bestes zu berichten: „Sie lieben den Jazz, weil sie ihn als eine Art von Kunst begreifen. Manchmal denken sie gar, sie hätten den Jazz erfunden.“ Dass das freilich nicht stimmt, weiß Griffin allzu gut. Jazz, betont er, „comes from the black experience“. Trotz allen Drucks, hat Johnny Griffin nie Protestmusik spielen wollen. Im Jazz, wie er ihn versteht, geht es darum, sich gut zu fühlen, allen Widrigkeiten zum Trotz. Solche Art des zeitweisen Aufgehens in Musik könne kathartische Wirkungen erzeugen. Und um es zu bekräftigen, fügt er an: „I decided to feel good, man.“ Bert Noglik
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