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Kleider machen Leute. Schuhe auch! Die Musik schafft dazu das nötige Ambiente. Und so lässt sich auf dem diesjährigen 5. Jazzfestival im badischen Städtchen Bühl eine interessante Schuh-Musik-Symbiose feststellen. Ja, Sie lesen richtig! Sie finden das weit hergeholt?
Nehmen wir zum Beispiel Charlie Mariano im Duo mit dem Kontrabassisten Dieter Ilg. Na, was schätzen Sie? Cowboystiefel oder Schnürschuh? Natürlich schwarzer Lederschuh zum Binden: edel klassisch, aber nicht ausgetreten. Ganz im Gegenteil! Marianos Alt-Saxophon erzählt von Welten jenseits des großen Teichs, von indischen Abenteurern wie von europäischen Frauen. Mal raucht es kreativ im Gebläse, dann schreit es einem seinen ganzen Weltschmerz entgegen oder taucht ein in exotische silbrig glänzende Klangdimensionen à la Nagaswaram, einem oboenähnlichen indischen Doppelblatt-Instrument. Entzückend! Auch wenn Ilg meist den begleitenden Part übernimmt, hat man nicht den Eindruck, dass sich der weißhaarige und inzwischen 82-jährige Saxophonist in den Vordergrund drängt. Wenn der Kontrabassist in seinen Soli zum Zug kommt, hört ihm Charlie Mariano aufmerksam zu, runzelt die Brauen, zieht die Luft scharf zwischen den Lippen ein und ist begeistert von den Wendungen und Rückungen seines Partners. Das wirkt nicht wie eben mal zwei Stunden vor dem Auftritt zusammen geprobt, sondern wie ein lange gelagerter Wein, der sein Aroma beim Hören nach und nach abgibt, bis man nicht mehr davon lassen möchte. Eine Note Muskatnuss, Waldbeere und Honig dürfen da nicht fehlen. Und das Bühler Publikum ist hin und weg. Mit über 600 Besuchern ist das Bürgerhaus am Neuen Markt prall gefüllt. Und dann wäre da noch das Zipflo-Reinhardt-Quartett im Schütte-Keller. Ein Kleinkunstkeller am anderen Ende der Stadt. Der unverputzte Kellerraum mit seinen kleinen Fenstern hat einen ganz eigenen Charme. An der hinteren Seite die Bühne. Die Luft vibriert. Auf welche Schuhe tippen Sie bei dem Jazz-Geiger mit Sinti-Wurzeln? Ich verrat’s Ihnen: Braune Slipper. Und der Frontman an sich? Gibt sich eher ruhig, wenig Blickkontakt zum Publikum, kaum in Bewegung. Doch irgendetwas hat dieser Typ mit langem Haar und dunklem Teint. Je länger die Band spielt, desto klarer wird es. Es ist das Zusammenspiel mit seinen Bandkollegen. Namentlich Tilman Günther am Piano, Daniel Schay am Schlagzeug und Zeca de Oliveira am Bass. Musiker, die nicht nur ihr Handwerk verstehen, sondern darin völlig aufgehen. Ich kann mich gar nicht erinnern, wann ich das letzte Mal ein Drumset mit sechs Becken und einem Hi-Hat zu Gesicht bekommen habe. Und so legt sich Daniel Schay auch ins Zeug. Wahnsinn! Doch auch die anderen Musiker stehen dem in nichts nach. Einzig Zipflo Reinhardt wirkt, trotz rotem T-Shirt, dagegen etwas blass und fast ein wenig langweilig. So wie seine Schuhe. Doch die Musik ist klasse. Und um unser Schuhensemble komplett zu machen, fehlt da noch der gute, altbewährte Turnschuh. Den gab’s natürlich auch. Gefunden im Carl-Netter-Jazzhaus beim Ro-Gebhardt-Trio. Sportliche Ener-gie trifft auf Jazz, Soul und Latin. Ein eher dezenter Musiker, in sich versunken, wenig exzentrisch. Sportlich springt er mit seiner Gitarre von Tangorhythmen à la Piazzolla zu souligeren Eigenkompositionen und wirkt dabei auffallend sympathisch. Ob es nun an den Schuhen liegt oder an der eigenwilligen Spielweise, ist schwer zu sagen. Fest steht jedoch: Nach Bühl komm’ ich wieder! Beatrice Siering |
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