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Der Jazzer hat es schwer heutzutage. Man muss immer innovativ sein und dabei möglichst publikumswirksam, man will ja schließlich überleben. Leicht ist das nicht, denn alles, was erwiesenermaßen gut ankommt ist ein alter Hut und bop-fremdes Material zu spielen, reicht allein nicht aus, um den konzertmüden Jazzveteranen vom lieb gewonnenen CD-Player weg in den Jazzclub zu holen.
Die drei Musiker von Trio ELF versuchen es dennoch und die Melange, die Gerwin Eisenhauer, Walter Lang und Sven Faller bei ihrer CD-Präsentation von „ELF“ im Regensburger Jazzclub Leerer Beutel anbieten, hebt sich in der Tat von dem ab, was in der Branche zur Zeit handelsüblich ist. Dazu bedient sich das Trio einer erweiterten Form des drum’n’bass, die sie sinnigerweise drum’n’bass’n’piano nennen. Das ergibt einen Sound, mit dem sich Trio ELF erfrischend vom Mainstream-Pianotrio abheben, ohne sich dabei zur Reihe der unzähligen Bands zu gesellen, die sich mit überflüssigen Ethno-Anleihen einen interessanten Anstrich zu geben versuchen. Gleich zu Beginn ihres Konzerts machen Eisenhauer, Lang und Faller mit ihrer gelungenen Adaption von Aphex Twins „Flim“ deutlich, dass sie ihre Soundvorstellung auch in Gebieten ansiedeln, in die ihnen nicht jeder Jazzfan folgen kann. Der Guru der Elektro-Szene Aphex Twin wird sicherlich eher selten herangezogen, wenn Jazzmusiker nach Stücken für neue Aufnahmen suchen. Das könnte aber ruhig öfter passieren und Trio ELF beweisen, dass ursprünglich als elektronische Musik entstandene Stücke auch als Live-Musik für den Jazz-Bereich einen Wert haben können. Dabei bekommt der Zuhörer allerdings einiges auf die Ohren. Bei ruhigen Stücken, wie Kenny Barrons „Sunshower“ oder „Fruta Boa“ von Milton Nascimento, lehnt man zwar noch eher entspannt im Stuhl und nippt am kühlen Bier, aber wenn Gerwin Eisenhauer anfängt, die Stöcke richtig zu schwingen, dann stellt sich auch beim geneigten Zuhörer ein leichtes Rauschen im Gehörgang ein. Virtuos und mit unerhörter Präzision bearbeitet Eisenhauer Trommeln und Becken, so dass trotz Kleinstbesetzung ein dichter Sound entsteht, dessen Lücken Bassist Sven Faller zum Wohl der Musik vergleichsweise spartanisch ausfüllt. Das gibt ihm Zeit, hin und wieder den Sampler zu bedienen. Aber der hat keine besonders vordergründige Rolle. Trio ELF präsentieren sich als Live-Band, die der handgemachten Musik den größten Raum zugesteht. Deshalb ist das Live-Konzert auch der CD vorzuziehen. Die drei Musiker sind Profis, die aufeinander hören und dadurch eine Atmosphäre aufbauen können, die bei der Aufnahme verloren geht. Insbesondere Walter Lang versteht es, mit der Situation zu arbeiten und Eisenhauers starker solistischer Präsenz Paroli zu bieten. Vor allem seine lyrischen Qualitäten, wie er sie bei seiner Eigenkomposition „No Goodbyes“ zeigen kann, bereichern den Klang der Band und bieten Gerwin Eisenhauer Gelegenheiten, die Sticks auch mal ein wenig gemächlicher zu schwingen. Manch einer im Gewölbekeller des Leeren Beutel hat sich inzwischen, schwer kämpfend, an den ungewohnten drum’n’bass-Rhythmus herangetastet, da tönt endlich Altbekanntes durch den Raum: die Melodie von Paul Desmonds „Take Five“! Die Anhänger der traditionellen Jazzklänge atmen auf. Ein wenig Altes hat sich also auch in die Zeiten von drum’n’bass’n’piano gerettet. Eisenhauer kennt zwar keine Gnade und zieht seine halsbrecherische Begleitung eisern auch bei diesem eher tänzerischen Standard durch, aber alles passt wie durch ein Wunder genau zusammen. Nein, man kann wirklich nicht meckern, die Elemente aus älterer und jüngerer Jazzgeschichte werden von Trio ELF sehr gelungen miteinander verknüpft und schließlich kommt mit der Bearbeitung des koreanischen Volkslieds „Bang-Ma Gang“ sogar noch ein wenig Ethno ins Spiel. Also doch! Aber eben nur ein wenig, und vor allem deshalb, um Walter Lang Gelegenheit zu liefern, die Möglichkeiten zur elektronischen Verfremdung eines Flügels zu erproben oder, um einmal die Klaviersaiten als Zupfinstrument zu missbrauchen. Derlei Exzesse macht er aber sofort wieder gut, indem er sich bei seiner Komposition „Why? Because!“ von Bach’schen Sequenzen inspirieren lässt und dem Flügel wieder in herkömmlicher Weise (solistisch) zu Leibe rückt. Die Zeit vergeht schnell, bald ist das Ansage-Mikro in demokratischer Weise mehrfach gekreist und auch Sven Faller hat bei seiner Komposition „Elfantz“ zeigen können, was er als Solist am Bass zu bieten hat. Walter Langs langes Haar ist nicht mehr ganz so perfekt nach hinten gekämmt wie anfangs und ein erschöpfter Gerwin Eisenhauer hat sein T-Shirt völlig nass geschwitzt. Nicht jeder im Saal wird sich nach dem Konzert als Fan von drum’n’bass outen, aber dass drum’n’bass’n’piano ein guter Weg in eine jazzige Zukunft sein kann, das haben Trio ELF an diesem Abend im Leeren Beutel gezeigt. Jörg Lichtinger |
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