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Trombone Shorty Das erste Album „Backatown“ von Trombone Shorty war schon
eine Sensation. Sein neuester Streich „For True“ kann nicht
nur locker mithalten, ohne bereits Gehörtes erneut aufzuwärmen,
sondern ist auch musikalisch wieder ein absoluter Knaller. Der 25-jährige
Trombone Shorty präsentiert einen eigenen, unverwechselbar knackigen
Sound. Unglaublich, wie lässig er daherkommt und sich nicht um Konventionen
schert. Während „Backatown“ in erster Linie mit seiner
Band Orleans Avenue entstand, ist „For True“ nun zusätzlich
vom Spirit seiner Gäste geprägt. Ob mit der Rebirth Brass Band,
dem Rapper 5th Ward Weebie, der sagenhaften, aus New Orleans stammenden
Sängerin Ledisi, Jeff Beck, Kid Rock, Lenny Kravitz oder gemeinsam
mit Cyril & Ivan Neville, den Ton gibt der Meister an; seine Band
und die Gäste folgen! Das Fundament dieser erfrischenden Mischung
ist nach wie vor New-Orleans-Jazz, gewürzt mit Soul- und Funk-Ingredienzien,
mit Hip-Hop-Beats unterlegt oder gespickt mit treibenden Rockriffs. Alles
in einen Topf geworfen, kräftig umgerührt und schon entsteht
daraus dieser großartige Sound. Die Weiterentwicklung zu „Backatown“ ist
verblüffend, was zum einen am homogenen Spiel der Band liegt, vierzehn
fantastischen, neuen Songs und nicht zuletzt an der Beteiligung der großartigen
Gäste. Wenn Trombone Shorty mit seiner Orleans Avenue im Dezember
endlich wieder auf Tour ist, sollte man sich diesen Gig nicht entgehen
lassen. Leider sind als Höchstbewertung für ein Album nur fünf
Sterne möglich, leider! Marc Copland/John Abercrombie Welch glückliche Verbindung: Seit den frühen
70ern kennen sie sich, spielten bereits 1972 in Chico Hamiltons Band
zusammen, Marc Copland
damals noch unter seinem Geburtsnamen Marc Cohen Max Merseny Vielen Dank an alle. Das Stück mit dem gleichnamigen Titel wie sein
Debütalbum setzte Max Merseny an das Ende der Tracklist. Vielleicht
war das sogar eine gute Entscheidung, denn mit dreizehn Minuten dreißig
(einschließlich eines Hiddentracks) ist es recht lang. Vom rauen
Hip-Hop und vom sexy Soul heutiger Prägung ist die Musik weit entfernt. Archie Shepp/Joachim Kühn Wenn „two musical powerhouses“ aufeinandertreffen, wie es
in den liner notes dieser exzellenten CD heißt, ist Spannung garantiert.
Doch wer bei Archie Shepp und Joachim Kühn, die erstmals im Duo
spielen, nachdem sie bereits 1967 im Quartett gemeinsame Aufnahmen machten,
Himmelstürmendes erwartet hatte, sieht sich getäuscht. Die
explosive Kraft dieses Albums allerdings entspringt innersten Tiefen,
entfaltet sich erst allmählich. Der Saxophonist spielt nicht unbedingt
sein gesamtes Potential aus, doch entwickelt er seinen Sound unverkennbar
und unvermittelt aus dem Augenblick heraus. Ein harter, knarziger Ton,
krächzend mitunter, von explosiver Kraft, „dann wieder mit
viel Luft hinausgeschwungen wie ein Gruß an Ben Webster“ (Kunzler-Lexikon).
Aus der Tradition heraus formen Shepp und der mit feinfühliger Zurückhaltung
glänzende Kühn Stücke wie den Ornette-Coleman-Klassiker „Lonely
Woman“ und den Ellington-Titel „Sophisticated Lady“ neu.
Während in „Harlem Nocturne“ Rhythm´n´Blues
zu Ehren kommt, ist es auf „Sketch“ und „Segue“ die
freie Improvisation. Deutlich wird, dass sich die beiden einstigen Free-Exponenten
in blindem Verständnis füreinander zugetan sind und mit traumwandlerischer
Sicherheit die Improvisationsbälle zuschmeißen. So oft bluesige,
schwebende Melodien unisono vorgetragen werden, so oft werden harmonische
Grenzen gesprengt. Kühns fließende Piano-Melodik, die nie
in lyrischen Ornamenten ausharrt, beharrt ebenso auf eigenwilliger Traditionspflege
wie Archie Shepps Schreie und Growls. Rudresh Mahanthappa Nun ist auch Saxophonist Rudresh Mahanthappa
bei ACT gelandet und legt mit „Samdhi“ sein beeindruckendes Debutalbum vor. Seit er
2008 mit seinem Dakshina Ensemble für Furore sorgte, entwickelte
er sich kontinuierlich vom Shooting Star zu einer etablierten Größe
der Jazzszene. Seine Zusammenarbeit im Duo mit Vijay Iyer fand ebenfalls
große Beachtung, und mit Bunky Green mischte er zuletzt die Szene
auf. Was Mahanthappa und seine Spielweise auszeichnet, ist eine immerwährende
Suche nach neuen Horizonten und tiefgründigen Sounds. Abseits ausgetretener
Pfade stellte er für „Samdhi“ eine interessante Band
zusammen, bestehend aus dem versierten New Yorker Gitarristen David Gilmore,
Rich Brown am Bass, dem vielversprechenden jungen Drummer Damion Reid
und „Anand“ Anantha Krishnan an der Mridangam, dessen westlich
wie östlich geprägte Perkussion praktisch „die Brücke
ist, über die wir auf Samdhi gehen“. Samdhi, die Dämmerung,
eine ganz besondere Stimmung oder auch Zustand zwischen Tag und Nacht,
den jeder anders empfindet, sich aber niemand entziehen kann. So ist
die Musik zu Anfang noch harmonisch, fast eingängig, während
sich schleichend jazzige Elemente mit indischen Motiven verbinden, Mahanthappa
mit seinem eigenen Saxophonsound Raga und Blues kombiniert und trotz
allem einem avantgardistischen Ansatz treu bleibt. Susi Hyldgaard Diese subtile Singer-Songwriterin ist wieder
an ihren Wurzeln dran und braucht für ihr aktuelles Album außer Bassist Jannik Jensen
und Schlagzeugerin Benita Haastrup nur sich selbst – und das auf
Piano, Keyboards, Ukulele, Gitarre und Akkordeon! Und natürlich
ist da ihre unvergleichliche Stimme, dieses kraftvolle, warme Organ,
das wohl gar nichts anderes kann, als in jedem Moment maximale emotionale
Tiefe zu verbreiten. Ach ja – und ihre Töchter Emma Scheuer
Hyldgaard und Freja Emilie Hyldgaard hat sie als blutjunge Gastsängerinnen
auch mal mit ins Boot geholt. Sie hat auf ihrem neuesten, schlichtweg
DANSK betitelten Album alle Fäden in der Hand. Und bleibt sich selbst
doch in jedem Moment nah genug, dass sie sich über alle stilistischen
Umwege und Kontraste hinweg mit entwaffnender Ehrlichkeit selbst auszudrücken
kann. Treffsicher geht also die Reise auf „DANSK“ ins Intime,
Persönliche und manchmal Skurrille hinein. Das hat auch durchaus
mal etwas Selbstentblößendes, wenn sie etwa ihr Geburtserlebnis
aus der Nähe beschreibt. Musikalisch geht es ebenso mehrsprachig
zu: mal eben einen erdigen Blues dahinwerfen, dann wieder mit einem loungigen
Bossa-Nova-Triphop für Kuscheligkeit sorgen. Um gleich darauf mit
gut dosierter Doppelbödigkeit wieder aus sowas auszubrechen – all
dies steht bei Susi Hyldgaard in jeder Sekunde im Dienste ihres selbstbewussten
Songwriting-Potenzials. Manfred Bründl Silent Bass Mit großen Namen ist gemeinhin wohlfeil handeln. Schon mit den
ersten Takten jedoch verbietet sich jeglicher Verdacht: Zu ernsthaft
geht der in Weimar lebende und lehrende Bassist Manfred Bründl seine
Beschäftigung mit dem Vermächtnis Peter Trunks an. Detailliert
wird das Erbe des Bass-Großmeisters der späten 50er-, 60er-
und frühen 70er-Jahre musikalisch aufgearbeitet. Nach einem tödlichen
Autounfall geriet Trunk, den Michael Naura seinerzeit in einem Atemzug
mit Jimmy Blanton, Ray Brown und Scott LaFaro nannte, weitgehend in Vergessenheit.
Zu Unrecht, wie sich in der Hommage Bründls herausstellt. Die Rolle
des Bassisten besteht dabei nicht in erster Linie in solistischer Profilierung,
sondern zeichnet sich aus durch integrative Kraft, Substanz und Energie.
Rainer Böhm, p, Jonas Burgwinkel, dr, und Hugo Read, as, begleiten
Bründl auf seiner Spurensuche, die – ganz im Sinne des immer
wachen Geistes des Geehrten – das Erbe nicht allein hebt und zu
verwalten sucht, sondern sehr bewusst ins heute überträgt.
Fragmente, Themen und Improvisationen Peter Trunks lassen in Bründls
Kompositionen aus einer reichen Palette an Farben beeindruckend lebendige
Bilder entstehen. Dass die CD Trunks 2008 verstorbener Frau, der Sängerin
Stella Banks, gewidmet ist, die mit dem frühen Tod ihres Mannes
die eigene Lebensbasis zusehends verlor, macht die Hommage umso ehrenwerter. Fattigfolket Die Idee, Parks zum Dreh- und Angelpunkt
eines ganzen Albums zu machen, mag im ersten Moment irritieren: Parks,
was gibt’s denn da groß zu
hören: Blätter rascheln, Bäume rauschen, Hundegebell,
Teenie-Gegacker, quietschende Kinderwagenräder und Vogelgezwitscher?
Derart unmittelbar aber verstehen die vier jungen Männer des norwegisch-schwedischen
Quartetts „Fattigfolket“ ihre Musik natürlich keinesfalls.
Die Umsetzung von Eindrücken, die die Musiker in fremden Städten
quer durch Europa gewonnen haben, versteht sich (hör-)bildhaft,
persönlich – und eigenwillig. Für „Fattigfolket“ sind
Parks lebensnotwendige Fluchtorte. Während Konzertreisen nutzte
das Quartett jede freie Minute, um vom Berliner Grunewald bis zum Hesperidespark
in Valencia die Batterien wieder aufzuladen. Im Studio entstanden daraus
inspirierende Ideen, die ihrerseits Kompositionen und Improvisationen
auslösten. Die haben’s in sich – ungewöhnliche
Arrangements in einer spannenden Besetzung mit zwei Bläsern (sax/cl,
tp), Bass und Schlagzeug. Rhythmisch komplexe Grooves, über die
Stimmungen hinweggleiten, vorbeiziehen, oft über einfache melodische
Linien tänzelnd, wobei sich Blech und Holz subtil und konkurrenzfrei
cool in der Führung und eindrucksvollen Begleitung abwechseln. „Parks“ wirkt
oft wie ein akustisches Vergrößerungsglas, das Fundstücke
hervorhebt, an welchen man meist achtlos vorübergeht.(Portrait
auf S. 6!) Le Grand Uff Zaque „Le Grand Uff Zaque“ – der Name dieser Band dürfte
ein Omen ein. Erstens weist die aus Karlsruhe stammende Truppe so auf
ihren
geradezu französischen Charme hin. Zweitens zeigt das lautmalerisch
schmissige „Uff Zaque“ an, dass hier rhythmisch die Post
abgeht. „Le Grand Uff Zaque“ – das sind vier sich instrumental
verausgabende Herren, der Rapper Sebastian Moser und die Soul-Sängerin
Laura Oyewale – angeblich eine afrikanische Prinzessin. Live bringt
das Sextett schon lange die Säle zum Kochen; nun lässt es auf
dem Debütalbum „Cliché“ die kreative Sau raus.
Puristen dürfen um die Platte einen Bogen machen. Uff Zaque verjüngen
den Jazz, indem sie ihn mit aktueller Clubmusik vermischen. Die bunte,
den Musikern zufolge „megafette“ Collage vereint unter anderem
HipHop und Klassik, Soul und Walzer, Drum’n’Bass, Elektro
sowie die witzig übersprudelnden Freestyle-Raps von Sebastian Moser.
Eine höchst vielfältige, stets in die Beine fahrende Mischung.
Mal wird das Rondo aus Beethovens „Pathétique“ rhythmisch
zerfetzt, mal mit der elektronisch mäandrierenden Trilogie „Waldbruch“ die
romantische Tradition aufs Korn genommen. Schließlich erkunden
Uff Zaque mit sperrigen Melodien a là Thelonious Monk das Genre
Jazz’n‘Bass. Eine zeitgemäße Fusion-Musik, die
einerseits clubtauglich ist, andererseits aber hintergründig, vorurteilsfrei
und solide erschrammelt daher -
kommt. Ed Partyka Jazz Orchestra Das Ganze ist mehr als die Summe seiner
Teile, gerade wenn auf jede Einzelstimme größter Wert gelegt wird. So könnte ein Motto für
Big Bands lauten seit den Tagen Fletcher Hendersons. Ed Partyka, Bassposaunist,
Tubist, Arrangeur und Komponist, stammt aus Chicago, übersiedelte
vor über zwanzig Jahren nach Deutschland und ist seit 2006 Professor
für Jazz-Theorie, -Komposition und -Arrangement an der Kunst-Uni
Graz. Etliche Big Bands hat er durch sein Mitwirken bereichert und mit
Kompositionen versorgt, unter anderem das Vienna Art Orchestra, das Bob
Brookmeyer New Art Orchestra, die WDR Big Band, die NDR Big Band, die
Rainer Tempel Big Band und das Nürnberger Sunday Night Orchestra.
Für die „Songs Of Love Lost“ hat er sich mit Musikern
aus Deutschland, Österreich, Holland und – mit der seelenverwandt
melancholischen Sängerin Efrat Alony – auch aus Israel zusammengetan
um die Vision eines so geschichtsbewussten wie zeitgemäß modernen
Sounds Wirklichkeit werden zu lassen: „Wir müssen nach vorne
schauen und zur Seite und nicht zurück. Ich versuche ,Orte’ zu
finden, wo eine Big Band noch nie zuvor war.“ Die komplexen Kompositionen
und grenzüberschreitenden Arrangements erschließen, verbunden
mit beeindruckenden Soli, unter anderem von Silke Eberhard, cl, bcl,
as, Petra Krumphuber, tb, Mark Wyand, cl, ts, Jörg Engels, tp, ein
vielfältiges, kraftvoll forderndes, zugleich nachgerade romantisches
Klangerlebnis, emotional, sublim und überaus farbenreich. Wolfgang Lackerschmid Augsburg ist eine sehr alte Stadt, ihre
Existenz beginnt manchen Quellen zufolge 15 v.Chr., als die Römer im heutigen Stadtteil Oberhausen
ein Legionslager errichteten. Sie ist eine der ältesten Städte
Deutschland, seit 1650 feiern die Augsburger jährlich das „Hohe
Friedensfest“, mit dem das Ende der Unterdrückung im Dreißigjährigen
Krieg gefeiert wurde. Auf dieser Basis stellt der Augsburger Vibraphonist
Wolfgang Lackerschmid seit 2009 jährlich das Ensemble „Common
Language Common Sense“ neu zusammen und arbeitet damit nicht nur
für den Frieden, sondern würdigt auch die Religionen der Welt.
Denn der „Augsburger Religionsfrieden“ von 1555 ist als Manifest
für die Gleichberechtigung aller Religionen zu sehen. Frieden und
Freiheit – zwei Pfeiler der Jazzmusik – schreibt Wolfgang
Lackerschmid auf die Fahne seiner neuen Produktion, deren sieben Titel
sich der Dominanz des Krieges in unserer Zeit entgegen stemmt. Dass Lackerschmid
sich gegen (Religions)Kriege widersetzt, die in diesen Tagen das Leben
der Menschen weltweit beeinflusst, zeigt sich in der Besetzung des Ensembles
mit Musikern unterschiedlicher Nationalitäten und Religionen. Bemerkenswert,
wie harmonisch die unterschiedlichen Religionen angehörenden Bandmitglieder
(Protestant, orthodoxer Christ, Mohammedaner oder Buddhist) sich auf
eine gemeinsame „Religion“ verständigen. Friedvolle
Freiheit offenbart sich hier in Klangexperimenten, freien Improvisationen
und dem perfekten Zusammenspiel freier Individualisten. radio.string.quartet.vienna Sie scheinen wollüstig und sanft zu sein, dann wieder tieftraurig
und bitterernst, die „Radioträume“ des radio.string.quartet.vienna.
Manchmal klingen ihre Phantasmorgien wie ein mittelschwerer Albtraum
oder wie der fiktive Soundtrack für den spannendsten denkbaren Fernsehkrimi
(natürlich in schwarz-weiß). Mal glauben wir, ein scheuendes
Pferd zu hören, das droht, in einen tiefen Abgrund zu stürzen,
dann wieder drängt sich das zerzauste Klangbild einer strurmdurchtosten
Nacht auf. Wie auch immer, die „radiodreams“ sprechen eine
düstere, aber nie dumpfe, sondern eher pittoreske, an vergangene
Zeiten erinnernde Sprache. Selten gewinnt so etwas wie romantisches Gefühl
die Oberhand, wagt der Traum so deutlich zur Lovestory zu werden, wie
es dann doch beim letzten Stück, „Extraction/I loves you,
Porgy“, geschieht: Wie ein ansprechender Film verlangt auch ein
Traum ein Happy End. In „radiodream“ ist alles drin, ist
alles verwoben. Die Musik dringt unter die Haut, bis ins Mark, bis ins
Herz; das Rohmaterial liegt – typisch radio.string.quartet.vienna – jenseits
des Gewohnten, Eingefahrenen, Bekannten. Dabei ist es ein sehr filigraner
Grund, der hier von zwei Violinen, einer Viola und einem Cello skizziert
wird. Hin und wieder leuchtet ein Gesangsfragment von Bernie Mallinger
auf und kippt die Perspektive erneut: Einem Mäander gleich dreht
sich die Musik, zum Strudel werdend abwärts. Ob die Träume
der Menschen auch so aufregend sind? Wir wollen es nicht hoffen – diese
CD aber darf es sein.
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