Anzeige |
|
|
Anzeige |
|
Sie genießt aus einsichtigem Grund in Deutschland nicht den Bekanntheitsgrad ihres Vaters, des profilierten TV-Journalisten und derzeitigen Leiters des ARD-Hauptstadt-Studios Thomas Roth. Aber es gibt noch einen anderen, in ihrer Biographie liegenden Grund dafür, dass die Jazz-Sängerin Natascha Roth hierzulande noch nicht den Durchbruch geschafft hat, den sie verdient. Sie wandert nicht nur künstlerisch, sondern teilweise auch geographisch gewissermaßen zwischen vier Welten hin und her – zwischen Südafrika und Europa, den USA und Brasilien.
Die am 12. Januar 1970 in Heilbronn geborene Natascha wuchs in einem Elternhaus auf, in dem Musik zum täglichen Leben gehörte. Der Vater spielt noch heute hörenswert klassische Gitarre. Die Tochter zeigte schon frühzeitig eine hohe gesangliche Begabung. Sie sang – bald auch solistisch – in Schul- und Kirchenchören. Gleichzeitig zu ihrem, mit 16 Jahren begonnenen klassischen Gesangsunterricht entdeckte sie ihre Liebe zum Jazz, zu den Standards des American Songbook, und trat bald in Stuttgart und im „Ländle“ mit Pop- und Jazzbands auf. Mit 19 Jahren kam sie erstmals nach Südafrika, wo ihr Vater als ARD-Korrespondent tätig war. In dem von der Apartheid geprägten und geplagten Land hatte die Zeit des Umbruchs begonnen. Die junge Deutsche tourte als Background-Sängerin einer populären, aus schwarzen und weißen Musikern bestehenden Band zweier Brüder aus Soweto durch die ganze Republik. Die Band trat in den Weißenvierteln ebenso auf wie in den Townships. Diese politisch bewegte Zeit prägte die junge Natascha nachhaltig und ließ in ihr eine tiefe Verbundenheit zu Südafrika entstehen. Damals lernte sie bereits ihren späteren Ehemann und musikalischen Partner, den in England geborenen, in Südafrika aufgewachsenen exzellenten Gitarristen James Scholfield kennen. Doch vorerst kehrte Natascha Roth nach Europa zurück, um – ihrem damaligen Berufsziel folgend – in Wien am Max-Reinhardt-Seminar Musical zu studieren. Aber die frühe Liebe zum Jazz setzte sich durch, und so begann sie auf Empfehlung von Mark Murphy 1992 in Graz bei ihm, Jay Clayton und Sheila Jordan, vor allem aber bei ihrem ersten Lehrer Andy Bey Jazzgesang zu studieren. 1999 schloss sie ihr Studium mit dem Masters degree ab. Immer wieder hielt sie sich für längere Zeit in Südafrika auf, wo sie sich durch Engagements in Clubs und auf Festivals inzwischen einen Namen gemacht hatte. Ab 2001 war sie dann für drei Jahre selbst als Lecturer für Jazzgesang an der University of Cape Town tätig. Viele ihrer Studenten haben inzwischen Karriere gemacht. 2003 folgte sie für weitere drei Jahre einem Ruf des renommierten Lemmens Instituut im flandrischen Löwen als Professor for Jazz Voice. Die Lehrtätigkeit war ihr inzwischen zur engagiert betriebenen Profession geworden. Während dieser Zeit trat sie häufig mit belgischen Musikern wie dem Pianisten Jack van Poll auf. Im Februar und März dieses Jahres absolvierten Natascha Roth und James Scholfield ihre zweite USA-Tournee mit Konzerten in New Jersey und New York City, unter anderem mit der Vokal-Kollegin Jeanie Bryson, der Tochter Dizzy Gillespies, die Natascha in Südafrika kennen und schätzen gelernt hatte. Für die Sommermonate wird das Musiker-Ehepaar Roth/Scholfield – wie in den Vorjahren – wieder zu ihren Roots nach Südafrika zurückkehren, wo sie praktisch jeden Abend in Clubs oder Konzerten auftreten. Um sich endlich auch in ihrem eigentlichen Heimatland bekannter zu machen, verlegten Natascha Roth und James Scholfield vor kurzem ihren Lebensmittelpunkt – zwischen Berlin und Köln pendelnd – nach Deutschland. Die hervorragend ausgebildete Alt-Stimme der Natascha Roth reicht von zarten, fast gehauchten hohen Lagen bis in warme, voluminöse Tiefen, die gelegentlich an Sarah Vaughan denken lassen, ohne dass sie ihr Idol bewusst nachahmen möchte. Sie hat sich ihren eigenen, unverwechselbaren Stil erarbeitet, bei aller Verehrung für ihre Vorbilder Rosa Passos, Joao Gilberto, Nancy King und nicht zuletzt ihren verehrten Grazer Lehrern. Sie phrasiert sorgfältig und absolut intonationssicher, variiert die Melodie am stets klar und verständlich artikulierten Text bis in feinste Verästelungen und Verzweigungen. Die ‚Lyrics’ sind bei ihr wirklich Lyrik. Scat geht ihr leicht und spielerisch über die Lippen. Aber der Text sei ihr gleich wichtig, versichert sie im Gespräch mit der Jazzzeitung: „Einen Text zu verstehen, ihn zu interpretieren, ist ebenso eine Kunst wie ohne Text zu improvisieren. Beides bereitet das gleiche Vergnügen, stellt aber auch eine gleiche Herausforderung dar.“ Natascha Roth bedient sich – wie zu ihren Anfängen – noch immer gern aus dem American Songbook, wählt allerdings bewusst neben den von ihr vielfach neu interpretierten Standards auch weniger bekannte Songs. Zur Zeit schätzt sie besonders Kompositionen von Ray Noble. Zwar fühlt sie sich der Tradition verbunden, aber nicht verpflichtet: „Ob traditional oder modern, Swing oder free, ist nicht so vorrangig, ich versuche, jede Musik, die zu mir passt, zum Leben zu bringen.“ Neben dem Jazz gehört ihre Liebe brasilianischen Liedern, den Bossas und Sambas eines Antonio Carlos Jobim oder Joao Gilberto, die sie mit südlicher Eleganz und Leichtigkeit im brasilianischen Portugiesisch darbietet. Eine Brasilia-CD im Duo mit James Scholfield ist in Vorbereitung. Vorwiegend tritt Natascha Roth im Duo (mit Gitarre oder Piano), im Trio oder Quartett auf. In kleinen Formationen erhält ihre Performance einen intimen, kammermusikalischen Charakter, der durch ihre grazile Erscheinung noch unterstrichen wird. „Ohne Schlagzeugbegleitung zu singen, half mir, mich meiner Phrasierung bewusster zu werden und selbst Verantwortung für das Timing zu übernehmen“, und darin ist sie wirklich perfekt. Sie würde aber auch gern wieder – wie gelegentlich in Südafrika – vor einer Big Band stehen. Eine weitere Spezialität der Sängerin Natascha Roth sind südafrikanische Folklore und Popsongs, die sie auf Xhosa, einer der am weitesten verbreiteten Stammessprachen Südafrikas, singt. So verfügt diese außergewöhnliche Vocalistin über ein vielseitiges Repertoire, für das sie auch in Deutschland größere Aufmerksamkeit zu finden hofft. Einige viel versprechende Auftritte hatte sie hierzulande bereits, so mit dem Pianisten, Komponisten und Bandleader Martin Schrack, ihrem Mentor und väterlichen Freund, seit sie ihn mit 17 Jahren beim Stuttgarter Staatstheater traf, oder mit Rolf Römer, dem früheren WDR-Big Band-Tenoristen (u. a. im Berliner A-Trane) sowie im Duo mit James Scholfield. Unlängst erschien auf einem südafrikanischen Label eine Sampler-CD mit Songs so berühmter Interpretinnen wie Sarah Vaughan, Astrud Gilberto, Cesaria Evora, Aretha Franklin und – für sie unerwartet – Natascha Roth. Sie singt dort das (auch auf ihrer homepage www.natascharoth.com zu hörende) brasilianische Lied „Caminhos Cruzados“ (sich kreuzende Wege), ein Titel, der fast symbolhaft steht für sie und ihre Wanderung zwischen vier Welten. Dietrich Schlegel
|
|