Anzeige |
|
|
Anzeige |
|
Im 40. Jahr seines Willisau-Wunders war es dem Grafiker und Designer Niklaus Troxler gelungen, dem anhaltenden Publikumsschwund dank Investitionen in Programm und Promotion Einhalt zu gebieten. Die 32. Ausgabe des Jazz-Festivals hatte ein junges Publikum ins Hinterland Luzerns gelockt. Es goutierte einen gewohnten „ausgewogenen Mix von Bekanntem und Unbekanntem“, wie Troxler stets seine Programme nennt. „Was mir gefällt, kann auch anderen gefallen“, so seine selbstbewusste Annahme. Das diesjährige Festival, das im letzten Moment durch zusätzliche Sponsoren gesichert wurde, präsentierte in erster Linie „Working Bands“, will sagen, dass auf riskante Projekte verzichtet wurde. Auch zugkräftige Namen fand man im Programm, allen voran jene der von Troxler bevorzugten Great Black Music. Dass das World Saxophone Quartet und die Mingus Dynasty dann wegen ihrer drögen Vorträge enttäuschten, steht auf einem anderen Blatt. Zwiespältige Gefühle hinterließen auch John Surman und Jack De Johnette, die die intimen Duo-Nachmittage mit vorwiegend vorproduzierten Tonspuren konterkarierten. Spontane Zwiegespräche lieferten eher Sylvie Courvoisier und Joey Baron, der kurzfristig für den erkrankten John Zorn einsprang. Umso erstaunlicher dann die spannenden Dialoge, die sich der Schlagzeuger und die Pianistin lieferten. Ihre Dissonanzen und Cluster, dann zarten Harmonien mündeten in dichte Klangkaskaden, auf die Baron versiert reagierte, mal ziselierend, mal explodierend. Neuentdeckungen im eigentlichen Sinn gab es in Willisau wenig zu machen. Vielleicht die beiden Schweizer Formationen um die Pianisten Nick Bärtsch und Malcolm Braff. Beide steigerten sich in einen Spielrausch, so extrem unterschiedlich sie auch waren. Deutlich wurde, dass die kleine Schweiz über eine der reichhaltigsten Jazz-Szenen Europas verfügt. Dass das Arbeiten an Details mitunter wichtiger ist, als neue Namen auszumachen, demonstrierten Gitarristen. Bill Frisell gab sich erstaunlich Country resistent und verblüffte mit einer großartigen Monk-Dekonstruktion. Auch John Scofield vermochte mit Steve Swallow und Bill Stewart ebenso zu überzeugen wie James Blood Ulmer. Ulmer arbeitete sich solistisch am höchst eigenwilligen Blues ab, der vom gewohnten Zwölftaktschema radikal abwich. Zwei Willisauer Höhepunkte sollten nicht verschwiegen werden: die Auftritte von Sex Mob und von Nils Wograms Septett bestachen durch ihre Eigenheit. Von skurril intonierten Melodien aus James-Bond-Soundtracks bis hin zu Duke Ellingtons „Black & Tan Fantasy“ wilderte Steven Bernsteins Quartett Sex Mob in der populären Musik (Gast: Organist John Medeski). Mit augenzwinkernder „Swing Moral“ (CD-Titel) spielte sich das Septett Nils Wograms, der in der Schweiz als „der wohl spektakulärste europäische Posaunist seit Albert Mangelsdorff“ („Basler Zeitung“) wahrgenommen wird, durch die gesamte Jazzgeschichte. So ungewöhnlich die bläserstarke Besetzung ohne Bass und Klavier, so ausgeklügelt sind Wograms Kompositionen und Arrangements (und die der Kollegen). Jazz höchster Qualität gab es in Willisau wieder in entspannter Atmosphäre zu hören, wenn auch nicht unbedingt die neuesten Trends. Reiner Kobe |
|