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Manches Feuilleton, dem sonst kein Jahrestag entgeht, hat zwar leider verschlafen, dass Django Reinhardt am 23. Januar hundert Jahre alt geworden wäre, aber ansonsten können sich das geniale Geburtstagskind und seine Fans über die Feierlichkeiten kaum beschweren: In Paris hat man einen Platz nach ihm benannt, wunderbare CD-Boxen sind erschienen, und auf zahllosen Festivals werden „Minor Swing“ und „Nuages“ noch so häufig erklingen, dass dieses Jahr auch akustisch zu einem Django Reinhardt-Jahr wird. In den zahlreichen biografischen Abrissen zum Jubiläum ist viel Richtiges und Wichtiges gesagt worden: Dass Django Reinhardt den Anfang eines genuin europäischen Jazz markiert, einer Musik von so ansteckender Schönheit, mal feurig beschwingt, mal melancholisch zart, dass Hunderttausende von Menschen ihre Liebe zum Jazz Django Reinhardt verdanken. Ausführlich ist auch sein gitarristisches Vermächtnis besprochen worden: Django Reinhardt war es, der die Gitarre zum Solo- und Jazzinstrument erweckte, obwohl – oder vielleicht auch gerade weil – ihm nach dem Wohnwagenbrand 1928 nur mehr eine Klaue mit zwei voll funktionstüchtigen Fingern als Greifhand blieb. Auch das Kompositionsgenie Django Reinhardts wurde gewürdigt, dessen Musik, vor allem das Erbe der Hot-Club-Jahre, als „Gipsy Jazz“ den Sinti und Roma West- und Mitteleuropas zu einem neuen kulturellen Vermächtnis wurde. Ein Vermächtnis, das die wohl stärkste Brücke zwischen Sinti und Nicht-Sinti darstellt, auch und gerade in jenem Land, wo dieser Brückenbau am nötigsten und zugleich schwierigsten ist: in Deutschland, dessen Rassenwahn im „Dritten Reich“ rund 600.000 europäische Sinti und Roma zum Opfer fielen. Auch Django Reinhardt hätte unter den Ermordeten und Deportierten sein können – der „Down Beat“ vermeldete 1942 seinen Tod, eine Falschmeldung, die darauf beruhte, dass sich einige seiner deportierten „Cousins“ als Django Reinhardt ausgegeben hatten. Sie klammerten sich als letzte Hoffnung an seine Berühmtheit, die letztlich aber nur ihm und seiner engeren Familie das Leben rettete. Es ist nicht nur dieser bedrückende Punkt, der im Überschwang der Würdigungen und Feierlichkeiten gar nicht oder nur am Rande vorkam. Viel zu wenig ging es auch um die Frage, was der heutige Jazz – also nicht nur die djangophilen Gitarristen – von Reinhardt, seinem Leben, seiner Musik, seiner Kreativität lernen könnte. Da ist zum einen der beeindruckende, scheinbar nie endende Mut des Django Reinhardt. Der Mut, scheinbar Unmögliches trotzdem zu versuchen: eine Musikkarriere nach dem Wohnwagenbrand oder auch das Komponieren und Arrangieren für Orchester und Big Band, obwohl Reinhardt weder Noten lesen noch schreiben konnte. Sogar eine Sinfonie – leider unvollendet und verschollen, aber in „Manoir De Mes Rêves“ anklingend – und eine Orgelmesse für die Wallfahrt der Sinti und Roma in der Camargue hat er in Angriff genommen. Die Musik dazu hatte er im Kopf, den Ohren und seinen Fingern – zu Papier gebracht haben die Kompositionen seine Klarinettisten. Da ist zum anderen der Mut, sich immer wieder neu zu erfinden, auch und gerade in der Auseinandersetzung mit dem amerikanischem Jazz, dem sich Django Reinhardt nie verschloss, sondern öffnete, weil er wusste, dass ein begnadeter Stilmixer und Individualist wie er immer unverwechselbar nach Django klingen würde, egal ob er nun Musette-Walzer, flamencoartige Soloimprovisationen, Swingstandards oder Be Bop spielte. Als Jazzer erfand sich Django Reinhardt nachdem er 1931 die Musik Louis Armstrongs kennen und lieben gelernt und dessen Musik auf die Gitarre und eine bis dato völlig unbekannte Besetzung – den besaiteten Jazz des „Quintette du Hot Club de France“ – übertragen hatte. Nach der kriegsbedingten Trennung von Grappelli folgte Reinhardt dem Vorbild Benny Goodmans und erfand sich ein neues Quintett, dessen Klang um einen, schon bald zwei Klarinettisten und einen Schlagzeuger erweitert wurde. Am beeindruckendsten aber sind die noch immer zu wenig gewürdigten Metamorphosen des Django Reinhardt nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs: Er erfand sich als elektrisch verstärkt spielender Gitarrist und als Bebop-Musiker neu und ließ dabei sogar das über Bord gehen, was bis dahin die Handschrift seiner Musik ausgemacht hatte: die „Pompe Manouche“, den Stride-Rhythmus seiner Begleitgitarristen. Django Reinhardt würde heute wohl kaum so klingen wie viele seiner Imitatoren. Django wurde auch deswegen zu Django, weil er als Gitarrist 1931 die Musik des Trompeters Louis Armstrong und Ende der 40er-Jahre die des Saxophonisten Charlie Parkers adaptierte. Es wäre spannend, wenn nicht nur Gitarristen dem Django-Pfad folgten. Natürlich gibt es diese nichtgitarristischen Django-Nachfolger – Jermaine Landsberger etwa, der die Kompositionen des großen Django immer wieder auf das Klavier und die Hammond-Orgel überträgt. Aber es sind viel zu wenige. Es wäre schön, wenn es in diesem Django Reinhardt-Jahr mehr würden. Claus Lochbihler Tipp
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