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Yael Deckelbaum Bei wirklich schönen Frauen geht alles zu schnell. Die 1979 in Jerusalem
als Tochter israelisch-kanadischer Eltern geborene Singer-Songwriterin
Yael Deckelbaum hat 2009 in ihrer Heimat eine CD herausgebracht, die
nun auch beim deutschen Label Löwenzahn erschienen ist. Sie heißt „Ground
Zero“, widmet sich nicht nur im Titelsong diversen Grund-Erfahrungen
menschlichen Daseins, besingt auch auf den neun anderen Nummern musikalisch
und textlich eindrucksvoll, was die junge Dame bewegt, was sie an- und
umtreibt. Mit anderen Worten: Die Begegnung mit Yael Deckelbaum via CD
ist ziemlich perfekt, hat nur einen gravierenden Makel – nach gut
einer halben Stunde ist sie schon wieder vorbei. Eine Reihe von erinnernden
Vergleichen tun sich auf; beim ersten Hören mag man an diese und
jene solistisch erfolgreiche Grenzgängerin denken, mit der sich
Deckelbaum auf akustisch ähnlichem Terrain bewegt. Je öfter
die zehn Titel erklingen, umso mehr offenbaren sie ihre Eigenständigkeit.
Ganz offenbar schöpft sie, die nach Naturtalent klingt, vom Schmelztiegel
aus Tradition und Moderne, aus Glauben und Wissen, aus ummauerter Engstirnigkeit
und flutender Globalisierung die von ihr bevorzugten Sahnehäubchen
ab. Essenzen puren Schönklangs oder banaler Inhaltsleere tauchen
da nicht auf, schon gar nicht schwimmen sie so weit oben. Hier wird so
energisch wie selbstvergessen gesungen, jedem Text haftet dramatischer
Zauber an, trotz teils poppig ausgeflippter Eskapaden sind die Stücke
prägnant, schweben zwischen Jazz und Rock, eine wunderbare Entdeckung. Pat Metheny Schon das Cover von Pat Methenys „Orchestrion“ erweckt einen
widersprüchlichen Eindruck. Eigentlich ist seine aktuelle CD ein
Soloalbum, diesmal eingespielt unter Mitwirkung eines Orchestrions, das
nun auch einen Platz in seinem umfangreichen Instrumentenpark gefunden
hat. Dabei ist dieses Instrument eigentlich das blanke Gegenteil des
Solospiels. Den Ursprung hat das Orchestrion im 19. Jahrhundert, konzipiert
als mechanisches Ungetüm, das mittels Lochkartensteuerung den Klang
eines ganzen Orchesters wiedergeben konnte. Und so löst sich das
Rätsel auch schnell und logisch auf: Pat Metheny ist seit jeher
ein Freund musikalischer Überraschungen und instrumentaler Besonderheiten.
Ob speziell für ihn konzipierte Gitarren oder von ihm dafür
entwickelte Klangsteuerungen, diesmal hat er sich mittels moderner Technik
ein komplettes Orchester inklusive Bass, Marimba, Percussion und einer
Flaschenorgel zusammengestellt, das er mit seiner E-Gitarre und einigen
computergesteuerten Tüfteleien bedient. Das Ergebnis wird unterschiedlich
bewertet werden. Eigentlich klingt sein Sound wie immer – vertraut,
unverwechselbar erkennbar. Auch finden sich in den Kompositionen genügend
Freiräume für Klang und Improvisationen. Dennoch fehlt hier
ein wenig die individuelle Ausdruckskraft, die Musiker ihren Instrumenten
verleihen. Trotz allem schafft Metheny es wieder mit unnachahmlichem
Sound in eigenen Stücken spannende Geschichten zu erzählen,
die den Hörer begeistern und in seinen Bann ziehen. Angelique Kidjo Die Sängerin Angelique Kidjo stammt aus Benin; als Kind hörte
sie westafrikanische Folklore und internationale Popmusik gleichermaßen
gern. Beide Einflüsse vermengt sie auf dem neuen Album „ÕŸÖ“.
R&B, Soul, Jazz und afrikanische Musik gehen hier Hand in Hand,
flankiert von brasilianischer Musik, Chanson und Bollywood. Mit Call-and-Response-Chören,
nachdrücklicher Percussion und Gesang in ihrer Muttersprache färbt
Angelique Kidjo die Hits von Carlos Santana, James Brown, Otis Redding
oder Aretha Franklin afrikanisch ein. Das gelingt bestens bei den schnellen,
energiegeladenen Songs. Die Balladen hingegen wirken durch die dicke
Instrumentation ein wenig klebrig. Beat Kaestli: Far From Home – Der in New York lebende gebürtige Schweizer mit dem urschweizerischen
Namen zollt seiner alten Heimat Europa Tribut: Komponisten wie Bizet,
Weill, Legrand, aber auch Annie Lennox, alle neu arrangiert, wechseln
mit Eigenkompositionen, gespielt von europäischen Musikern wie Uli
Geissendoerfer, Tino Derado und Sven Faller. Frische Klänge in den
Jazz bringen traditionelle Instrumente wie Mundharmonika, Akkordeon und
Violine. „Ich habe nach all den Jahren in New York immer mehr das
Bedürfnis, meine europäischen Wurzeln wieder musikalisch zu
erforschen, und durch die amerikanische Brille neu zu interpretieren.“ Alle
Songs präsentiert Beat Kaestli mit seiner warmen, klaren Stimme,
rhythmisch versiert, mitreißend, betörend. Der große
amerikanische Jazzsänger Jon Hendricks lobt: „soulful and
sensitive singing“. Bereits 1993 tauschte Beat Kaestli die Schweizer
Berge gegen den Großstadtdschungel New York, in der Tasche ein
Stipendium der renommierten Manhattan School of Music. Der Gewinn einer
Greencard machte es ihm möglich, die eigenen Grenzen im Land der
unbegrenzten Möglichkeiten auszutesten. Auf Umwegen über Funk,
Gospel, Musical, Pop und Fusion fand er 2003 zurück zum Jazz. Die
Klassik und einige Volksweisen hatte er noch aus seiner Kindheit im Gepäck.
Beat Kaestli hat in seiner abwechslungsreichen Musikerlaufbahn unter
anderem mit dem Glenn Miller Orchestra gespielt, sich in den bekannten
New Yorker Clubs wie „Jazz Standard“ und „Birdland“ etabliert
und ist durch Europa, Brasilien und Mexiko getourt. Ein Gute-Laune-Album. Louis Sclavis & Aki Takase Zwei, die das Schaffen des anderen lange genug aus
der Ferne bewundert haben, finden schließlich zusammen. Louis Sclavis trifft auf Aki
Takase. „Yokohama“ wurde das im SWR-Studio Baden-Baden aufgenommene
Spiel der beiden betitelt. Jetzt bereichert es das Repertoire des Schweizer
Intakt-Labels und wurde auch schon mit dem German Critics Award ausgezeichnet. Anja Lerch & Frank Sichmann Irgendwo muss ein wenig Hippie mit drin stecken, bei Anja Lerch oder
Frank Sichmann. Auf ihrem lange gehegten und nunmehr realisierten Wunschprojekt „Lieblingssongs“ – wörtlich
zu verstehen – haben viele so genannte Oldies Platz gefunden. Das
fängt bei Neil Youngs wunderbarer Ballade „Old Man“ an,
die Sichmann wie das fabelhafte Santana-Album „Caravanserei“ mit
Grillengesängen einleitet, und endet mit dem romantisch-magischen „Like
an Angel passing through my Room“ von Lerchs jugendlicher Lieblingsband
Abba. Dazwischen Hendrix (The wind cries Mary), Sting, Kate Bush, Cassandra
Wilson (Resurrection Blues/Tutu), Pat Metheny und die unverwüstliche
Joni Mitchell mit dem Hit „A case of you“. Das ansprechende
Duoalbum ist ein musikalisches Tagebuch, das sicher Erinnerungen bei
vielen Hörern wecken und freudiges Erstaunen hervorrufen kann. Erstaunen
deshalb, weil die Songs in eigenwilligen, auf Gitarre, Bass, Perkussion
und elektronische Effekte reduzierten, sehr stimmungsvollen Arrangements
daherkommen und dennoch erkennbar bleiben. Die phantasievolle und enorm
produktive Kombination akustischer und elektronischer Klangfarben bewahrt
die Musik vor jedem Anflug von Ermüdung. Da passt es einfach wunderbar,
dass Sängerin Anja Lerch mit vielen stimmlichen Nuancen, mal kräftig
zupackend, mal zurückhaltend die Stimmungen der Songs bis in verschattete
Ecken hinein ausleuchtet. Spirit’n’Jazz Der Name ist Programm: „Spirit’n’Jazz“ ist aus
der Zusammenarbeit eines deutschen Pfarrers und Pianospielers, Gunter
Hauser, und eines englischen Posaunisten, Paul Douglas, entstanden. Die
beiden zeichnen zudem mit den übrigen Bandmitglieder für die
Kompositionen verantwortlich. Das gilt auch für ihr zweites Album,
das den Erfolg, den die erste CD („Can you see …?“)
in einigen Teilen der Welt hatte, wenn nicht toppen, so doch daran anknüpfen
soll. Überwiegend entspannte Stücke vermitteln Loungestimmung
und tragen dabei manchmal etwas undefinierbar Unfertiges vor sich her.
Zu jedem Musikstück gibt es im Booklet Zitate aus verschiedenen
Weltreligionen und Philosophien. „Damit wird auf Gemeinsamkeiten
unterschiedlicher Kulturen hingewiesen“, führt der Pressetext
aus, „und das auf Jazz-typische, entspannte Art. Musik gibt dem
Universum eine Seele …“, das klingt dann doch etwas arg dick
aufgetragen. Und wenn man dem ganzen Drumherum- Geraune ein wenig auf
den Zahn fühlt, gilt das für die ganze CD. Es ist schöne,
lässig entspannte Musik, die türkischstämmige Sängerin
Leyla Tugal raunt bedeutungsschwere Worte und gibt romantischen Gefühlen
Raum. Was das aber mit geistlich-religiösen Empfindungen und/oder
Ideen zu hat, erschließt sich kaum. Swingender Latinsound, Bluesstimmung,
Coolness und schmeichelsanfte Balladen wirken zwar wie Seelenmassagen,
aber das verpufft schnell. Bern, Brody & Rodach Würde man nur den ersten Titel, die „Music For Fish“,
als Visitenkarte nehmen, könnte man denken, dass die Sympathien
von drei Persönlichkeiten – Triophilia – auf einem Minimalkonsens
basieren. Suggestiv wird ein kleines Motiv mit Trompete und Akkordeon über
monotonem Gitarrenpuls variiert, ohne dass eine interaktive Begegnung
stattfindet. Doch Michael Rodach, Alan Bern und Paul Brody wollten wohl
die Probe aufs Exempel machen, denn schon das „Eskimo Märchen“ überrascht
mit einer Tristeza-Chanson-Melodie vom Akkordeon, die im Bossa-Tempo
swingt. Im Shuffle-Rhythmus der akustischen Gitarre wird dann ein „Secret
Cinema“ besucht und „Angel Blue“ ist ein Mix aus Klezmer-
und Mississippi-Ambiente. Das Spektrum weitet sich sukzessive. Zum bizarren „Tango
Valeska“ etwa als großartige Kollektivimprovisation mit markanten
Trompetengrowls. Choral und Hymnus sind für den jüdischen Philosophen „Heschel“ reserviert,
exzentrische Bebop-Lineaturen für „Bartoki“-Erinnerungen.
Die Signatur von Triophilia ist also bewusste Reduktion zugunsten von
Intensität. Bern, Brody & Rodach nähern sich über
Klänge aus sehr verschiedenen Ressourcen, um sie unkonventionell
und mit Respekt voreinander zu kombinieren. Die Verwirklichung dieses
Konzepts ist ihnen unprätentiös gelungen, indem sie die Aufmerksamkeit
für ihre Exkursionen stets durch eine Balance von musikalischer
Disziplin und Spontaneität bewahren. Paul Kuhn Trio Alle Altersattribute sollte man bei Paul Kuhn
vergessen. Er ist mit 82 Jahren als Pianist fit und inspiriert. Nur seine
Erfahrung ist in der
Auswahl und Präsentation von „Unforgettable Golden Jazz Classics“ bemerkbar.
Denn im Trio mit Martin Gjakonovski und Willy Ketzer wird er essenziell,
indem er souverän, aber nicht abgeklärt, seine Favoriten aus
dem amerikanischen Songbook intoniert. Uneitel führt er den Swing
in „Nuages“ von Django Reinhardt zu subtilen Rubato-Improvisationen,
bleibt gelassen beim Jumping-Riff zu „Speak Low“ von Kurt
Weill. Die eigene Hommage an den 2008 verstorbenen Musikerfreund Johnny
Griffin seufzt in Blue Notes, doch nicht larmoyant, sondern wie eine
postume Konversation mit „Griff“. Romantische Timbres im
Stil der Popgruppe Silbermond fügt als Gast Gaby Goldberg mit Deutsch
gesungenen Texten hinzu: Sie fragt im Duo mit Paul Kuhn, „Wo fang
ich an?“ (das ist die Ballade „Where Do You Start“ von
Johnny Mandel) und „Träume heißen Du“ (der Samba-Type „I
concentrate On You“ von Cole Porter), Songs, deren Vokalstil und
Arrangements angenehme Passformen haben. Auch Kuhn selbst singt, wie
meistens, verschmitzt aber eher rezitativ „You‘re Driving
Me Crazy“ von Walter Donaldson, was Martin Gjakonovski ironisch
am Bass kommentiert. Virtuos Willy Ketzers Drumsolo zu „Puttin’ On
The Ritz“, wie sich überhaupt zeigt, dass dieses Klaviertrio
die Rhetorik der Jazz Classics präzise und mit Herz gestalten kann. Vahid Matejko Musik grenzenlos, hochkarätige Solisten und ein Potpourri musikalischer
Genres. Vahid Matejkos zweites Album „Light of Unity“ vereint
59 Künstler aus 5 Kontinenten und 26 Ländern. Jazz, Weltmusik,
moderne Klassik mit Orchestrierung oder Big-Band-Sound. Dem Bahaismus
gewidmet, von persisch-deutsch-polnischen Wurzeln inspiriert. Matejko
kreuzt Europäisches mit Fernöstlichem und erzeugt Klangfarben
einer vereinten und vermengten Musikkultur. Die „Oborido Suite“ ist
eine namentliche Mischung aus Oboe (Michael Niesemann) und Digeridoo,
welches, eingebettet in westlichen Streichquartettformen, eine rhythmische
Schlüsselstellung erhält. Matejko verwendet nicht nur so exotisch
anmutende Instrumente wie die Tombak, eine persische Handtrommel oder
die Kamantsche, die iranische Kniegeige, sondern mischt diese mit der
polyrhythmischen Struktur der Pygmäengesänge aus Zentralafrika,
der lateinamerikanischen Tanzmusik („Dulces Recuerdos“),
fernöstlichen Melodien der iranischen Volksmusik („Iranian
Journey“) oder dem Klezmer („Bazar In The Old City“).
Darunter vermengt er westliche kompositorische Formen und natürlich
Neue Musik. Nils Wülker Was ist Jazz? Vielleicht nur eine konventionelle Hülle, der musikalische
Background, allenfalls eine fiktive Schublade? Was darf „Mann“ und
was darf er nicht? Eigentlich ist es egal, denn hört man das neue
Werk „6“ von Nils Wülker, werden jegliche musikwissenschaftlichen
Schablonen, musikanalytischen Abarbeitungslisten über Bord geworfen.
Er ist nicht mehr nur äußerst talentierter Trompeter, Besitzer
eines eigenen Labels und erster deutscher Jazzmusiker, dessen Album bei
Sony Music erschien; nun ist er auch noch Sänger. Welch ein Haudegen.
Einfach ein Macher. Für Wülker ist die Trompete Ausdrucksmittel
und nicht heimliche Liebschaft. Sein Outing als nicht untalentierter
Troubadour, war bei diesen wunderbar sonoren Gesangslinien der Trompete
eine logische Folge. Zehn goldene Songs, wobei er bei zweien zum Mikrofon
greift. Vor einem Jahr tönte er noch, „Ich kann halt nicht
singen“. Nun stellen wir mit Freude fest: es war gelogen! Der Gesang
ist lecker, die Texte noch nicht ganz, aber wer weiß, was uns beim
nächsten Album-Coup des Nils Wülker erwartet. Tadel wäre
also unbegründet. Jamie Cullum Mit seiner fünften Veröffentlichung ist Jamie Cullum weiter
auf verdientem Erfolgskurs. Was 1999 mit „Heard it all before“,
ein paar reinen Jazz-Standards, begann, entwickelte sich kontinuierlich über „Pointless
Nostalgic“, „Twentysomething“ und „Catching Tales“ mit
seiner CD „The Pursuit“ nun zu ganz großem Kino. Mittlerweile
bewegt Jamie Cullum sich souverän zwischen jazzigen roots à la
Cole Porter, musikalischen Eckpfeilern seiner Jugend und aktuellen Sounds
von Aphex Twin oder Rihanna, also etliche Stile, die eher verschreckend
wirken als kombinierbar – es sei denn Jamie Cullum betritt als
Protagonist die Szene. Als Vokalist, kombiniert mit Piano oder Gitarre,
er ist stets auf der Suche, krempelt alles um, schreibt begnadete Kompositionen
und drückt Stücken seinen unverkennbaren Stempel auf. Trotz
seiner mittlerweile 30 Lenze umgibt ihn nach wie vor ein jugendlicher
Charme, mit unkonventionellem Auftritt. Ob bei Rihannas Coverversion
von „Don’t stop the music“ oder seinem wundervollen
Liebeslied „Love ain’t gonna let you down“ – Cullum
versteht es einzigartig, mit leicht rauer Stimme den Songs eine eigene
Seele zu geben. Dabei spielt die Instrumentierung immer eine (ge-)wichtige
Rolle. Count Basie Orchestra, Strings und Backing Vocals, Trio, Jazz-Standard
oder Dance-Track … Jamie Cullum ist immer auf der „Jagd“,
dem Streben nach eigenen Sounds und musikalischen Ideen. Solche mutigen
Individualisten, die mitreißen, sind heute leider recht selten
geworden. Heinz Sauer, Michael Wollny, Joachim Kühn:
IF (BLUE) THEN (BLUE) IF (BLUE) THEN (BLUE) ist die mittlerweile dritte Duo-CD von Heinz
Sauer unter Mitwirkung des Pianisten Michael Wollny. Damit es diesmal
noch
abwechslungsreicher und spannender wird als bereits auf den beiden CDs „Certain
Beauty“ und „Melancholia“, klinkt sich Joachim Kühn
als weiterer Partner ein. Altersunterschiede zwischen den Musikern verschwinden
dabei komplett – Michael Wollny (geb. 1978) bewegt sich musikalisch
ebenso versiert und beseelt wie Joachim Kühn (geb. 1944) gemeinsam
mit dem großen Saxophonisten Heinz Sauer (geb. 1932). Dabei entsteht
aus dem bisher „starken Duo Sauer/Wollny“ nun eine Konstellation,
die ebenso überzeugt und begeistert, zumal Heinz Sauer wie Joa-chim
Kühn, zwei große Protagonisten des deutschen Jazz, bis dato
noch nie zusammen gespielt haben. Abgesehen davon überzeugt auch
das Konzept der Aufnahme, inspiriert vom 50. Jubiläum des Miles-Davis-Klassikers „Kind
of blue“. Sauer setzt jeweils mit Wollny/Kühn im direkten
Duolog spontane Momente um, ausgehend von Klassikern wie „All Blues“, „Sophisticated
Lady“ oder „Lover Man“, die sich abwechseln mit Eigenkompositionen
aus den Federn des Duos, bzw. bei „There Again“ und „Go
from here“ der Pianisten. Dabei entsteht im kreativen Fluss eine
packende musikalische Atmosphäre. Die-se Duo-Einspielungen bestechen
nicht nur durch respektvolles Miteinander, sondern vor allem durch souveränes
Ergänzen mit gelungenen musikalischen Klangfarben, die diese inspirierte
Zusammenarbeit der Musiker kennzeichnet. Frøy Aagre Stille. Ein seltsames Grundkonzept für Musik. Doch in Frøy
Aagres drittem Album „Cycle of Silence“ geht dieses auf.
Distanzen, räumliche und zeitliche, bestimmen die zehn ruhigen Songs,
wenn in „Steam Train“ eine Zugreise von Oslo nach Bergen
mit dem Sopransaxophon nachgezeichnet wird oder im Titelstück das
Benutzen von Pausen zum musikalischen Credo avanciert. „Cycle of
Silence“ wirkt wie eine Landschaftsbeschreibung: Am Anfang war
die Schneeflocke, sie schwebt dahin, bettet sich langsam in einen Rhythmus;
verworrenes Wollgarn entwirrt sich, löst Knoten, flicht Schleifen
um norwegisches Baumgeäst, besetzt Fjorde, um dann im Schein eines
Polarlichts langsam und stetig sich aufzulösen. Mitternachtssonnen
zum Schluss; langsamer, ruhiger. „Greatness often lies in compactness“,
so Aagre. Was die 32-Jährige „compactness“ nennt, ist
aber noch weitaus mehr, wobei „Cycle of Silence“ sich das
lyrisch Nordische im Kern bewahrt, von Folklore beherrscht und von tippelnden
Grieg’schen „Elfentänzen“ auf dem Klavier geprägt
wird. In Zeiten Griegs war norwegische Musik noch die romantische Suche
nach Freiheit, einer norwegischen Identität. Heute ist Norwegen
ein Kulturparadies, vor allem im Bereich Jazz. Landschaftsbilder, Volksmusik
und Natursagen sind die Sujets – immer noch und Frøy Aagres
Album ist dabei wie ein Blick durch ein Kaleidoskop des norwegischen
Jazz: bei all den bewegten Bildern doch zart und still. Nur die Pausen,
die dürfen beim nächsten Mal intensiver sein. |
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