Mit 35 Konzerten und 31 exquisiten Programmen hat sich das Würzburg
Jazz Orchestra (WJO) seit der Gründung 2005 auch überregional
eine beachtliche Reputation erworben. Doch das anstehende Jubiläum
zu diesem dynamischen Aufbruch wird mangels finanzieller Förderung
in einem Dilemma stattfinden. Die Zukunft des WJO ist nicht gesichert.
Im Gespräch mit Hans-Dieter Grünefeld beschreibt Markus Geiselhart,
Gründer und Leiter des WJO, die Geschichte und Perspektiven seiner
Big Band.
Jazzzeitung: Mit welcher Intention haben Sie das WJO gegründet?
Markus Geiselhart: Als ich in Würzburg studierte, habe ich von 2002
bis 2004 die musikalische Leitung der Amateur-Bigband der Jazz-Initiative übernommen.
Wir haben nur einmal pro Woche geprobt und zwei oder drei Konzerte im
Jahr ge-
habt. Ende 2004 hat mich die Jazz-Initiative darüber informiert,
dass sie Ostern 2005 eine Jazz-Matinee im Großen Haus des Mainfrankentheaters
veranstalten wolle, und gefragt, ob ich mit der Big Band dort auftreten
möchte. Zu diesem Vorschlag meinte ich, dass für solch eine
renommierte Bühne nur ein professionelles Orchester geeignet sei.
Deshalb habe ich Kollegen aus der Nähe angerufen, die ich vom Landesjugendjazzorchester
Bayern und Bundesjazzorchester kannte. Für dieses zunächst
einmalige Projekt, darüber hinaus war nichts geplant, hatte ich
Repertoire von Don Ellis ausgesucht.
Jazzzeitung: Warum sind Sie denn gerade auf
die sehr exzentrische Musik von Don Ellis gekommen?
Geiselhart: Ja, ziemlich ungewöhnlich, nicht wahr? Zufällig
hatte ich kurz zuvor Aufnahmen von Don Ellis gehört. Mich hat dieser
Stil total fasziniert und ich habe mich gewundert, dass sich so lange
niemand um diese Musik gekümmert hat. Weil ich im erwähnten
Konzert etwas Besonderes vorstellen wollte, habe ich mich für Repertoire
von Don Ellis entschieden. Die Noten konnte ich in den USA auftreiben
und habe überlegt, wen ich als Gastsolisten einlade, einen Trompeter,
der so etwas überhaupt spielen kann. Thomas Gansch war dann bereit,
weil er sich schon mit Don Ellis beschäftigt hatte.
Jazzzeitung: Sie haben ja auch andere Tribute-Konzerte
gemacht. Wie ist deren Konzeption?
Geiselhart: Nun, das WJO wollte nach dem ersten Konzert
weitermachen, und wir hatten 2005 noch zwei Open-Air-Auftritte, eine
Gala und waren
beim Würzburger Jazzfestival. Und da ist mir im Verlauf des Jahres
klar geworden, dass die Band regelmäßig spielen muss, wenn
sie eine Perspektive haben soll. Bevor ich 2006 nach Wien umgezogen bin,
konnte ich noch eine Reihe mit sechs Konzerten jährlich in Würzburg
organisieren.
Die Konzeption der Konzerte ist nicht unbedingt festgelegt. Wir machen
viele unterschiedliche Programme, damit die Band fürs Publikum interessant
bleibt. Auch laden wir profilierte Gastsolisten ein. Davon abhängig
ist die jeweilige Konzeption: für das Tribute to Gil Evans mit Peter
Tuscher, Trompete, haben wir seine Arrangements übernommen, beim
Tribute to Jaco Pastorius mit Robert Riegler, Bass, aber selbst eine
Suite aus seinen Titeln zusammengestellt. Jazzzeitung: Wer macht die Arrangements, wenn
sie nicht original sind?
Geiselhart: Das Gros arrangiere ich, außerdem einige Kollegen aus
der Band.
Jazzzeitung: Wie haben sie kompetente Musiker für das WJO gefunden?
Geiselhart: Seit dem Gründungskonzert gab es schon Personalwechsel.
Man braucht gute Musiker, aber innerhalb der Band muss es auch menschlich
funktionieren. Das ist ein sozialer Prozess der Integration. Momentan
sind wir zufrieden miteinander. Nicht alle wohnen in Würzburg, Kontakte
gibt es auch zur Szene in Köln, Amsterdam und Wien. Das WJO rekrutiert
sich geographisch aus dem gesamten deutschsprachigen Raum. Jazzzeitung: Wie organisieren Sie die Logistik?
Geiselhart: Ich teile die Konzerttermine mit und schaue
dann, wie viele Proben möglich sind, meistens zu wenige, weil das Geld nicht reicht.
Normalerweise proben wir zwei Tage für ein Konzert, das werden dann
oft kräftezehrende Si-tzungen von manchmal zwölf Stunden. Jazzzeitung: Ist unter diesen Umständen ein individueller WJO-Sound
möglich?
Geiselhart: Im Grunde gibt es eine relativ stabile Stammbesetzung,
weshalb in den letzten Jahren durch die kontinuierliche Arbeit und Kommunikation
ein deutlicher WJO-Sound in der Praxis entstehen konnte. Wir identifizieren
uns mit dem WJO, weil nicht so viele freie professionelle Big Bands in
Deutschland existieren und unsere Programme ein künstlerisch hohes
Niveau haben. Sonst würden wahrscheinlich nicht so prominente Solisten
wie Ingolf Burkhardt, Herbert Joos oder Mathias Rüegg mit uns zusammenarbeiten.
Jazzzeitung: Trotz dieser Erfolge ist die ökonomische Situation
fürs WJO prekär geworden. Warum?
Geiselhart: Veranstalter bezahlen für unsere Konzerte nicht kostendeckend,
sondern wir haben das finanzielle Risiko fast allein, sind quasi Eigenveranstalter.
Das ist unser aktuelles Problem, wodurch eine langfristige Sicherung
des WJO-Projektes gefährdet ist. Es gibt in Deutschland und auch
anderswo in Europa keine nennenswerte Subvention für Jazzprojekte.
Wir sind frustriert, weil die positive Resonanz des WJO nicht pekuniär
anerkannt wird. Die meisten Musiker im WJO sind freiberuflich oder unterrichten.
Für mich als Bandleader ist das WJO allerdings schon die Hauptarbeit.
Ich weiß nicht, wie ich darauf reagieren soll, denn mit einem zugesagten
Jahresetat von 12.500 Euro kann ich in Würzburg keine Konzertreihe
fortführen. Jazzzeitung: Vielen Dank für das Gespräch. Hans-Dieter Grünefeld
Das Debüt-Album des WJO
„Artistry in Rhythmn – The Music of Stan Kenton, feat. Ed Partyka“,
Live at Bockshorn Würzburg ist über info@wuerzburgjazzorchestra.de
zu beziehen.
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