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Durchkämmt man das prall gefüllte Pressearchiv des Regensburger Jazzclubs, bleibt man unwillkürlich bei den Rückseiten der aufgeklebten Zeitungsausschnitte hängen – mit eigensinnig geschwungener Handschrift sind hier Restaurantmenüs aufgeschrieben. Eigensinn und Schwung stammen von Winfried „Winnie“ Freisleben, im Hauptberuf Pächter und Wirt jenes in der östlichen Altstadt gelegenen mittelalterlichen Kornspeichers, der seit jeher den kuriosen Namen „Leerer Beutel“ trägt, der seit Ende der 1980er-Jahre aber als Kulturzentrum die städtische Kunstgalerie, ein feines Programmkino, ein Restaurant und eben jenen Konzertsaal beherbergt, den der Jazzclub bespielt. Cymbalon-Virtuose József Csurkulya und von hinten Bertl Wenzl am Saxophon. Foto: Juan Martin Koch Seit seiner Gründung vor 25 Jahren ist Winnie Freisleben in dessen Vorstand aktiv, hat von den Anfängen mit schütter besuchten Freejazz-Konzerten bis hin zu Sternstunden mit internationalen Stars alles durchgemacht, was einer Jazzspielstätte so widerfahren kann und blickt entsprechend gelassen zurück, vor allem aber – gemeinsam mit seinen Vorstandskollegen Anita Keuchl und Bernhard Lindner – mit Elan nach vorne. Zum Vereinsauftrag gehört für Bernhard Lindner „das Spektrum aufzumachen“ und den Jazz in seiner ganzen Vielseitigkeit bis hin zu Grenzbereichen in andere Genres zu präsentieren sowie möglichst vielen die Faszination des Jazz nahe zu bringen. Auftritte von Kraan oder vom Herbert Pixner Project hätten dies sehr erfolgreich gezeigt; dass der eine oder andere à la Jazzpolizei die Nase rümpft, stört Winnie Freisleben dabei nicht. „Die Fundamentalisten hat es immer gegeben. Was haben wir für Schläge einstecken müssen, als wir in der Anfangszeit Leute wie Brötzmann oder Schlippenbach geholt haben! Jetzt sind das Klassiker.“ Ein Programmimpuls für die kommenden Monate soll deshalb von der Frage kommen, wo überall Jazz drinsteckt. Freisleben scheut in diesem Zusammenhang auch den leicht zerzausten Begriff „Crossover“ nicht. Mit dem Credo „das Niveau muss stimmen“ rückt er die Perspektive zurecht. Anita Keuchl bekennt sich außerdem ganz klar auch zu jenen Konzerten, bei denen sich der Konzertsaal nicht so füllt. „Wir haben einen gemeinnützigen Auftrag, der bei Musik jenseits des Mainstreams zum Tragen kommt. Auf der anderen Seite müssen wir aber natürlich auf die Wirtschaftlichkeit schauen.“ Womit ein Grund angesprochen wäre, warum der Blick auf die jüngere Vergangenheit durch die eine oder andere Blue Note gewürzt ist. Im Nachklang des 20-jährigen Jubiläums, das man mit einer hochkarätigen und entsprechend kostspieligen Programmwoche gefeiert hatte, kam der Verein in eine gefährliche Schieflage, die nur durch eine Erhöhung der Mitgliedsbeiträge, das Einspringen privater Financiers und ein eisernes Sparregiment wieder gerade gerückt werden konnte. Verständlich, dass man mit dieser Erfahrung im Rücken den 25. Geburtstag nun einige Nummern kleiner feierte und doch musste man mitunter ein wenig nostalgisch an die fünf Jahre zurückliegende Jubiläums-Gala denken, denn daran gemessen, fehlte der an den erfrischend kurzen offiziellen Empfang sich anschließenden Session ein wenig der Biss, zumal sich die Zahl spontaner Quereinsteiger in Grenzen hielt. Frische Farben und einen Hauch Anarchie brachte aber eine Abordnung aus dem „Negerland“ ein, angeführt von Multiinstrumentalist Heinz Grobmeier und unter anderem unterstützt von Schlagwerker Roland Biswurm, der sich zuvor in eine andere, spontan zustande gekommene Formation eingeklinkt hatte. Denn einen Stock höher, im Galeriesaal, war die Meisterschaft zweier ungarischer Musiker auf der Durchreise zu erleben: Tibor Eichinger, vom diesjährigen Jazzweekend als fingerfertiger Folklore-Jazzrocker in Erinnerung und der Cymbalon-Virtuose József Csurkulya. Bertl Wenzl am Saxophon, auch er anschließend als Negerländer aktiv, ging mit den Beiden ein Stück des anregenden Weges, auf den man sich auf Zuruf einigte. Ab Mitternacht verjüngte sich dann das Publikum im Saal. Jakob Forster und David Fink Eisenhauer machten sich daran als DJ-Drum-Duo „ClubClubTiger“ die Tanznacht zu eröffnen. Gegen halb zwei, zu einer Zeit also, bei der an einem Donnerstagabend die werktätige Bevölkerung an Nachtschlaf zu denken beginnt, schien das Ganze langsam Fahrt aufzunehmen. Der Jazzclub bleibt wach. Juan Martin Koch |
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