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Er begann seine Laufbahn mit einem Senkrechtstart. Sein Album „Fourteen Bar Blues” von 1979 glich einer wichtigen Wortmeldung auf dem Tenorsaxophon. Bennie Wallace wurde von der Fachpresse gelobt, erfreute sich auf Anhieb großer Beliebtheit beim Publikum, wurde mit dem Preis der deutschen Schallplattenkritik geehrt und als „New Saxophone Giant“ oder „Meister des Meta-Bop“ gefeiert.
Im Unterschied zu ganzen Völkerstämmen von Tenorsaxophonisten, die sich mit gut Geübten auf großen und kleinen Bühnen tummeln, ohne je als besondere Stimmen wahrgenommen zu werden, gelang dem am 18. November 1946 in Chattanooga/Tennessee Geborenen etwas höchst Erstaunliches: die Neudefinition des Instruments aus dem Geist der Tradition. Dabei folgt er einer Linie, die von Coleman Hawkins über Sonny Rollins in die Gegenwart führt. Alles hat er aufgesogen, die Neuerungen eines Archie Shepp ebenso wie den balladesken Gestus eines Ben Webster. Vor allem aber: Bennie Wallace erzählt eigene Geschichten. Anfang der sechziger Jahre spielte er, damals ein Teenager, in den schwarzen Klubs seiner Heimatstadt. „Für mich als einen weißen Musiker bedeutete das auch einen Schritt von politischer Bedeutung. Dieses Gefühl von Solidarität und Freundschaft wird mich immer begleiten. Die Black Brothers haben mich ermutigt und herausgefordert.“ Bennie Wallace vermochte sich zu behaupten, weil er sich nicht mit Angelerntem begnügte, weil er von Anfang an wusste, dass ein nachgespielter Chorus gar nichts bedeutet. Mit den großen Namen der Jazzgeschichte in Verbindung gebracht zu werden, begreift er hingegen als Wertschätzung: „Wie sollte ich etwas dagegen haben. Das sind doch meine Heldengestalten. Wenn man sich selbst ausdrücken will, muss man von den Meistern lernen. Allerdings gliche es einer Beleidigung, sie kopieren zu wollen.“ Für Bennie Wallace ist es schwer vorstellbar, Jazz an einer Schule zu lernen. „Letztlich“, bekennt er, „geht es doch nicht darum zu zeigen, wie virtuos man spielen kann, sondern darum, ob es einem gelingt, das Publikum zu berühren.“ Nach Jahren des Erfolgs auf den Jazzbühnen dieser Welt hat sich der Tenorsaxophonist Anfang der neunziger Jahre von der Szene zurückgezogen. Er komponierte und arrangierte für andere, in den Traumfabriken von Hollywood. Knapp ein Jahrzehnt lang hielt er das durch. Dann packte ihn wieder das Jazzfieber. „Du kannst noch so tolle Sachen am Schreibtisch orchestrieren und noch so viel Geld verdienen. Wenn du dieses Feeling in dir trägst,“ gesteht Bennie Wallace, „musst du früher oder später wieder zum Horn greifen.“ Was selten gelingt: Glanzvoll wie der Aufstieg vor rund fünfundzwanzig Jahren gestaltete sich auch das Comeback. Mit einem beeindruckenden Gershwin-Album meldete sich Bennie Wallace 1999 auf der Szene zurück. Im gleichen Jahr präsentierte er sich beim JazzFest Berlin mit frischer Energie und einem beseelten, einem mit Erfahrungen angereicherten Ton – gleichermaßen zart und robust, nie anbiedernd und doch voller Leidenschaft. Mit Gershwins Melodien geht er um wie mit Blueprints für eigene Erzählungen. Ewig-Menschliches, gegossen in Songstrukturen, die sich individuell aus- und umformen lassen. Evergreens als Anstoß, die Seele zu öffnen. Seine Musik habe er nicht nach einem Plan entwickelt, sagt Bennie Wallace, sie sei gereift und gewachsen. Kein Zweifel, er wandert über ein Hochplateau, befindet sich im Zenit seines Schaffens. Mit einem seiner Programme hat er Coleman Hawkins, den „Vater des Tenorsaxophons“, geehrt, der 2004 hundert Jahre alt geworden wäre. „Ein Original wie Hawkins kann man nicht einholen“, sagt der Jazzmusiker der Enkelgeneration. „Was man kann, ist, sich aus dem Gefühl für die Tradition und die Klangsituation der Gegenwart, selbst einbringen.“ Das macht er und darin besteht das gar nicht so geheime Erfolgsrezept des Bennie Wallace. Einmal, nach einer Jam Session, im Mor-gengrauen, auf dem Weg zum Hotel meinte er Coleman Hawkins begegnet zu sein. „Bean“, wie sie den „Vater des Tenorsaxophons“ nannten, sah verwahrlost aus, schien heimatlos umherzulaufen. „Du hier“, begrüßte ihn Bennie Wallace, erschrocken, ehrfurchtsvoll, verlegen. Hawkins blickte auf den Saxophonkoffer des Jahrzehnte Jüngeren. Er schien etwas sagen zu wollen, aber er brachte nur eine undeutliche Bemerkung hervor. Zögerlich begann er eine kleine Melodie vor sich hin zu summen. Bei Wallace entstand augenblicklich im Kopf so etwas wie die Übersetzung dieses brüchigen Sprechgesanges in eine mächtige Tenor-Stimme, in ein Solo von überwältigender Kraft und Leidenschaft. Wie würde er seinen Herzschlag der Welt mitteilen wollen? „Noch immer und immer wieder eine Ballade, das ewige Lied von ‚Body And Soul’, von einem Horn, dem du Leben einhauchst und das dich zugleich aussaugt, bis nichts mehr da ist außer einem großen Klang, der sich am Himmel verflüchtigt wie weißer Rauch …“ Bean nickte, stumm, er hatte alles gesagt, verschwand in der Dunkelheit. Bennie Wallace hauchte früh im Hotelzimmer „Someone To Watch Over Me“ ins Tenorsaxophon. Er wusste, von nun an war er unverwundbar, er hatte seinen Schutzengel getroffen. Bert Noglik
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