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Jazz ist Wagnis, ist Risiko. Jazzfestivals können, ja dürfen sich also nie sicher sein. Mit Mut zum Ungeahnten, zum so noch nie Gehörten stecken sie ihre Pfründe ab und setzen auf die Neugier des Publikums. Im günstigsten Fall. Oder sie verkümmern zum Gemischtwarenladen, bieten allen von Allem etwas.
Die Jazztage Dresden, einst aus privatem Engagement ins Leben gerufen und vor Jahren in die sächsische Landeshauptstadt gezogen, gehen sehr eigene Wege. Stilistisch ist kein roter Faden erkennbar, sondern alle Jahre wieder eine Beliebigkeit, die auch der gewogensten Hörerschaft heißkalte Duschen serviert. Da die Veranstalter dennoch auf Expansionskurs sind, kann dies nur bedeuten, dass sie sich Wagemut zwar bewahrt, ein Reiseziel aber noch nicht gefunden haben. Im Jahrgang 2009 ist das ursprünglich im beschaulichen Unkersdorf gegründete Festival, das sich längst den Namen Dresden zu eigen gemacht hat, quer durch das Land Sachsen gewachsen. Im dichtbesiedelten Ruhrgebiet mag das angehen, im klingenden Dreieck von Heidelberg, Ludwigshafen und Mannheim sowieso – aber zwischen Bad Schandau, Pillnitz, Meißen und Großenhain ein alles in allem sechswöchiges Fest mit dem Namen Jazztage Dresden abzuhalten, das klingt nach Größenwahn. Immerhin waren große Namen zu Gast: Al Di Meola mühte sich mit seinen Mannen in einer unsäglichen Spielstätte im Klinikum Dresden, bewahrte aber seine 55-jährige Frische ebenso wie die Contenance des gestandenen Könners und lieferte Sternstunden im knastähnlichen Bau ab. Dank der Zusammenarbeit von Jazztagen mit Dresdens Hochschule für Musik stach auch ein Abend mit Till Brönner, Günter Baby Sommer und weiteren Jazz-Professoren heraus, freilich im klangtüchtigen neuen Konzertsaal der Bildungseinrichtung. Mit zum Besten dieser aus 44 Konzerten und sechs Art Sessions bestehenden Jazztage, zu denen gigantomanisch an 27 Spielstätten 230 Mitwirkende sowie weitere 100 Chorsänger verpflichtet wurden, zählte das Aufeinandertreffen dreier Pianisten, die jeder für sich schon Ereignis gewesen wären. Im abendfüllenden Trio offenbarten Richie Beirach, Leonid Chizhik und David Gazarov erhabene Momente. Alle drei und jeder für sich exzellent, in wechselnden Konstellationen traf aber mal furiose Spielwut auf erotisches Tastenvernaschen, mal solistische Brillanz auf noble Intellektualität. Ein Höhepunkt dieser Jazztage, zweifelsohne, der Klassiker von Bill Evans und Thelonious Monk höchst gültig mit experimentierfreudigen Spielweisen der Gegenwart verband. Vermutlich hat es nur wenige Besucher gegeben, die von diesem Dreigestirn zu Recht begeistert waren und sich obendrein dem Jacques Loussier Trio im Vorprogramm hingegeben haben. Oder dem Abschlusskonzert der Klazz Brothers, die gemeinsam mit Cuba Percussion und anderen Gästen ihr „Best Of Classic Meets Cuba“ präsentierten. Auch ein „Swing Band Ball“, unter anderem von Andrej Hermlin und seinem Swing Dance Orchestra sowie lustvoll von Global Kryner dargeboten, dürfte nicht zuvörderst an die Jazzgemeinde adressiert gewesen sein. Eine „Funk & Soul Night“ auf Dresdens Flughafen war gewiss stimmungsvoll, schmierte aber am Jazz so kräftig vorbei wie die Django Davis Mozart Band mit ihrem virtuosen Entertainment. Lokalkabarettist Tom Pauls wurde mit sächsischer Mundart aufgeboten, Brass-Klänge, Kuba-Rhythmen, eine Gipsy-Nacht und auch Jazz für Kinder durften nicht fehlen.Überhaupt – die Damen des Jazz: Lisa Bassenge lieferte einen reichhaltigen Querschnitt ihres stimmwundernden Könnens, Doretta Carter heizte den wenigen Flughafengästen ein, Sinne Eeg bewies einmal mehr die Sangeskünste von nördlich der Ostsee, Céline Rudolph verband Folklore mit Experiment … Da hatten es selbst Meister wie James Morrison und Mike Stern nicht ganz leicht, mit grenzüberschreitendem Virtuosentum und Fusionklang dagegen zu halten. Spannungsvolle Wochen, gewiss, doch manchmal vielleicht ein wenig zu bunt. Denn es ist wie es ist: Wo Jazz draufsteht, sollte auch Jazz drin sein. Michael Ernst |
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