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Bei flüchtigem Drüberlesen könnte man es mit einem Namensvetter von Käpt`n Nemo verwechseln. Oder mit Versalien geschrieben als „Netzwerk Energieberatung München und Umland“, kurz: NEMU, identifizieren. Alles Kokolores. Im Frühjahr vor fünf Jahren zerbrachen sich Klaus Kugel (dr) und Albrecht Maurer (violin, gothic fiddle) stundenlang die Köpfe, um einen kurzen und prägnanten Namen für ihr neu gegründetes Label zu finden. „Da alle gut klingenden Kombinationen mit drei Buchstaben schon vergeben waren“, erinnert sich Maurer, „erweiterten wir auf vier.“ Während der gebürtige Aachener, der im November seinen 50ten feierte, eine Kombination nach der anderen bei Google eingab, rief auf einmal „…Klaus aus der Küche NEMU, so hieß mein früherer Hund“. Später ist Maurer außerdem die Idee gekommen, „den Namen mit neuem Inhalt zu füllen und einfach als Abkürzung für NEue MUsik zu nehmen“. Eine prima Idee, kommt doch dieser begriffliche Zusammenhang dem inhaltlichen Aspekt des Labels sehr nahe. Wobei Neue Musik hier deutlich mehr umfasst, als in der gebräuchlichen Definition als zeitgenössische ernste Musik des 20. und 21. Jahrhunderts. Die beiden Macher verstehen „Nemu Records“ „als eine Plattform für aktuelle Musik mit den Schwerpunkten Jazz, Neue Musik und Improvisierte Musik“. Maurers Interesse gilt speziell neuen reizvollen Fusionen aus all diesen Elementen, „am liebsten etwas, was sich einer klaren Einordnung entzieht.“ Darüber hinaus soll es zu einem Netzwerk für Gleichgesinnte und offene Geister werden, die sich für die Arbeit der Musiker interessieren. Dafür fehlt zwar noch als ein Forum oder chatroom auf der homepage, aber das kann ja noch werden. Mit bisher neun Produktionen ist der Katalog des Musikerlabels noch recht übersichtlich und kann an zwei Händen aufgezählt werden. Dennoch zeichnet sich schon bei den wenigen musikalischen Statements – an fünfen sind Maurer und/oder Kugel beteiligt – stilistische und formale Vielfalt als ein wichtiges Kennzeichen für das Label ab. Dem gegenüber wirken Layout und grafische Gestaltung der Reihe auf den ersten Blick eher simpel. Erst im Detail öffnet sich der Blick für einen ästhetisch-gestalterischen Formenreichtum, der durchaus mit dem musikalischen korrespondiert. Die untere Hälfte der kartonierten Digipacks ist bei allen Alben weiß. Dort stehen die Namen der Musiker(innen) und das Firmenlogo, die Schrifttypen sind einheitlich. Ein transparenter Streifen mit dem Albumtitel, der sich farblich an der Gesamtgestaltung orientiert, grenzt die obere Hälfte ab. Bis zum Album Nr. 005 – die erste DVD von Nemu mit dem „Ganelin Trio Priority“ des Pianisten Vyacheslav Ganelin – dominierte noch ein sattes, freundliches Grün, danach überwiegt die Buntheit. Mit der einfachen, durchdachten Bildsprache hat die Reihe einen hohen Wiedererkennungswert, ein Vorteil der sich durchaus schon bemerkbar gemacht hat. „Unsere CDs waren weltweit in allen Jazzcharts und werden auch relativ häufig besprochen“, führt Klaus Kugel stolz an. „Und alle Musiker die bisher auf NEMU produziert haben, hatten noch nie soviel Feedback und Airplay wie mit ihren eigenen NEMU Cds. Auch Musiker, die vorher auf etablierteren Labels unter eigenem Namen veröffentlicht haben.“ Jimi Wunderlich, Distributionsmanager und Booker in Personalunion, der von Berlin aus die Datenbank des Labels in Schuß hält, ergänzt: „.Die Verkäufe liegen in dem Bereich, den auch andere vergleichbare Labels erreichen. Dabei gibt es zwischen Ausland und Inland kaum Unterschiede, aber natürlich zwischen einzelnen Titeln.“ Gleich beim 001-ersten Album mit dem futuristischen Titel „Mars“ sind Maurer/Kugel im Quartett mit Claudio Puntin (cl, bass-cl) und Dieter Manderscheid (bass) zu fernen, wenig bekannten Ufern aufgebrochen. So schreibt der japanische Kritiker Hiromasa Horiuchi auf JazzTokio.com von einem sehr ambitionierten Werk, welches „(it) has a light poetic emotion with a soaring universal feeling“. Tatsächlich wirken Stücke wie „Chryse Planitia“ und „Valles Marineris“, benannt nach Landstrichen auf unserem Nachbarplaneten, in ihrer innigen klanglich-zarten Poesie irgendwie „entrückt, wie von einer anderen Welt“. Maurer erzählt, wie es zu dem spacigen Höhenflug gekommen ist: „Irgendwann sah ich die neuesten Fotos vom Mars und dachte: klar, da sind wir gewesen. Zunächst gab es nur die Musik und kein Konzept. Da die verschiedenen Mars-Landschaften sehr poetische Namen von irdischen Wissenschaftlern bekommen haben, wurde ich aber schnell fündig.“ Ein wunderbar spannendes Album ist auch „Hidden Fresco“, wo Maurer mit dem Alte-Musik-Spezialisten Norbert Rodenkirchen (mittelalterliche Traversflöten und Harfe) ein reizvolles Vexierspiel zwischen altem und neuem Klang betreibt. Der CD liegt ein faszinierender Text von Leonardo da Vinci zu Grunde, in dem es um das Betrachten verwitterter Mauern geht. Das zweite, neue Programm des Duos heißt „re / sound“ und verbindet mittelalterliche Musikzitate mit avantgardistischen Klangexperimenten. „Ich liebe es über den Tellerrand hinaus zu schauen und zu sehen wie die anderen Szenen zu funktionieren“, erläutert Maurer seine genreübergreifenden Aktivitäten. „Ich habe eine starke Affinität zu archaischen Klängen. Mit gotischer Fidel, Rebec und Lyrica spiele ich mittelalterliche Musik in dem Pariser Ensemble Dialogos und bin damit auch Teil der Alten Musik Szene.“ Gemeinsam mit Kugel, der in der Improvisations- und zeitgenössischen Jazz-Szene aktiv ist, entscheidet der vielseitige musikalische Grenzgänger über die Veröffentlichungen des Labels. Zu den ungewöhnlichsten Projekten gehören bisher das Album von Ute Kaiser und Achim Tang mit „Gedichte(n), Prosa und Briefe(n)“ der Mitarbeiterin und Geliebten Bert Brechts Barbara Steffin und die jüngste Neuerscheinung „Slow“ des litauischen Gitarristen Juozas Milasius. Ganz ohne Linernotes oder Kommentar offeriert der Litauer seine radikale Arbeit, eine Kombination aus ruhigen, romantischen Gitarrensounds und Klängen und Geräuschen aus dem PC 6.9, mit rätselhaften Titeln wie „Scalpel sad“, „The Rowels of Spurs“ oder „It`s Rare Air Here“. Es liegt nahe Milasius in Verbindung mit Arvo Pärt zubringen, zumal manchmal eine ähnliche Stimmung – melancholisch, minimalistisch, kontemplativ – zu herrschen scheint. Eher aber steht er in den Fußstapfen Pat Methenys, dessen radikalen Ansatz von „Zero Tolerance for Silence“ Milasius auf eigenwillige und nicht minder radikale Weise fortschreibt. Eine hochinteressante Entdeckung, wie fast alles auf diesem wirklich hochinteressanten Label – Nemu Records. Michael Scheiner Infos www.nemu-records.com , aber auch unter www.albrechtmaurer.com und www.klauskugel.com |
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