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War das Berliner JazzFest unter der fünf Jahre dauernden künstlerischen Leitung von Peter Schulze zu einem klingenden Forum für Kulturaustausch geworden, so baut der jetzige Leiter Nils Landgren seit 2008 das Festival wieder zurück zu einem klassischen Jazzfestival: Ausgehend von den Traditionslinien des modernen Jazz präsentierte er im Herbst 2009 Jazz für einen breiten Publikumsgeschmack. Man konnte also im Konzert der Altstars seiner eigenen Jugend nachträumen, aber auch die Fingerfertigkeit manch jüngeren Jazzers bewundern. Während Landgren 2008 ein äußerst glückliches Händchen mit seiner künstlerischen Auswahl bewies und die Zuhörer Sternstunden improvisierter Musik erlebten, wie etwa im Konzert des Trios von Richard Galliano, Arild Andersen und Gonzalo Rubalcaba, oder Bobo Stenson, Anders Jormin und dem jungen, hochbegabten schwedischen Drummer Jon Fält, war der Festivaljahrgang 2009 durchwachsener. Große Namen bürgen eben nicht automatisch für Sternstunden: der Ausnahme-Gitarrist John Scofield und Piety Street Band enttäuschten mit einer Gospel-Zirkusnummer. Die Soul Legende Booker T. konnte trotz ohrenbetäubender Laustärke
nicht darüber hinwegtäuschen, dass sein Ruf besser ist, als
die Realität der Bühnendarbietung. Den jungen Drummer Darin
Gray mal ausgenommen, klang das alles etwas angestaubt. Höhepunkt einer fragwürdigen Heldenverehrung war ein Potpourri
aus Horace-Silver-Nummern, aufgeführt von einer nicht gut disponierten
NDR Bigband unter Jörg Achim Keller und dem Tastenvirtuosen Jacky
Terrasson, der mutig mit seinem immerhin wohltemperiert gestimmten Klavier
gegen die Übermacht anspielte. Im Ohr hängen blieb auch die Musik des Overtone Quartet von Dave Holland mit Jason Moran (p), Eric Harland (dr) und Chris Potter am Saxophon. Ein gelungenes Crossover-Projekt war „A Tale of God’s Will (Reqiem für Katrina)“, das Trompeter Terence Blanchard nach seinem Soundtrack zu Spike Lees Hurrikan-Katrina-Dokumentation „When The Levees Broke“ komponierte und mit dem Filmorchester Babelsberg aufführte. Erstmals konnte das Jüdische Museum als Veranstaltungsort ins Festival einbezogen werden, wo einige bemerkenswerte Klaviertrio-Aufführungen, etwa mit dem Yaron Herman Trio, oder den Trios von Robert Glasper und Aaron Parks stattfanden. Die Idee für die Kooperation zwischen Festspielen und Museum entstand aus dem Festivalschwerpunkt „70 Jahre Blue Note Records“. Das Jazzlabel wurde 1939 in New York von den jüdischen Emigranten Alfred Lion und Francis Wolff gegründet. Eine Ausstellung im Jüdischen Museum, die noch bis zum 7. Februar 2010 dauert, zeigt Fotografien von Francis Wolff, der viele Schallplattenaufnahmen mit seiner Kamera begleitete. Im Martin Gropius Bau wurde wieder einmal Julian Benedikts Film „Blue Note – A Story of Modern Jazz“ gezeigt und eine Reihe junger Blue-Note-Künstler auf den Podien der Festspiele sowie die Ausstellung „Painted Jazz“ des Düsseldorfer Malers Dietrich Rünger, der sich für seine Bilder von Blue-Note-Alben Cannonball Adderleys, Art Blakeys, John Coltranes oder Horace Silvers inspirieren ließ, rundeten diese Hommage an die beiden von den Nazis ins Exil getriebenen Jazzproduzenten ab. Noch eine erfreuliche Nachricht am Ende: Das Festival Total Music, 1968 als Gegenfestival zum JazzFest Berlin gegründet, entfiel 2009 wegen mangelnder Zuschüsse des Berliner Senats kurzerhand. Es soll aber 2010 als Fellow Traveller des großen Jazzfests wieder mit dabei sein, wenn es heißt: „Das 46. JazzFest Berlin ist eröffnet“. Andreas Kolb |
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