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Sie hat Schlagzeilen gemacht, aus anderen Gründen als man es der großen Musikerin gewünscht hätte. 1995 hatte Shirley Scott begonnen, das später verbotene Diät-Präparat “fen-phen” zu sich zu nehmen. Als sie davon schwer krank wurde, verklagte die jahrelang ans Bett gefesselte Frau ihren Arzt und den Hersteller auf 8 Millionen Dollar – und gewann im Jahre 2000 den Prozess. Ihr Leben hat es leider nicht gerettet. Sucht man nach jenen, die schon in den 50er-Jahren die Hammondorgel im Jazz durchsetzten, also jene Pionierarbeit leisteten, welche die unglaubliche Erfolgsstory der Orgel in den 60er-Jahren erst ermöglichte, dann muss neben dem viel zitierten Jimmy Scott gerade auch Shirley Scott genannt werden. Als Kind erlernte sie das Musizieren auf Trompete und Klavier; das Klavier blieb ihr Nebeninstrument, als sie der Druck ihres Mangers dazu veranlasste, zur Orgel zu wechseln. An der Seite von Tenoristen wie Eddie „Lockjaw“ Davis, bei dem sie bekannt wurde und Stanley Turrentine, mit dem sie verheiratet war, offenbarte sie eine Spielweise, die sich von der ihrer zahlreichen männlichen Kollegen à la Smith unterschied. Nicht laut und schrill war das Orgelspiel der zierlichen Frau, sondern fein, weniger ekstatisch als subtil. An der nötigen Kraft fehlte es ihr freilich nicht. Sie war, wie man es von Organisten erwartet, eine hervorragende Blues-Interpretin. Während ihre Kollegen aber ihr Hauptgewicht vor allem auf Bluesiges legten, wartete sie mit einem besonders breit gefächerten Repertoire auf, spielte gerne seltene Standards und verachtete aktuelle Pop-Songs nicht. Als die Popularität der Hammond B3 in den 70er-Jahren nachließ und Scott sich wieder für das Klavier als Hauptinstrument entschied, nahm sie nur noch sporadisch Platten auf. Doch sie fand stets wichtige Aufgaben. Ab 1991 unterrichtete sie Jazzgeschichte und Klavier an der Cheney University, 1993 wurde sie musikalische Leiterin der Quiz-Show des beliebten Bill Cosby. Auch als Kirchenmusikleiterin und Jazz-Promoter war sie noch tätig. Ihr Ehrenname „Queen Of The Organ“, der auf mancher Scheibe von ihr prangt, ist keine Übertreibung. Im Jazz konnte Shirley Scott, zumindest vor dem Durchbruch Barbara Dennerleins, als Königin der Königin der Instrumente gelten. Doch Shirley Scott war weit mehr: Wenn das so eindeutig von Männern dominierte Reich des Soul-Jazz der 60er-Jahre eine Queen hatte, dann Shirley Scott. Marcus A. Woelfle |
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