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Für einen ausgebufften Popmanager ist das Label ein Albtraum. Coole Rapgeschichten, gediegene Chöre, melancholischer Fado neben heißem Club-Jazz, pulsierenden Worldsounds, Gesängen von Pakistan bis Berlin, von der Inneren Mongolei bis ins tiefe Mittelalter. Und dazwischen auch noch Tango Nuevo e Contemporáneo, ganz zu schweigen von Funk, Pop, Jazzrockkrachern, Klassik und frühem Ethnojazz, manchem geläufiger unter dem Sammelbegriff Fusion. Das kleine und nach wie vor unabhängige – darauf legt Labelgründer und -betreiber Uli Balß doch einigen Wert – Bremer Label Jaro ist aus dem windschnittigen Blickwinkel jedes Marketingexperten eine Katastrophe. Wie soll man einen solchen Gemischtwarenladen denn am Markt platzieren? Wie die Musik verkaufen? Als Jazzlabel? Vokalverlag? Als Plattenmarke für Worldmusik? Und dann obendrein noch Musik und Alben, die bald 20 Jahre auf dem Buckel haben. Dabei ist Jaro Medien, wie sich das strikt künstlerorientierte Unternehmen aus Verlag, Agentur, Tourneeorganisation und Mailorder-Vertrieb heute nennt, gerade einmal 25 Jahre alt. Also nix ausmustert. Da scheint Qualität drinzustecken und die kann sich auch heute noch hören lassen. Hand drauf! Den Anfang machte ein Album, dem man heute umgehend das Etikett Kult verpassen würde: „Live in der Balver Höhle“ der finnischen Band „Piirpauke“ um den Saxofonisten Sakari Kukko. Balß produzierte mit seinem Jazz & Rock-Label, aus dem er das Kürzel JaRo destillierte, noch einige Alben der Ethnojazzer. Mit einer Mischung aus Jazz, finnischer Folklore und ethnischen Einflüssen aus aller Welt wurden die lange vor Etablierung des Begriffs Worldmusic international populär. Es folgten bald die polnischen Jazzrocker von Crash, die verqueren Popapologeten von The Blech, der aufregende japanische Fusiontrompeter Toshinori Kondo mit seiner Band IMA und der holländische Pianist und Keyboardwizard Jasper van`t Hof. Letzterer steht, wie der später zur Labelfamilie gestoßene jüdisch-moldawische Pianist Mikhail Alperin (Moscow Art Trio), der Bandoneonspieler und Komponist Luis di Matteo aus Uruguay und der türkische Schlagzeuger-Perkussionist Okay Temiz (Oriental Wind) für ein Eigenschaft, die Balß besonders am Herzen liegt – Kontinuität. Auch wenn mit einem Künstler oder einer Band auf Anhieb keine goldene Nase zu verdienen war (oder ist), setzt der Labelboss auf eine langfristige Zusammenarbeit. Letztlich zahlt sich diese Strategie aus, wie an weltweit tourenden und gefeierten Ensembles wie dem bulgarischen Frauenchor „The Bulgarian Voices Angelite“, der „Warsaw Village Band“ – dem jüngsten Spross im Jaro-Stall – und dem „Moscow Art Trio“ mit dem russischen Hornvirtuosen Arkady Shilkloper zu erkennen ist. 180 Tonträger hat Balß in den vergangenen 25 Jahren produziert. Einige davon wurden mit internationalen Preisen – Musikpreis der UNESCO für Nusrat Fateh Ali Khan – oder Grammy-Nominierungen – The Bulgarian Voices Angelite – ausgezeichnet. Im verführerischen Backkatalog finden sich kaum Eintagsfliegen, dafür viel Überraschendes, spannende Entdeckungen und bemerkenswerte Crossover-Projekte. Die Beziehung von West-Ost, Orient-Okzident bilden die geistig-kulturellen Bezugspunkte für Uli Balß, um Entdeckungen zu präsentieren und unbekannte musikalische Welten, wie den früh verstorbenen georgischen Sänger Hamlet Gonashvili oder „The Shin“, für westliche Ohren zugänglich zu machen. Seinen abwägenden und immer eigenwilligen Blick richtet er dabei keineswegs nur in die Ferne. „Das Bremer Stadtimmigranten Orchester“ ist ein elfköpfiges Ensemble von Multiinstrumentalisten aus aller Welt, die in der Heimat der „Bremer Stadtmusikanten“ leben und, von dem amerikanischen Weltmusikforscher Willy Schwarz geleitet, ,Multikulti’ auf neue Weise hör- und erlebbar machen. Michael Scheiner
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