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Das Schicksal hatte es mit Ruby Braff nicht allzu gut gemeint. Das Unglück nahm schon mit seiner Geburt, 1927 in Boston seinen Lauf. Rund 20 Jahre zu spät. Denn die Songs, die er scheinbar wie die Muttermilch aufgesogen hatte und die ihn ein Leben lang begleiten sollten, galten als Ruby Ende der 40er Jahre, noch als Teenager seine Karriere aufnahm, bereits als „old fashioned“. Inzwischen spielte man andere Lieder. Doch Ruby hielt ebenso kompromisslos an den alten Songs aus Dixie und Swing fest, wie an dem damals bereits nicht minder obsoleten Kornett. Selbst Louis Armstrong war längst zur Trompete gewechselt und erlaubte sich mit rollenden Augen und breitem Grinsen Ausflüge in die Welt des Pop. Nicht so Ruby. Er wäre wohl lieber verhungert, als seine Musik zu verraten. Fast wäre Ruby Braff auch gleich mehrfach buchstäblich verhungert, wären da nicht Freunde gewesen, die ihm immer wieder unter die Arme gegriffen haben. Allen voran sein Jugendfreund George Wein, der Ruby zunächst Arbeit in seinem Storyville Club in Boston gab und ihn später, auch noch in den 60er und 70er Jahren immer wieder in seine Newport All Stars geholt hatte. Doch selbst George hatte so dann und wann seine liebe Mühe und Not mit Ruby. Denn der konnte höchst launisch und eigensinnig sein. Ruby Braff war ein Misanthrop, der es einfach nicht verstehen wollte, dass ihm die Welt nicht zu Füssen lag, wo er doch so unvergleichlich Kornett spielte. Und eigentlich begann Ruby’s Karriere zunächst sehr viel versprechend. 1953 buchte der unermüdliche „Talent-Scout“ John Hammond für das Vanguard-Label Ruby Braff zu einer Plattensession mit Vick Dickenson. Der Knüller an der famosen, bis heute verkauften Scheibe war ohne Frage Ruby Braff. Sein ebenso lyrisches wie angriffslustiges Spiel weckte aufs Neue Lust an der damals bereits untergegangen Swing Ära. Über Nacht entdeckten so Jazz Platten Sammler in aller Welt, dass mit Ruby Braff ein Stern aufgegangen war, der den Glanz vergangener Tage in neuem Licht erstrahlen ließ. Das war die Geburtsstunde des Mainstream. Des ersten, sogenannten klassischen oder traditionellen Mainstream, mit Ruby Braff als Vorreiter. Ausgerechnet Ruby, der spätgeborene Newcomer hatte hier eine Lawine losgetreten, auf der viele Stars von Gestern noch lange schwimmen sollten. Nur Ruby drohte darin unter zu gehen. Daran änderten auch überschwängliche Kritiken, sowie seine Wahl zum „neuen Trompetenstar des Jahres 1955“ im begehrten Down Beat Critics Poll nichts. Denn Ruby stand sich immer selbst im Weg. So schrieb er Mitte der 50er, kurz nach Aufnahmen und Tourneen mit Benny Goodman, Buck Clayton und Bud Freeman an einen Freund in England: „Seit Wochen bin ich nicht mehr aufgetreten. Ich bin völlig verzweifelt. Ich bekomme keine Engagements, es sei denn ich spiele umsonst, gebe meinen Stil auf und versuche wie Miles Davis oder weiß der Himmel wer zu tönen.“ Was er dabei vergisst zu erzählen ist, wie er alle seine Kollegen, sowie zahllose Manager und Fans immer wieder bis aufs Blut gepeinigt und beleidigt hat. Anekdoten, die Bände füllen und die dazu führten, dass Ruby in seinen letzen Jahren vielleicht nur noch zwei oder drei Menschen auf dem Globus hatte, die seine Grobheiten ertrugen und zu ihm hielten. Etwa sein englischer Manager Dave Bennett und Matt Domber, der Präsident von Arbor Records, wo alle Aufnahmen seiner letzten Dekade erschienen sind. Ein Jammer, denn der Musiker Ruby Braff wusste mit seinem Horn nur von der Schönheit dieser Welt zu berichten. Stets geschmackvoll, oft mit überraschenden Wendungen, makellos, virtuos und völlig eigenständig. Bleibt also mehr die Erinnerung an den Musiker als an den Menschen Ruby Braff. Jeder, der ihn auch nur einmal gehört hat wird ihn immer wieder erkennen. Keiner erforschte die tiefen Register des Kornetts so weit wie Ruby und keiner hatte einen so weichen und warmen Ton. Lyrik pur, ohne falschen Schmelz, wie man es noch heute nachhören kann auf den Alben mit Buck Clayton oder im Duo mit dem im letzen Jahr verstorbenen Ellis Larkins am Klavier, beide aus den 50ern. Dann natürlich die kammermusikalischen Aufnahmen aus den 70ern, als Ruby zusammen mit dem Gitarristen George Barnes ein pianoloses Quartett leitete. Die einzige Formation mit der Ruby länger als ein Jahr gearbeitet hat. Und schließlich jene sich selbst verzehrenden, leidenschaftlichen, bisweilen die Grenzen der traditionellen Harmonik sprengenden, virtuos jubelnden Aufnahmen mit Mel Powell, wieder aus den 50ern. Und last not least die zahllosen LP’s und CD’s die Ruby im Duo mit Dick Hyman seit den 70ern aufgenommen hat. Zuletzt im staubgeschwängerten N.Y.C., dort eingespielt, nur einen Tag nach der Katastrophe vom 11. September 2001. Hans Ruland CD Tipps
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