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Eine Szene tritt aus der Nische. Mit Marcus Füreders DJ-Projekt Parov Stelar hat der Electroswing die großen Hallen erreicht. Und er ist mehr als eine Impfung der Generation Party mit dem Serum der Dreißiger. v.l.n.r.: Max The Sax, Cleo Panther und der Trompeter Jerry Di Monza Da ist zum Beispiel die Sache mit dem Tänzer, auf dessen Videos man bei Youtube auf der Suche nach Parov Stelar zwangsläufig stößt. „Das lief völlig unabhängig von uns,“ erzählt Marcus Füreder. „Das ist ein junger Kanadier, der zu Stücken von uns in seinem Keller tanzt und seine Videos ins Internet stellt. Ich fand diese Videos lustig und so habe ich sie selbst weiter gepostet. Seitdem entwickelt das eine Eigendynamik. Ich bekomme immer wieder Mails, wo es heißt: Parov Stelar, sie sind so ein großartiger Tänzer! Dabei bin das gar nicht ich! Schon lustig, wo diese ganze Internet-Geschichte manchmal hinführt“. Geholfen ist in diesem Fall allen Parteien. Der Clip zu „Catgroove“ hat die zweistellige Millionenmarke der Aufrufe längst überschritten. Der Tänzer geht unter dem Signum TakeSomeCrime eigene Wege und Parov Stelar haben bewiesen, dass ihre Musik auch ohne große Werbemittel den Weg auf die Festplatten der Hipster findet. Dafür haben sie noch nicht einmal etwas grundlegend Neues erfinden müssen. Denn Electroswing ist eine Hybride mit vielen Wurzeln. Nu Jazz zum Beispiel gehört dazu, einer der Versuche der Neunzigerjahre, die synthetischen Experimente der Techno- und Clubbing- Ära durch Angejazztes aufzuhübschen. Oder manche Seitenlinie des Rare Groove, des Swing-House aus Chicago, die Lindy-Hop-Bewegung, Franco-Clubbiges aus den Neunzigern gemischt mit etwas Mojo-Sound der Hamburger Party-Schule und einem Hauch von Wien, das vor eineinhalb Jahrzehnten, wenn auch weitgehend folgenlos, schon einmal mit den Stilbruchstücken der swingenden Vergangenheit experimentierte. Viele Einflüsse spielen hinein, doch damit daraus eine stimmige Mixtur werden konnte, half der Zufall etwas nach. Zunächst brauchte es einen Bastler wie den Linzer Marcus Füreder, Kunststudent, Grafikdesigner, Musikkonvertit, der sich als Selbständiger in der bunten Studioszene durchschlug, und dem eines Nachmittags ein kleines Missgeschick passierte: „Auf die Idee für den Electroswing bin ich durch eine Art Unfall gekommen, als in meinem Studio im Hintergrund eine Billie-Holiday-Platte lief. Die blieb hängen und es entstand so ein cooler Loop, dass ich das gleich gesampelt und daran weitergearbeitet habe“. Füreder war fasziniert, denn die Idee ließ sich mit ein wenig musikalischer Fantasie und gestalterischer Geschicklichkeit ausbauen. Und er war überrascht, dass sich bislang kaum jemand konsequent daran gewagt hatte, die Tanzmusik des frühen Entertainments mit der Party-Sause der Gegenwart zu kreuzen. Das war vor etwa einem Jahrzehnt. Als Füreder daraufhin nach langem Basteln an Sounds und Grooves eine Plattenfirma suchte, wurde er allerdings nicht gerade enthusiastisch empfangen. Es herrschten die Jahre der Hysterie, als der Industrie die Kunden abhanden kamen, Vertriebswege zusammenbrachen und man sich lieber an Strohhalme des Konservativen à la Norah Jones klammerte, anstatt junge Künstler aufzubauen. Immerhin, die EP „Kiss, Kiss“ erschien, fand erste Fans unter anderem beim österreichischen Jugendsender FM4 und Marcus Füreder begann, als DJ unter dem eingängigen Markennamen Parov Stelar („Der Name bedeutet eigentlich gar nichts. Vor etwa 15 Jahren habe ich diesen Namen für mich entdeckt und als sich beim Googeln herausstellte, dass sich dafür keine Treffer ergaben, dachte ich mir: Das ist ja gut so, das behalte ich bei! Es ist einfach ein Phantasiename“) um die Welt zu reisen. Nach zwei, drei Jahren wurde ihm das zu einsam und er suchte sich Musiker, die den Sound auch auf der Bühne mittrugen. Aus der Idee war eine Band geworden. Inzwischen sind acht Alben in wechselnden Besetzungen auf dem eigenen Label Etage Noir erschienen und das nächste mit dem Titel „The Invisible Girl“ steht in den Startlöchern, ein Trio übrigens, das wieder neue Klangkonstellationen eröffnet. Parov Stelar hat es geschafft, sich mit seiner Mixtur und gutem Timing an die Spitze des Trends zu katapultieren. Allerdings ist er schon lange nicht mehr allein mit der Idee des Electroswings. Frankreich hat mit Caravan Palace eine eigene Formation mit dem Fokus auf Django Reinhardt und dem Gypsy Sound. Den Berliner Touch mit deutschen Texten zwischen Comedian Harmonists und Max Raabe bringt Andy La Toggo in die Clubs, London veranstaltete bereits 2011 ein eigenes Electro Swing Festival, dessen Derivate im „Book Club“ derzeit zu den beliebten Szene-Events der Stadt gehören. Labels wie Freshly Squeezed Music, Wagram Music, Jazz & Milk Recordings oder Dope Noir sorgen für tanzbaren Nachschub, zahlreiche Sampler versuchen außerdem bereits aus dem zarten Trend-Pflänzchen Kapital zu schlagen. Marcus Füreder lässt sich dadurch nicht beirren. Er experimentiert weiter und die Beharrlichkeit, mit der er immer neue Kombinationen von Bytes und Beats generiert, sorgt dafür, dass Parov Stelar sich nicht am eigenen Konzept abnützt. Letztlich geht es ihm auch nicht um die Party, sondern um das Spiel mit den Haltungen, den Ausdrucksformen, den Stilen. „Jazz ist für mich mein persönlicher musikalischer Urlaub. Er muss mit, ist eine Musik, in der Fehler erlaubt sind, die aber Freiheit bedeuten.“ Und das ist genau, was die Clubs brauchen. Text/Foto: Ralf Dombrowski
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