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„Was wir hier haben, ist alles andere als selbstverständlich. Ein Jazzclub, der an sieben Tagen in der Woche ein durchweg hochkarätiges und von internationalen Highlights durchsetztes Programm fast ohne Wiederholungen bietet, ist selbst in einer hochrangigen Kulturstadt etwas, das nicht von selber wächst.“ Diese zwei Sätze aus der Laudatio des BR-Redakteurs und Musikpublizisten Roland Spiegel – gehalten zur Verleihung des Musikpreises der Landeshauptstadt München an den Jazzclub Unterfahrt am 18. Juli 2012 – sagen Alles: Ohne persönliches Engagement, ohne Selbsthilfe, Ehrenamt und Bürgerbeteiligung würde es den inzwischen weltberühmten Jazzclub Unterfahrt nicht geben. Verortet zwischen Markt und Staat spielt das so genannte bürgerschaftliche Engagement in der mit öffentlicher Förderung wenig ausgestatteten Jazzkultur schon immer eine bedeutende Rolle. Barbara Heinrich Als Münchens Kulturreferent Hans-Georg Küppers den Musikpreis der Stadt München an die Unterfahrt überreichte, tat er dieses auch in dem Bewusstsein, dass die rund 1.000 Mitglieder des Clubs eine der größten bürgerschaftlich engagierten Gruppen Münchens sind. Chefredakteur Andreas Kolb unterhielt sich mit Barbara Heinrich, seit 13 Jahren Vorstandsmitglied der Unterfahrt, über das Thema Jazz und Ehrenamt am Beispiel der Unterfahrt. JazzZeitung: Der Musikpreis der Stadt München wurde 2012 erstmals nicht an einen Künstler oder Kulturschaffenden verliehen, sondern an eine Institution. Wie geht es Ihnen damit? Barbara Heinrich: Auf den Preis, den die Stadt München nur alle drei Jahre vergibt, sind wir sehr stolz. Er ist eine besondere Würdigung unserer über 30 Jahre dauernden Arbeit für den Jazz in München. JazzZeitung: Der Verein der Unterfahrt nennt sich Förderkreis Jazz und Malerei München e.V.. Warum? Heinrich: Wir betreiben in unserem Clubraum auch eine Galerie, mit vierteljährlich wechselnden Kunstausstellungen, in der Regel Fotos oder Gemälde mit Bezug zum Jazz oder zur Musik allgemein. JazzZeitung: Sehen Sie sich als eine Kultureinrichtung Münchens – wie etwa das Münchener Kammerorchester – oder einfach nur als für die Sache Jazz engagierte Menschen? Heinrich: Beides: Einen täglichen Veranstaltungsort für hochwertigen Jazz zu haben ist selbst für eine Weltstadt wie München etwas Besonderes – daneben sind wir „Unterfahrtler“ natürlich alle mit dem „Jazzvirus“ infiziert! JazzZeitung: Nochmals nachgefragt: Gibt es einen kleinen Neid auf Volkstheater, MKO oder die Kultureinrichtung Schwere Reiter, wegen der dort vergleichsweise wesentlich höheren Förderung? Wie fühlt man sich als Jazzer von der öffentlichen Hand behandelt? JazzZeitung: Fest steht, ohne Ehrenamt würde kein Ton in der Unterfahrt erklingen. Heinrich: Es ist eine ganz eigene Konstruktion, die wir fahren. Wir haben keinen hauptamtlichen Geschäftsführer, die Geschäftsleitung wird ehrenamtlich durch den Vorstand ausgeführt. Das sind sechs Personen: Michael Stückl, Helmut Seifert, Thomas Müller, Christiane Zöbeley, Fred van der Voort und ich. JazzZeitung: Wie funktioniert das? Heinrich: Jeder von uns hat seine eigenen Schwerpunkte, dies geht von der EDV- Betreuung über Personalwesen, rechtliche Themen, Veranstaltungs technik, Gema, Buchhaltung, et cetera. Wir treffen uns mindestens einmal im Monat zu einem Jour Fixe mit unseren Mitarbeitern, daneben gibt es regelmäßige Vorstandstreffen. Entscheidend ist jedoch der fast tägliche E-Mail Kontakt zwischen den Vorständen und Mitarbeitern JazzZeitung: Es gibt auch feste Mitarbeiter? Heinrich: Die Programmplanung, Booking und Pressearbeit macht Christiane Böhnke-Geisse – die im Übrigen gerade den Jazz Echo für Ihre Programmarbeit bekommen hat! – , Susanne Herreiner ist mit einer 3/4-Stelle im Büro und in der Konzertbetreuung tätig. Weiter gibt es immer eine oder zwei Freiwilliges-Soziales-Jahr-Stellen und einen Techniker der „halbnachts“ angestellt ist. Die Gastronomie ist an unseren langjährigen Wirt unterverpachtet. JazzZeitung: Sie sind Rechtsanwältin, Mediatorin und in Ihrer Freizeit mit schweren Motorrädern unterwegs: Wie kamen Sie zum Jazz? Heinrich: Ich hatte schon immer viel Jazz gehört, war als Besucherin viel in der Unterfahrt gewesen. Irgendwann wurde ich von einem der ehemaligen Vorstände angesprochen, dann vor 13 Jahren zur zweiten Vorsitzenden gewählt worden. Ich bin schnell eingetaucht ins „Geschäft“, es gab immer viel zu tun und die Arbeit ist bis heute spannend und vielseitig! JazzZeitung: Worin bestehen Ihre Tätigkeiten? Heinrich: Ich selbst kümmere mich um alle Rechts- und Personalthemen. Oft sind aber auch Dinge aus dem Tagesgeschäft zu erledigen: Musiker abholen am Bahnhof oder Flughafen; sich kümmern, wenn Hotelzimmer nicht frei sind; Abendansage machen, wenn jemand krank ist. Vorstände müssen einspringen können. JazzZeitung: Auch ein Jazzclub e.V. ist ein Wirtschaftsunternehmen. Salopp gefragt, wie läuft der Laden? Heinrich: Der Laden brummt – wir können unsere Besucherzahlen immer noch steigern! Alles in allem sind 10 bis 15 Leute regelmäßig als Ehrenamtliche tätig vorallem im Bereich der Abendkasse und der Konzertbetreuung. Wir sind bisher mit ihrer Arbeit gut klar gekommen: dennoch ist die Unterfahrt derzeit an der Grenze ihrer Kapazität. Wir müssen besser werden, auch im Sponsoring; Werbeaktivitäten. Ehrenamt gibt den Leuten viel, aber wir müssen uns mehr professionalisieren. Das Wirtschaftsunternehmen Unterfahrt ist heute ein großer Betrieb mit einer ¾ Million Umsatz im Jahr, der gemanagt werden muss. Mit unseren Mitteln sind wir am Ende angelangt und müssen Möglichkeiten finden, mehr festangestelltes Personal beschäftigen zu können. JazzZeitung: Wie ist das prinzipiell mit der ehrenamtlichen Tätigkeit in Kulturbetrieben? Heinrich: Ein ganz wichtiges Thema, viele Institutionen sind angesichts der Finanzlage auf ehrenamtliche Tätigkeit angewiesen. Ehrenamtliche Arbeit kann unglaublich befriedigend sein, oft kann man sich im Ehrenamt mehr verwirklichen als in der Berufstätigkeit. Denn man hat die freie Entscheidung, was machen will, wo man sich engagieren möchte … Die Gefahr, gerade in ehrenamtlich betriebenen Kulturinstitutionen, ist, dass die Leute sich selbst überfordern. Der gemeinsame Erfolg beflügelt ungemein, die eigene Leistungsfähigkeit wird jedoch oftmals bis an die Grenzen ausgereizt. Dies ist sicher keine Idealsituation um einen großen Kulturbetrieben langfristig und nachhaltig zu führen. Letztendlich muss man aus meiner Sicht auf eine gesunde Mischung von fest angestellten (und auch angemessen bezahlten!) und ehrenamtlich tätigen Kräften setzen. |
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