Anzeige |
||
Anzeige |
|
Bert Noglik ist ein erfahrener Mann. Als Jazzredakteur beim mdr, ehemaliger und langjähriger Leiter der Leipziger Jazztage, vor allem aber als Restidealist in Jazzfragen, ahnt er, was die Szene bewegen könnte. Im November feiert er seinen Einstand an der Spitze des Jazzfests Berlin. Ralf Dombrowski ließ sich von ihm erklären, wie er das Flaggschiff der Festivals auf neuen Kurs bringt. JazzZeitung: Wie macht man 2012 ein zeitgemäßes Festival? Bert Noglik. Foto: Berliner Festspiele Bert Noglik: Ein gutes Festival dieser Art sollte einen Ausschnitt dessen, was gegenwärtig im Jazz wesentlich ist, auf die Bühne bringen. Es sollte geprägt sein von der Persönlichkeit des Kurators, aber nicht ausschließlich nach dessen Geschmack gehen. Ich würde daher nie etwas präsentieren, was mir gar nicht gefällt, aber ich kann auch nicht nur Sachen bringen, die meine Lieblinge sind. Insgesamt möchte ich schon, dass meine Handschrift in der Dialektik mit Fragen wie: Was ist bewahrenswert im Jazz? Wo gibt es neue Ansätze? erkennbar ist. Das hängt auch mit der Geschichte des Jazzfests Berlin zusammen, das ja immer neue Trends und zugleich große Namen im Programm hatte. Es soll eine Mischung sein, jedoch keine beliebige. Ich musste daher versuchen, in der Binnenstruktur des Programms Magnetpunkte zu finden, die miteinander korrespondieren. Themen, zwischen denen sich spielerisch Verbindungslinien herstellen lassen, Grundgedanken, die in Variationen auftreten, ohne dass ich dem Ganzen ein übergreifendes, alles vereinnahmendes Motto geben wollte. JazzZeitung: Wie haben sich die Ansprüche des Publikums verändert? Noglik: Festivals haben oft bestimmte Zielgruppen. Das Publikum in Moers oder Saalfelden ist beispielsweise ein anderes als das des Jazzfests Berlin. Die Menschen hier sind sehr aufgeschlossen. Es ist ein intellektuelles Publikum, das für unterschiedlichste Arten von Jazz offen ist, aber nicht allein wegen Innovation und neuer Trends kommt, sondern einmal im Jahr etwas von dem Interessanten, das diese Musik zu bieten hat, erleben möchte. JazzZeitung: Wie setzen sie eigene Schwerpunkte? Noglik: Zunächst einmal durch drei Programmpunkte, die hier ihre Premiere erleben. Das ist zum einen das Projekt „Remembering Jutta Hipp“, dann darüber hinaus das Deutschlanddebüt von Günter ‘Baby’ Sommers „Songs für Kommeno“ und schließlich „Wanted! Hanns Eisler“ mit der Gruppe Das Kapital und den Filmemachern von Magic Cinema. Dann war es mir ein Anliegen, die freie improvisierte Musik in das Festival zu integrieren. Wir haben ja die lange Geschichte des Total Music Meetings erleben können, das in den Anfangsjahren als echtes Gegenfestival zu den Jazztagen gedacht war und vor vier Jahren ausgelaufen ist. Ich dachte, es wäre ein gutes Zeichen, das, was früher antipodisch gedacht war, nun in das Festival hineinzunehmen und dieser Musik mit der Akademie der Künste einen besonderen Ort zu geben. Weitere Aspekte, die sich miteinander verbinden lassen, sind Jazz in Korrespondenz mit anderen Künsten, dem Film, der Literatur, dem Tanz, insbesondere dem Stepptanz. JazzZeitung: Wie passt diese Vielfalt der Themen zu der aktuellen Tendenz in deutschen Feuilletons, den Jazz mal wieder zu beerdigen? Noglik: Ich denke, wir sollten mehr über die Stärken und Schwächen des Jazz an konkreten Beispielen reden. Was beim Jazzfest passiert, dokumentiert je gerade das Gegenteil der Behauptung, Jazz habe seine soziale Relevanz verloren. „Songs vor Kommeno“ zum Beispiel ist die Auseinandersetzung eines deutschen Schlagzeugers mit den Schrecken des Zweiten Weltkriegs. „Remembering Jutta Hipp“ ist die Beschäftigung mit einer außerordentlich kreativen und zugleich tragischen Figur der deutschen Jazzgeschichte und „Wanted! Hanns Eisler“ ist ja nicht nur die Auseinandersetzung mit einem bedeutenden Komponisten, sondern auch mit den ideologischen Grabenkämpfen des 20.Jahrhunderts. Das sind drei unmittelbar sozial konnotierte Projekte, wobei soziale Relevanz nicht nur durch Beschäftigung mit politischen oder gesellschaftlichen Themen entsteht, sondern auch l’Art pour l’Art soziale Relevanz haben kann. Es kommt immer darauf an, wie belangvoll eine Musik in einem jeweiligen Kontext ist. Wir haben beispielsweise eine deutsch-türkische und einer deutsch-libanesische Gruppe im Programm, die unmittelbar etwas von der interkulturellen Realität in deutschen Städten spiegeln. JazzZeitung: Inwieweit ist das Jazzfest Berlin ausbaufähig oder renovierungsbedüftig? Noglik: Ich möchte die Traditionen des Jazzfests weiterführen. Es ist ja eine grandiose Tradition, die bis in die 60er-Jahre hineinreicht mit ganz unterschiedlichen Handschriften. Renovierungsbedürftig? Mir war von Anfang an klar, dass ich das Jazzfest nicht radikal würde verändern können, auch weil ich es in dieser Konfiguration wertschätze. Es ist daher der Versuch, in kleinen Schritten musikalisch wichtige Veränderungen vornehmen zu können.
|
|