Anzeige |
|
|
Anzeige |
|
John Coltrane war ein Suchender. Die in den 50er-Jahren im Jazz üblichen Akkordverbindungen waren ihm zu wenig, er sehnte sich nach neuen harmonischen Möglichkeiten. Am Klavier probierte er vieles aus, und aus den musikalischen Fragen, die er sich stellte, entwickelte er Kompositionen. „Giant Steps“ ist eines der Ergebnisse. Das gleichnamige Album ist das erste, auf dem ausschließlich Coltranes Eigenkompositionen zu hören sind. Vor allem die Harmonik von „Giant Steps“ ist bemerkenswert. Sie wechselt in schneller Abfolge zwischen drei tonalen Zentren im Abstand von großen Terzen (H-Dur, G-Dur und Es-Dur), welche jeweils durch Dominanten oder II/V-Kadenzen vorbereitet werden. Dieses harmonische Prinzip wendete Coltrane auch noch in einigen anderen Stücken an, und es ging als „Coltrane Changes“ in die Jazz-Harmonielehre ein. Doch eigentlich hat er es nicht erfunden. Die gleiche Struktur kommt auch schon in „Have You Met Miss Jones?“ vor, einem bekannten Jazz-Standard von Richard Rodgers aus den 30er-Jahren. Die Bridge dieser Komposition bewegt sich durch die Tonarten Bflat-Dur, Ges-Dur, D-Dur und wieder nach Ges-Dur. Analysiert man die ersten fünf Takte von „Giant Steps“, so stößt man auf das gleiche Prinzip, nur einen Halbton höher (H/G/Es/G) und in einem anderen harmonischen Rhythmus, und auch im fünften Takt beginnend ist es zu finden (G/Es/B/Es). Der Name „Giant Steps“ („Riesenschritte“) geht auf die ungewöhnliche Grundtonbewegung zurück, in der keine Sekundschritte, also lediglich größere Intervalle vorkommen. Außerdem bezeichnet „Giant Steps“ ein Kinderspiel, auf welches sich die afroamerikanische Dichterin Betty H. Neals in einem Text bezieht, den sie zu Coltranes Komposition verfasste: „Life, when we were kids – was like playing giant step...“ Das Stück jedoch ist alles andere als ein Kinderspiel. Es zu meistern sehen zahllose Jazzmusiker bis heute als Herausforderung und hervorragende Übung. John Coltrane dient ihnen dabei als leuchtendes Vorbild. Julian Schunter Beachten Sie unsere Transkription Ausgabe 1-13/S. 21 |
|