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Okwui Enwezor hatte eine Vision. Dem neuen Direktor des Münchner Hauses der Kunst schwebte die Haltbarmachung eines flüchtigen Phänomens vor, das sich seinerseits in zahlreiche, nicht zwangsläufig sich korrespondierende Bedeutungsebenen auffächert. Er wollte Musik ausstellen, sichtbar machen. Er wollte zugleich die Befreiung der afroamerikanischen Kultur in einer originären Kunstform dokumentieren, das Thema der soziokulturellen Migration ansprechen, die ästhetische und kreative Arbeit des Produzenten Manfred Eicher würdigen und den Münchnern eine Ausstellung aus ihrer Mitte geben. Darüber hinaus wollte er natürlich einen pfiffigen Einstand seiner Arbeit als Kurator bieten, der ihm für andere, womöglich abseitigere Projekte durch prinzipielle Akzeptanz des Publikums und der Presse den Rücken freihält. Und nicht zuletzt gehörte auch noch ein Quäntchen biographische Nostalgie dazu, Erinnerungen an musikalische Meisterstücke, die die eigene akustische Sozialisation geprägt haben und sich in einem kleinen Ausblick in die Gegenwart holen lassen. Vielfalt als KonzeptSo gestaltete der frühere Leiter der Documenta in Kassel und zahlreicher über den Globus verteilter Biennalen eine Hybride, die all dem in unterschiedlichem Umfang gerecht wurde und dadurch großen Zuspruch erhielt. In dem Dokumentarfilm „See The Music“ von 1971 beispielsweise, der den Besucher als Projektion im Treppenhaus empfing, erklärte der Trompeter Leo Smith dem jungen Kontrabassisten und Workshopteilnehmer Manfred Eicher die freie Musik und deren afroamerikanische Basis. Peter Greenaways Film-Portrait von Meredith Monk im Rahmen der Reihe „Four American Composers“ von 1983 thematisierte das Amerikanische in der Kunst an sich, Video-Experimente wie „Long Sorrow“ mit dem frei solierenden Saxofonisten Jemeel Moondoc waren mehr Klang/Bildinstallation als Musik. Foto: Ralf Dombrowski Überhaupt wurde vieles angerissen: die frühen Jahre von ECM, sinnsuchend, stilsuchend gemeinsam mit den Künstlern von der europäischen Avantgarde bis zur „Great Black Music“, fotografisch dokumentiert etwa von Roberto Masotti; oder die zahlreichen Devotionalien der kammerjazzigen und zeitgenössischen Musikkultur, versinnbildlicht in einer großen Coverwand mit Plattenhüllen und der Wand der Mastertapes mit echten, zum Teil noch unveröffentlichten Aufnahmen. Der sanfte Flirt von ECM mit der Filmmusik bekam ein Separee mit Soundtrack-Klängen von Jean-Luc Godard, überhaupt gab es viele kleine Kammern, in denen einzelne Projekte aus dem Umkreis des Labels vorgestellt wurden. Grenzen der DarstellungDamit stieß die Ausstellung aber auch an ihre konzeptuellen Grenzen. Denn Musik lässt sich nur schwer begrenzen. Ein paar Kopfhörer der relativ knapp bemessenen Hörstationen waren eine Maßnahme, mehrere durch Textiltunnel voneinander akustisch getrennte Räume mit einzelnen Musikprojektionen eine andere. Das konnte aber nicht verhindern, dass der Gesamteindruck ein intellektueller blieb. Reflektierendes Verstehen stand vor dem sinnlichen Begreifen des Sujets, deshalb war es nicht nur ein zusätzlicher Service, sondern ein maßgeblicher Bestandteil der kulturellen Archäologie, dass neben der Schau der Exponate auch eine Filmreihe und vor allem eine Konzertserie die Ausstellung flankierte. Denn tatsächlich gelang es ECM und dem Haus der Kunst, mit 16 Gastspielen im Seitenflügel und der Allerheiligenhofkirche und sehr unterschiedlichen Künstlern die Brücke zum unmittelbaren Musikempfinden zu schlagen. Das Spektrum reichte von zeitgenössisch Experimentellem bis improvisierend Visionärem, von András Schiff, Gidon Kremer und den Demengas bis Nik Bärtsch’s Ronin, dem Duo Jason Moran & Charles Die Frage, wie sich Musik in einer Ausstellung sichtbar machen lässt, ist also nicht beantwortet. Dafür hat die Stadt München eine Ausstellung bekommen, die Manfred Eicher und seine Visionen kurz vor seinem 70. Geburtstag gebührend feierte. Text/Foto: Ralf Dombrowski |
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