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In einer idealen Welt würden viele Menschen den Jazz lieben und durch Konzertbesuche und CD-Käufe den Musikern ein Auskommen sichern. Da der Mainstream jedoch andere Stile bevorzugt, kommt die Kulturpolitik ins Spiel. Ein Gespräch zum Thema „Jazz trifft Politik“ bildete Ende Oktober den Auftakt des Berliner Festivals „Jazz in den Ministergärten“. Wolfram Knauer, Leiter des Darmstädter Jazzinstituts, moderierte die Runde mit den Musikerinnen Julia Hülsmann und Angelika Niescier sowie dem kulturpolitischen Sprecher der SPD-Fraktion im Bundestag, Siegmund Ehrmann. Nun ist das Verhältnis zwischen Jazz und Kulturpolitik kein einfaches. Der Jazz wurde aus einem subversiven Geist geboren, der dem Musiker Individualität abverlangt und sich gegen die restlose Einbindung einen staatstragenden Bildungs- und Wertekanon sträubt. Als entsprechend anspruchsvolle Musik ist er andererseits auf Subventionen angewiesen. Allerdings wurde dieses Spannungsverhältnis bei der Talkrunde in der Hessischen Landesvertretung nicht thematisiert. Dabei arbeiten die eingeladenen Musikerinnen auch für die Bundeskonferenz Jazz, welche die Fördermittel auf Bundesebene verteilt. Da hätte man doch gern etwas über die Befindlichkeit in so einer Doppelrolle erfahren. Aber kritisches Nachhaken war an jenem Abend Wolfram Knauers Sache
nicht. Der Moderator stellte reihum seine Fragen verhinderte damit ein
Gespräch
unter den Teilnehmern. Der Runde fehlte also gerade an jener Interaktion,
die man am Jazz so schätzt. Man hätte gern erfahren, wie es sich die Damen vorstellen, dem Jazz sein Freiheitsmoment zu erhalten – angesichts wachsenden kommerziellen Drucks und schrumpfender Fördertöpfe. Aber da war bereits der dritte Gast, SPD-Politiker Siegmund Ehrmann, an der Reihe, der einen Einblick in das Zuständigkeitshickhack der Förderpolitik gab. „In erster Linie ist die Musikförderung Sache der Länder und Kommunen“, erläuterte er. „Der Bund kann jedoch Impulse setzen, zum Beispiel mit seiner Spielstättenförderung.“ Derzeit sei die Regierung auf diesem Gebiet aber „sehr zurückhaltend“. Der Zweischneidigkeit der Förderpraxis offenbarte sich, als Ehrmann darauf hinwies, dass der Jazz oft im Rahmen von Wirtschaftsförderungsprogrammen subventioniert wird. Doch wie subversiv und unangepasst kann eine Musik sein, die den Künstler als „Produkt“ eines Unternehmens anpreist und als Standortvorteil dient? Auch dieses Problem wurde nicht reflektiert. Andererseits kann der Künstler natürlich auch explizit ein politisches Zeichen setzen. So erzählte Angelika Niescier von ihren Reisen mit dem Goethe-Institut, bei denen sie unter anderem auf dem Tahir Platz in Kairo oder im Gazastreifen auftrat. „Ich weiß, dass die Kunst dann instrumentalisiert wird“, meint die Musikerin. „Aber ich stehe dahinter.“ Schließlich erwähnte Siegmund Ehrmann, die kürzlich von der SPD-Fraktion gestellte große Anfrage zur Musikförderung des Bundes. „Da gibt es keine klare Strategie“, interpretiert er die Antwort der Regierung. „Die Kriterien für eine Förderung durch den Bund sind nicht erkennbar.“ Wer soll aus welchem Grund gefördert werden? Das ist derzeit auch in Berlin eine brisante Frage. In der Hauptstadt steht das Modell der Förderung freier Jazzgruppen durch den Kultursenat auf dem Prüfstand. Hier haben Veranstalter, Labels und Verlage aus dem Jazzbereich eine Interessengruppe gebildet, die sich zum einzigen Ansprechpartner in Sachen Fördermittel aufschwingen will. Die Bedürfnisse der Musiker spielen dabei allerdings kaum eine Rolle. Aber auch dieses Thema, das die Berliner Jazzszene gerade stark bewegt, wurde von der Gesprächsrunde nicht gestreift. Da erwies sich das musikalische Rahmenprogramm als der interessantere Teil des Abends. Die beiden eingeladenen Musikerinnen vereinten sich mit dem Bassisten Marc Muellbauer aus Hülsmann Trio sowie Christoph Hillmann, dem Schlagzeuger aus Niesciers Quartett „sublim“, zum spannungsreichen, höchst interaktiven Spiel. Antje Rößler
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