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Jazzzeitung

2012/05 ::: seite 8

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Inhalt 2012/05

Inhaltsverzeichnis

Sternlein STANDARDS

Editorial / break / Nachrichten aus der Jazzszene / kurz, aber wichtig Jazz-ABC: Billy Taylor no chaser: Silberglanz Farewell: Zum Tode von Günter Dische

Sternlein TITELSTORY: Kunst hält das System in Gang
Heinz Sauer zum 80. Geburtstag

Sternlein DOSSIER/GESCHICHTE -
Wenn Liebe die letzte Rettung ist
„Liliom“ vereinte Jazz der NDR Bigband mit der Melodik der Philharmoniker Hamburg
Dizzy lives!
Vor 20 Jahren verstarb Dizzy Gillespie
Der Gentleman des Swingpianos
Zum 100. Geburtstag von Teddy Wilson

Sternlein Berichte
Leipziger Jazztage //Regensburgs Jazzclub feierte sein 25. Jubiläum //St. Wendeler Jazztage 2012

Sternlein Portraits / Jubilee
Mulo Francel // Benedikt Jahnel//Manu Katché //Gitarrist Alex Machacek //Pianist Iiro Rantala //Caroll Vanwelden

Sternlein Jazz heute und Education
40 Jahre „Interessengemeinschaft Jazz Burghausen“ //Jazz und Ehrenamt // 50 Jahre Jazzkränzchen Immergrü // Dominik Seidler, der neue Projektleiter BuJazzo und „Jugend jazzt“ im Interview // Gespräch mit Thomas Zoller zum Thema Bigband-Leitung // 25 Jahre Landes-Jugendjazzorchester Bayern // Abgehört: Intim und wunderbar melodisch
Chet Bakers Solo über „In Your Own Sweet Way“

Rezensionen und mehr im Inhaltsverzeichnis

Herausforderungen annehmen

Mulo Francel mit neuer Quartett-Produktion

In der weltbekannten Band Quadro Nuevo ist Mulo Francel eine treibende Kraft. Nun, nach vielen Jahren mit den verschiedensten Projekten wurde es Zeit für die eigene, erste Jazzplatte des Saxophonisten. „Escape“ lautet der Titel des der CD, die gemeinsam mit dem Pianisten David Gazarov, Bassist Sven Faller und Drummer Robert Kainar ganz und gar nicht fluchtartig neue Wege einschlägt…

JazzZeitung: Du bist viel unterwegs gewesen, hast mit Quadro Nuevo, Mind Games, Tango Lyrico und dem Trio Obscur viele Tourneen gespielt und Alben aufgenommen. Gibt es da nur Vielfalt, oder auch Konstanten?

Mulo Francel mit neuer Quartett-Produktion

Mulo Francel mit neuer Quartett-Produktion

Mulo Francel: Es ziehen sich verschiedene Parameter durch meine bisherige Laufbahn. Ich arbeite gerne eklektisch, will mich also nicht einer Stilrichtung verschreiben, sondern suche mir nach dem Lustprinzip Lieder und Ideen aus verschiedenen Genres zusammen. Als andere Konstante arbeite ich gerne in einem basisdemokratischen Team – jeder darf seine Ideen einbringen, sich verwirklichen, denselben Erfolg, Spaß, Ruhm ernten und bekommt konsequenterweise natürlich auch dieselbe Gage. So ist das bei Quadro Nuevo immer gewesen. Außerdem spielte ich als Saxophonist immer schon gerne in außergewöhnlichen Besetzungen – mit Harfe, mit Kirchenorgel, mit klassischem Soprangesang oder in der alten Pariser Valse-Musette-Instrumentierung.

JazzZeitung: Warum dann die Notwendigkeit, unter eigenem Namen etwas Neues an den Start zu bringen? Worin unterscheidet „Escape“ sich von allen bisherigen Projekten?

Francel: Bei „Escape“ hatte ich einfach mal Lust auf die traditionelle Jazzquartettbesetzung mit Sax, Klavier, Kontrabass und Schlagzeug. Außerdem wollte ich ausnahmsweise wirklich mal „der Boss“ sein, um meine klanglichen und kompositorischen Vorstellungen dieses Albums durchzusetzen. Es sollte auch ausschließlich um meine Lieder gehen, meine Juwelen, die ich zwar in anderen Bands schon oft auf der Bühne gespielt hatte, aber hier unbedingt in einem jazzigeren Kontext hören will.

JazzZeitung: Eine „Jazzplatte“ – erforderte das Mut, weil du dem Hörer auch das ein oder andere präsentierst, was er von dir nicht gewohnt ist?

Francel: Stimmt. Außerdem gibt es in dieser Besetzung, dem klassischen Jazz-Lineup mit Sax, Piano, Bass und Drums, so unglaublich viele tolle Aufnahmen – Stan Getz, John Coltrane, Paul Desmond, Michael Brecker, Charles Lloyd und viele mehr – an die Idee ging ich mit entsprechend großem Respekt ran! Aber jedes Mal, wenn ich mit den Musikern von „Escape“ zusammenarbeitete, hatte das so viel Spaß gemacht, dass ich alle Bedenken in den Wind schlug. Vor allem meine 20-jährige Freundschaft zu dem fantastischen Klavier-Zauberer David Gazarov aus Baku wollte ich unbedingt mal auf einer Platte zelebrieren.

JazzZeitung: Was war dann der nächste Schritt?

Francel: Eine Jazzplatte ist ja eigentlich schnell aufgenommen. Man nehme einen Haufen Musiker, die gut improvisieren, zehn Standards und los geht‘s! (lacht) Aber ganz so einfach wollte ich es mir nicht machen. Ich habe erstens sehr lange überlegt, welche Kollegen die richtigen sind, und dann hatte ich auch sehr genaue Vorstellungen, wie welche Stücke von mir klingen sollten. In diesem Rahmen jedoch hatten die Musiker maximale interpretatorische Freiheit.
Es gelang uns, die Lieder einfach als Ausgangsbasis für lustvolles Improvisieren zu nehmen. Wir haben vorher kaum geprobt, lediglich vier Aufwärmkonzerte in kleinen Clubs gespielt. Aufgenommen haben wir alle gemeinsam in einem schönen großen Studioraum mit tollem Bösendorfer Flügel. Alles ohne Overdubs und Korrekturen, ganz wie die legendären Jazzaufnahmen der 50er und 60er. Es gab Momente bei den Aufnahmen, da habe ich innerlich gejubelt!

JazzZeitung: „Escape“ könnte man mit „Entkommen“ übersetzen. Schwingt da aber auch „Flucht“ mit? Und wenn ja, wovor? Vor alten musikalischen Fahrwassern?

Francel: Der Mann auf dem Cover nimmt ja sein Sax mit! Er flieht nicht vor seiner Musik. Auch nicht vor bekannten musikalischen Fahrwassern. Ich gebe zu – dieser Musiker könnte durchaus ich sein: Ein Ausbruch. Ein Davonstehlen aus der Konsumwelt, aus der Massenberieselung. Weg von eingefahrenen Mustern, von der Seichtheit urbaner Vergnügungsangebote, vielleicht auch ein Abschied von gesellschaftlichen Konventionen. Aber dieses „Sich-Entfernen“ ist keine Flucht vor den Herausforderungen des Lebens, sondern deren Annahme!
Jeder kann seine Gegenwelt finden, um in ihr Kraft zu schöpfen für die reale Welt. Sei es im zwischenmenschlichen Engagement, im Reisen oder in der Natur. Ich persönlich brauche eine ästhetische Gegenwelt, um überleben zu können. Die finde ich in kreativen Kunstformen wie dem Jazz. Deshalb hat der Fliehende ein Saxophon in der Hand – als seine „Eintrittskarte“ zu seiner Gegenwelt. Du kannst jetzt behaupten, das klänge intellektuell und verquast – aber ich komme halt auf solche Gedanken, wenn du mich so was fragst! (lacht)

Interview: Carina Prange

CD-Tipp

Mulo Francel: Escape
GLM / Soulfood
www.mulo-francel.de

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